24
Feb
2008

Mysteriöser Steinschlag

Mein Zug nach Basel SBB hatte 35 Minuten Verspätung. Oder noch mehr, und er war gestern Abend der letzte, der mich von Frankfurt am Main zurück in die Schweiz bringen konnte. Ursache seiner Verspätung war ein Steinschlag, hiess es. Naja, dafür hat man Verständnis. Wenn Steine auf den Gleisen liegen, dann muss so ein Zug doch halten, dachte ich. Ich wartete ohne Begleitung. Meinem Kumpel English hatte ich tschüss gesagt.

Im Bahnhof herrschten chaotische Zustände. In der allgemeinen Verwirrung stieg Madame Frogg sogar in einen Intercity nach Ostberlin. Ich bemerkte meinen Fehler im letzten Moment und konnte gerade noch aussteigen. Mit klopfenden Herzen stand ich da und sah die grossen, traurigen Wälder von Ostdeutschland vor mir, sah den Himmel über dem Frankfurter Bahnhof dunkel werden. Ich begann mir Sorgen zu machen. Wo sollte ich übernachten, falls mein Intercity nicht käme? Nicht bei English. English war längst im Kino und hat kein Handy.

Als mein Zug dann doch noch kam, war ich so erleichtert, dass ich der Deutschen Bahn sofort verzieh und beglückt einsteigen wollte. Doch mein Hochgefühl verflog, als ich den Waggon 3 verschlossen vorfand. Im Waggon 3 hatte ich nämlich einen Sitzplatz reserviert, und ich wollte diesen Sitzplatz, weil… nein, es würde zu weit führen, das jetzt zu erklären. Jedenfalls war der Waggon 3 wegen Steinschlags geschlossen, sagte der Schaffner. Ich musste mir im Waggon 2 einen Sitzplatz suchen. Was auch gelang, denn am späteren Samstagabend fährt zum Glück fast niemand ICE.

Als der Schaffner dann meine Fahrkarte kontrollierte, hatte ich einen merkwürdigen Dialog mit ihm.
Ich: „Wo war denn dieser Steinschlag?“
Er: „Im Waggon 3.“
Ich: „Ja, ja, das habe ich mitbekommen. Aber wo in Deutschland, meine ich,“
Er: „Ach so. Der Steinschlag war in Fulda!“
Ich: „Und was ist denn mit dem Waggon 3? Ich meine: Ich habe dort einen reservierten Platz…“
Er (grinsend): „Ja, da bleiben Sie mal besser hier!“
Ich: „Ähh…“
(Schaffner eilig ab).

Klar, dass ich beim Aussteigen in Basel einen langen, aufmerksamen Blick in den Waggon 3 warf. Die Frogg verspürte voyeuristische Lust darauf, Kraterlöcher zu sehen, vielleicht eine zersplitterte Scheibe oder einen staubigen Brocken auf Sitz 83. Aber nichts dergleichen. Was ich von Waggon 3 sah, war still, finster und vollkommen intakt.

Zu Hause angekommen, schlug ich Fulda im Atlas nach. Ich sah dort keine steinschlagverdächtigen Berge. Dann googelte ich „Fulda“ und „Steinschlag“. Wieder nichts. Auch technorati.com gab mir keinerlei Suchergebnisse.

Was war da geschehen?

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acqua - 24. Feb, 19:46

Wahrscheinlich folgendes:

Der Schaffner betrat den Waggon Nr. 3 vor der Abfahrt in Fulda und traf dort einen italienischen Mitarbeiter der DB. Dieser rief ihm schon von Weitem zu: "Come stai!" Der Schaffner, etwas überrascht ob der überschwänglichen Freundlichkeit des Italieners, aber denkend, dass man ja immer hört, wie aufgeschlossen dieses Volk sei antwortet: "Danke, gut. Und Ihnen?" Der Italiener, jetzt fast etwas verzweifelt: "No, no! Come stai!" Der Schaffner wundert sich noch mehr, ist er sich doch sicher, trotz nur sehr rudimentärer Italiensichkenntnisse, dass "come stai" "wie geht es dir" bedeutet. "Wie gesagt: gut gehts. - Aua!" Darauf der Italiener resigniert: "Ig dir sage come eini stai!"

Diesen Witz (allerdings mit einem Schweizer unbekannter Profession anstelle des deutschen Schaffners) habe ich heute an der Postautohaltestelle einen verliebten Teenie dem anderen erzählen hören.

diefrogg - 24. Feb, 21:57

Genau so...

muss es gewesen sein! Offenbar hat sich die Geschichte rasend schnell herumgesprochen und ist dabei sogar schon dahingehend verfälscht worden, dass sie jetzt in der Schweiz spielt!
theswiss - 28. Feb, 18:22

Das erinnert mich stark an die Antwort der SBB auf meine Frage, wieso die S7 zwischen Zürich HB und Stadelhofen eine halbe Stunde lang im Tunnel gehalten hatte: "Es lag Schnee auf den Schienen .. "

diefrogg - 28. Feb, 18:50

"LOOOOL...!"

kann ich da nur sagen! Die SBB sind also auch nicht besser!
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