6
Dez
2010

Freundliche Hundebesitzer

In der Nähe des Dorfes Eibu* fiel uns ein Hund an. Er schoss durchs Gartentor seines Bauernhofs und stellte den Pedestrian. Wildes Gebell und Schnappgeräusche. Ich hielt mich in sicherer Distanz. Der Pedestrian ist selber Mitbesitzer eines Hundes und schien die Lage halbwegs im Griff zu haben. Halbwegs. Wir erkannten schnell: Nur ein geordneter Rückzug konnte uns vor dem Zerfleischtwerden retten.

Wir hatten gerade die Hauptstrasse erreicht, als vom Hof ein Auto kam und bei der Einfahrt sowieso halten musste. Der Pedestrian klopfte an die Frontscheibe. Ein sympathischer Endzwanziger, Typ Landfreak, kurbelte das Fenster hinunter. "Ist das da hinten Ihr Hund?" fragte der Pedestrian. Der junge Mann nickte freundlich.

An dieser Stelle muss ich sagen: Ich kenne die Freundlichkeit von Hundehaltern. Nie werde ich das freundliche Flöten jener Zürcherin mit den beiden Enden einer Hundeleine in der Hand vergessen. "Er ist ganz ein Lieber!" flötete sie. Sie meinte ihren deutschen Schäfer, der sich gerade vor meiner zweieinhalbjährigen Nichte postiert hatte und streng auf sie hinunter blickte. Ich sehe heute noch die Panik im Gesicht des Kindes. Es flüchtete in die Arme seiner nahen Grossmutter, die es mit aussergewöhnlichem Schwung in die Höhe riss.

Aber das sollte ich gar nicht erzählen. Denn ich habe einen Verdacht: Manche Hundehalter empfinden sadistische Genugtuung, wenn ihre Lieblinge Passanten verängstigen. Deshalb sei es hier ein- für allemal festgehalten: Ich fürchte mich nicht vor Hunden. Ich finde Hunde an sich sympathische Geschöpfe, und ich kann mit den meisten gar nicht schlecht. Aber in der Stadt betrachte ich nicht angeleinte Hunde primär als triebgesteuertes Eigentum von Leuten, die etwas Wichtiges nicht begriffen haben: dass in der Stadt öffentlicher Raum knapp ist. So knapp, dass er nicht ohne Not mit Privateigentum vollgestellt gehört, das andere Leute behindert und potenziell gefährdet.

Auf dem Land bin ich etwas toleranter. Ich sehe die Schönheit der Tradition, auf einem Bauernhof einen Hund zu halten. Wahrscheinlich wurde sie mit der Erfindung des Türschlosses obsolet. Aber das geht mich im Normalfall nichts an.

In diesem Fall... also, Euch dürfte klar sein, dass mir nicht nach Freundlichkeit war. Ich traute meinen Ohren nicht, als sich Herr Pedestrian und der junge Landfreak nett zu unterhalten begannen. "Mein Hund?! Zugeschnappt?!" fragte schliesslich der Hundehalter ungläubig. "Also, das ist mir jetzt noch nie vorgekommen." Herr Pedestian glaubte ihm offensichtlich. Ich nicht. Dennoch entfernte ich den Ärger aus meiner Stimme und bestätigte, dass der Hund geschnappt hatte.

"Hm", sagte der Hundehalter, "Da werde ich wohl in Zukunft etwas besser auf ihn achten müssen."

Als er davongefahren war, schaute der Pedestrian noch einmal nach, ob auch alle Kleidungsstücke ganz seien. Ich nahm mich zusammen und räumte ein: "Wahrscheinlich erreicht man sogar bei Hundebesitzern mit Freundlichkeit mehr als mit Streitlust."

"Naja, der Typ sah ja auch so aus als ob man mit ihm reden könnte", sagte der Pedestrian gelassen.

Als wir später noch einmal in der Nähe des Hofes vorbeikamen, kam der Hund sofort wieder angerannt und verbellte uns wütend aus der Ferne.



* Man wird den Namen dieses Dorfes auf keiner Landkarte finden. Aber wer die sprachlichen Eigenheiten meiner Heimat kennt, weiss, was ich meine.

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Wüstenfuchs - 11. Dez, 12:42

Als Hundebesitzer kann ich dir da nur zustimmen: viele Hundebesitzer neigen bezüglich iherer Hunde zu eklatanter Einsichtslosigkeit. Mir begegnen oft Hundebesitzer, deren Hunde zähnefletschend in die Leine springen und Herrchen wie ein Anhängsel an der Leine aussehen lassen. Meistens kommt als nächstes der Kommentar: "Aber Fido, was hast du denn auch? Tu nicht!" oder es wird hemmungslos rumgebrüllt. Beides hat wenig bis gar nichts mit Hundeerziehung zu tun, sonder eher mit Herrchenkonditionierung von Seiten des Hundes. Meiner Meinung nach wird das Hundehalten im Allgemeinen zu sehr auf die leichte Schulter genommen. In den meisten Fällen werden die Hundchen mal schnell ums Haus geführt und Fido kann von 24 Stunden 23,5 die Wand anstarren. Kein Wunder, wenn die Viecher im roten Bereich sind und alles verkläffen, was sich bewegt. Bei mir hats auch einen Moment gebraucht, aber ich habe eingesehen, dass mein Hund pro Tag mindestens 1,5 Stunden Bewegung und dabei "Aufgaben" braucht. Seit ich es so mache, ist er sehr ausgeglichen, läuft auch ohne Leine bei mir (nur auf dem Land, nie in der Stadt). Für mich selber ist jeder Hundespaziergang eine rechte Anstrengung, da ich mich auch sehr konzentrieren muss, aber ich finde mein Fido hat das verdient. Einem Hund genügt Futter, Wasser und ein Platz zum Schlafen eben nicht. Die Wolfsvorfahren unserer Haushunde laufen bis zu 10 Stunden täglich auf der Suche nach Futter. Eineinhalb Stunden sind für einen domestizierten Wolf wohl eher das Minimum. Also ist Bewegung die Hauptanforderung, die ein Hund an den Menschen stellt, wenn der ihn schon zwischen seinen vier Wänden einsperren möchte. Allerdings bin ich sicher, dass das in den allermeisten Fällen nicht erfüllt wird. Also kein Wunder, wenn nach Bewegung lechzende Kreaturen ihren Bewegungsdrang durch Kläffen abzubauen versuchen. Bei Kindern ist das gleich: müssen sie zu lange rumsitzen und sind zum Nichtstun verdammt, fangen sie an zu schreien.
Aber was heisst das für den Hundelosen-Fussgänger? Viel machen kann man nicht, ausser einem grossen Bogen.

diefrogg - 11. Dez, 16:21

Danke, Frau Wüstenfuchs...

für diesen Kommentar. Ich stelle tatsächlich immer wieder fest, dass es Hundehalter und Hundehalter gibt. Natürlich bemerkt man jene Vierbeiner kaum, die in der Stadt brav bei Fuss an der Leine gehen. Es fallen einem ja immer nur diejenigen auf, die ihre Tierchen nicht im Griff haben. Ein solches, recht strenges Bewegungs-Regime ist sicher für beide gut. Ich schaffs in letzter Zeit gut, eine Stunde oder so spazieren zu gehen, ohne dass ich einen Hund habe. Aber ein vierbeiniger Gefährte würde mir wahrscheinlich bei der Selbstdisziplinierung helfen.
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