Quicklebendiger Untoter
Jean-Martin Büttner schrieb über dieses Buch*:
"Keith Richards redet, wie er Gitarre spielt. Immer im Takt, kein Ton zu viel. Unverkennbar, unbeeindruckt, unverwechselbar." Ich halte Büttner für einen der besten Journalisten der Schweiz. Deshalb wunderte ich mich nach den ersten 100 Seiten ein wenig. "Vielleicht hat Büttner doch ein anderes Buch gelesen als ich", dachte ich. Denn den Prolog zu "Life" fand ich überhaupt nicht lakonisch. Richards schildert, wie er mit ein paar Kollegen in einem gottvergessenen Kaff in Arkansas von der Polizei hochgenommen wird - mit einem Auto voller Drogen. Das las sich - mit Verlaub - wie das Geleier eines Junkies. Mir wurde nie ganz klar, was an der Geschichte prologwürdig sein soll.
Dann kommt die Kindheit des späteren Rolling Stones-Gitarristen. Er wuchs als Büezer-Sohn im Nachkriegs-England auf. Das ist zwar nicht gerade langweilig. Und doch schien es mir, als hätte Co-Autor James Fox gelegentlich Mühe, die Story auf der Spur zu halten.
Aber dann bekommt der junge Keith den Stimmbruch. Er wird aus dem Schulchor geschmissen, für den er ein ganzes Schuljahr geopfert hat. Da beschliesst er, Rebell zu werden. Und hier hebt das Buch ab. Plötzlich ist der Rock-Veteran quicklebendig, verdammt eloquent, erzählerisch zielbewusst. Und er hat Humor.
Er hat ein paar intellgente Dinge über das Dasein als Star zu sagen. Souverän haucht er den grossen, alten Legenden der Stones-Geschichte neues Leben ein: den Aufstieg als die bösen Brüder der Beatles, Anita Pallenberg, den Tod von Brian Jones, Altamont, Heroin, alles da. Sogar über Gitarren spricht Keith so simpel und ergreifend, dass auch die - relative - Laiin dabei hellwach bleibt.
Wirklich. Lesenswert. Und hier der grosse Untote der Rockgeschichte in Person - für einmal ohne Gitarre:
*Im "Tagesanzeiger" vom 30. Oktober 2010; S. 37
"Keith Richards redet, wie er Gitarre spielt. Immer im Takt, kein Ton zu viel. Unverkennbar, unbeeindruckt, unverwechselbar." Ich halte Büttner für einen der besten Journalisten der Schweiz. Deshalb wunderte ich mich nach den ersten 100 Seiten ein wenig. "Vielleicht hat Büttner doch ein anderes Buch gelesen als ich", dachte ich. Denn den Prolog zu "Life" fand ich überhaupt nicht lakonisch. Richards schildert, wie er mit ein paar Kollegen in einem gottvergessenen Kaff in Arkansas von der Polizei hochgenommen wird - mit einem Auto voller Drogen. Das las sich - mit Verlaub - wie das Geleier eines Junkies. Mir wurde nie ganz klar, was an der Geschichte prologwürdig sein soll.
Dann kommt die Kindheit des späteren Rolling Stones-Gitarristen. Er wuchs als Büezer-Sohn im Nachkriegs-England auf. Das ist zwar nicht gerade langweilig. Und doch schien es mir, als hätte Co-Autor James Fox gelegentlich Mühe, die Story auf der Spur zu halten.
Aber dann bekommt der junge Keith den Stimmbruch. Er wird aus dem Schulchor geschmissen, für den er ein ganzes Schuljahr geopfert hat. Da beschliesst er, Rebell zu werden. Und hier hebt das Buch ab. Plötzlich ist der Rock-Veteran quicklebendig, verdammt eloquent, erzählerisch zielbewusst. Und er hat Humor.
Er hat ein paar intellgente Dinge über das Dasein als Star zu sagen. Souverän haucht er den grossen, alten Legenden der Stones-Geschichte neues Leben ein: den Aufstieg als die bösen Brüder der Beatles, Anita Pallenberg, den Tod von Brian Jones, Altamont, Heroin, alles da. Sogar über Gitarren spricht Keith so simpel und ergreifend, dass auch die - relative - Laiin dabei hellwach bleibt.
Wirklich. Lesenswert. Und hier der grosse Untote der Rockgeschichte in Person - für einmal ohne Gitarre:
*Im "Tagesanzeiger" vom 30. Oktober 2010; S. 37
diefrogg - 8. Jan, 17:31
2 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
turntable - 12. Jan, 22:48
mich wundert immer nur, wenn leute, die angeblich die meiste zeit auf alkohol, drogen oder beides waren, sich dann an so viel erinnern können.
grüße
grüße
diefrogg - 13. Jan, 13:22
Naja, bei einigen...
dieser Veteranen aus den 60-er und frühen 70-er Jahren wundert sich ein Mensch mit einer eher weniger robusten Konstitution wie ich tatsächlich, dass die überhaupt noch am Leben sind - und dazu noch quicklebendig und munter. Irgendetwas am Rock 'n' roll muss trotz allem sehr gesundheitsfördernd sein!
Natürlich hatten die Stars von damals ein gewisses Interesse daran, die Stories ihrer Exzesse sorgfältig zu kultivieren - das belebte Image des Rock 'n'roll-Haudegens und damit das Geschäft. Auf der anderen Seite muss da doch etwas gewesen sein: Genug Leute aus der Szene sind früh gestorben.
Über Keith habe ich neulich einen BBC-Dokumentarfilm gesehen. "Falls er doch noch eines Tages sterben sollte, sollte man ihn aufschneiden. Man müsste prüfen, welche Flüssigkeit diesen Mann zu dem gemacht hat, was er ist", sagte einer dieser flatterhaarigen Musikjournalisten-Opas, die BBC jeweils für solche Doks befragt.
Natürlich hatten die Stars von damals ein gewisses Interesse daran, die Stories ihrer Exzesse sorgfältig zu kultivieren - das belebte Image des Rock 'n'roll-Haudegens und damit das Geschäft. Auf der anderen Seite muss da doch etwas gewesen sein: Genug Leute aus der Szene sind früh gestorben.
Über Keith habe ich neulich einen BBC-Dokumentarfilm gesehen. "Falls er doch noch eines Tages sterben sollte, sollte man ihn aufschneiden. Man müsste prüfen, welche Flüssigkeit diesen Mann zu dem gemacht hat, was er ist", sagte einer dieser flatterhaarigen Musikjournalisten-Opas, die BBC jeweils für solche Doks befragt.
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