Dresden für Kurzentschlossene
Eigentlich hatten wir die sächsische Hauptstadt erst Ende Juni besuchen wollen. Aber weil die grosse Flut unsere Ferienwohnung in der sächsischen Schweiz zugeschlammt hatte, mussten wir improvisieren. Wir zogen schon am Mittag des 12. Juni ins Hostel Louise 20 in der Dresdener Neustadt ein - ein Wunsch-Logis des Herrn T.
Mehr als zwei Nächte wollte man uns dort jedoch partout nicht unterbringen. Denn zwei Tage später begann das grosse Fest der Bunten Republik Neustadt. Da waren sämtliche Zimmer reserviert. Wirklich: Fluten, Feste, was willst Du mehr!?
Wir hatten also genau eineinhalb Tage Zeit für das grosse Elbflorenz. Viel zu wenig
Zum Glück hatten wir zwei Reiseführer, die beide mit Kurzaufenthalter-Banausen wie uns gerechnet hatten. Ihre Handlungsanweisungen waren allerdings bemerkenswert unterschiedlich.
Christine von Brühl beschreibt einen Rundgang von der Canaletto-Brücke über die Brühl'sche Terrasse (Bauwerk eines ihrer Urahnen) - und dann durch die üblichen Sehenswürdigkeiten wie Frauenkirche, Zwinger und Semperoper. Das Gute an diesem Spaziergang sei, dass "man anschliessend wieder abreisen kann", schreibt sie. Wer das alles gesehen habe, sagt sie "hat Dresden begriffen. Hier steckt die Seele der Stadt." (S. 24)
Detlef Krell, Autor dieses Buches seinerseits, macht die so genannte Käseglocke zum Nabel für eine Kurzbesichtigung von Dresden. Sie ist das Strassenbahn-Wartehäuschen am Postplatz. "Einmal um die Käseglocke der Stadt herum führt der kürzeste Stadtrundgang. Auf den 60 Schritten werden nicht nur einige der stadtprägenden Bauwerke sichtbar, sondern die zerrissene Seele der Stadt, das bewahrte und rekonstruierte Alte, das Neue zwischen Improvistaion und Vision, die Geschäftigkeit des Alltags". (S. 261)
Was also tun? Wir kamen sowieso über die Canaletto-Brücke und stritten ein bisschen. Ich fand die Beschreibung von Herrn Krell verlockender. Herr T. ging kurz weiter und warf einen Blick auf die inmitten von Schienen völlig verloren aussehende Käseglocke.
(Quelle: http://mw2.google.com)
"Kommt überhaupt nicht in Frage", sagte er und folgte der Brühl'schen Anweisung. Ich folgte meinem Mann. Ausnahmsweise.
Ich weiss nicht, ob ich Dresden begriffen habe. Aber bereut habe ich es nicht.
Mehr als zwei Nächte wollte man uns dort jedoch partout nicht unterbringen. Denn zwei Tage später begann das grosse Fest der Bunten Republik Neustadt. Da waren sämtliche Zimmer reserviert. Wirklich: Fluten, Feste, was willst Du mehr!?
Wir hatten also genau eineinhalb Tage Zeit für das grosse Elbflorenz. Viel zu wenig
Zum Glück hatten wir zwei Reiseführer, die beide mit Kurzaufenthalter-Banausen wie uns gerechnet hatten. Ihre Handlungsanweisungen waren allerdings bemerkenswert unterschiedlich.
Christine von Brühl beschreibt einen Rundgang von der Canaletto-Brücke über die Brühl'sche Terrasse (Bauwerk eines ihrer Urahnen) - und dann durch die üblichen Sehenswürdigkeiten wie Frauenkirche, Zwinger und Semperoper. Das Gute an diesem Spaziergang sei, dass "man anschliessend wieder abreisen kann", schreibt sie. Wer das alles gesehen habe, sagt sie "hat Dresden begriffen. Hier steckt die Seele der Stadt." (S. 24)
Detlef Krell, Autor dieses Buches seinerseits, macht die so genannte Käseglocke zum Nabel für eine Kurzbesichtigung von Dresden. Sie ist das Strassenbahn-Wartehäuschen am Postplatz. "Einmal um die Käseglocke der Stadt herum führt der kürzeste Stadtrundgang. Auf den 60 Schritten werden nicht nur einige der stadtprägenden Bauwerke sichtbar, sondern die zerrissene Seele der Stadt, das bewahrte und rekonstruierte Alte, das Neue zwischen Improvistaion und Vision, die Geschäftigkeit des Alltags". (S. 261)
Was also tun? Wir kamen sowieso über die Canaletto-Brücke und stritten ein bisschen. Ich fand die Beschreibung von Herrn Krell verlockender. Herr T. ging kurz weiter und warf einen Blick auf die inmitten von Schienen völlig verloren aussehende Käseglocke.
(Quelle: http://mw2.google.com)
"Kommt überhaupt nicht in Frage", sagte er und folgte der Brühl'schen Anweisung. Ich folgte meinem Mann. Ausnahmsweise.
Ich weiss nicht, ob ich Dresden begriffen habe. Aber bereut habe ich es nicht.
diefrogg - 8. Jul, 16:46
4 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
Kulturflaneur - 8. Jul, 23:11
Wie eine weite Reise...
... tönt doch verheissungsvoll für einen Stadtrundgang in 60 Schritten. Am Tag unseres Rückflugs in die Schweiz liessen wir es uns nicht nehmen, Detlev Krells Kürzeststadtrundgang zu testen: Wir umrundeten die Käseglocke. Und ich finde, er hält zwar, was er verspricht, trotzdem war ich ein bisschen enttäuscht, denn die Umrundung war nicht wie eine weite Reise:
diefrogg - 9. Jul, 10:52
Doch, für mich...
natürlich schon - ich wollte ja unbedingt zum Bahnhof zurück, damit wir möglichst unsere S-Bahn auf den Flughafen nicht verpassten. Eine Tortur von einer weiten Reise war das für mich ;) Aber wir wollen jetzt noch nicht vom Heimreisen anfangen!
mehrLicht - 9. Jul, 23:27
Ich weiss ja nicht von wann der Text war...
aber die Idee, mit einer Umrundung der Käseglocke Dresden kennenzulernen ist wohl das blamabelste und peinlichste, was offenbar je an Touristenliteratur über Dresden geschrieben wurde. Dazu muss man wissen, dass die Käseglocke früher wirklich der Nabel der Stadt war, und zwar wörtlich genommen. Das kann man ansatzweise noch auf historischen Ansichten erkennen: http://www.ighft.de/aktuelles/archiv2008/postplatz.jpg - in den letzten 10 Jahren wurde der Platz aber durch Gleisverlegung, Abrisse, Straßenneuführungen und großräumiger Versiegelung derartig verschandelt, dass man von einem Zentrum der Stadt nicht mehr sprechen kann. Mehr noch: die Verkehrsbetriebe haben sich aus dem kleinen Büdchen verzogen, die Nutzung steht in den Sternen. Das sollte wissen, wer nach Dresden kommt und ratlos auf die Umgebung blickt, die neuerdings noch ein Hotelklotz verschandelt. Ihr habt es also richtig gemacht. Denn dieser Platz ist - leider - nicht mehr Dresdens quirliger Mittelpunkt.
diefrogg - 10. Jul, 17:01
Ja, tatsächlich,
als ich das Textstück so isoliert las und mich an den Platz erinnerte, habe ich tatsächlich auch gedacht: Es braucht viel guten Willen, so etwas überhaupt für bare Münze zu nehmen!
Nun ist es so: Das Buch erschien erstmals 1997 - und es ist theoretisch möglich, dass der Autor die Textstelle nie aktualisiert hat.
Ich neigte beim ersten Anblick des Postplatzes zur Vermutung, dass man die Aufforderung zum Rundgang um die Käseglocke wohl metonymisch auffassen sollte: Man macht den Rundgang und geht dann aber auch weg von der Käseglocke in jede beliebige Richtung: zu den Baudenkmälern von Elbflorenz, Richtung Pragerstrasse oder wohin immer den Stadtwanderer die Füsse tragen.
Nun ist es so: Das Buch erschien erstmals 1997 - und es ist theoretisch möglich, dass der Autor die Textstelle nie aktualisiert hat.
Ich neigte beim ersten Anblick des Postplatzes zur Vermutung, dass man die Aufforderung zum Rundgang um die Käseglocke wohl metonymisch auffassen sollte: Man macht den Rundgang und geht dann aber auch weg von der Käseglocke in jede beliebige Richtung: zu den Baudenkmälern von Elbflorenz, Richtung Pragerstrasse oder wohin immer den Stadtwanderer die Füsse tragen.
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