Der Sammler, der Waffenfabrikant
Kunstsammler und Waffenfabrikant E. G. Bührle (Bild von Dmitri Kessel, Quelle: buehrle.ch)
Neulich besuchten Herr T. und ich die Kunstsammlung von Emil G. Bührle (1890 bis 1956). Sie ist zu sehen in einer Villa in Zürich, bourgeois, exklusiv, nur nach Anmeldung.
Am Beispiel des Werkes unten erklärte uns eine Kunsthistorikerin eine Eigenheit der impressionistischen Kunst:
Claude Monet: Mohnfeld bei Vetheuil (Quelle: www.posterlounge.de)
Das Bild sieht nicht immer gleich aus. Steht man ganz nahe, so sieht man fast nur Farbtupfer. Je mehr Abstand man nimmt, desto mehr wird das Ganze zu einer blühenden Frühsommer-Landschaft bei labilem Wetter - bezaubernd.
In der Villa Bührle hängen solche Meisterwerke dicht an dicht. Bührle konnte sich sein Hobby leisten. Er war Waffenfabrikant in einer waffensüchtigen Zeit, ein begnadeter Händler und pingeliger Steueroptimierer. Kein sympathischer Charakter - aber ein schillernder.
Was brachte ihn dazu, sich eine solche Sammlung anzulegen? Reines Prestigedenken? Sollte die Schönheit dieser Werke vor allem ihn besser aussehen lassen? Oder hatte der studierte Kunsthistoriker Bührle eine andere Seite, eine tiefe Sehnsucht nach der befreienden Kraft der Kunst? War seine Sammlermanie gar ein Versuch der Sühne? Wollte er, dass Menschen wegen ihm nicht nur bluteten und verreckten - sondern Werke exquisiter Schönheit zu Gesicht bekamen?
Jedenfalls zeigt seine Geschichte, dass die Kunst die Welt nicht besser macht. Und wenn man lange genug darüber nachdenkt, werden die Waffen, die Kultur, die Bourgeoisie, wie die Kleckse eines grossen Bildes. Und man denkt so: Wie viel Abstand braucht es wohl, bis man sieht, was wirklich drauf ist?
Das ist mein neuer Beitrag für Herrn neonwilderness und sein famoses Projekt *txt - das Stichwort heisst "Bild".
diefrogg - 18. Mär, 12:12
8 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
speedhiking - 19. Mär, 22:48
Ein sehr schöner Text, Frau Frogg!
diefrogg - 20. Mär, 12:38
Das Kompliment...
gebührt ganz Dominik, der die Gedanken mit seinem Projekt zum Schweifen und Bohren bringt!
katiza - 20. Mär, 12:42
In der Tat ganz wunder-voll das ganze Projekt und ihr Text, lieb Fröschin!
diefrogg - 20. Mär, 14:18
:-)
Auch Ihrer, frau katiza! Das Ganze belebt nicht nur - es verbindet auch von Neuem.
steppenhund - 20. Mär, 12:45
Wie alle Ihre literarischen Texte ganz wunderbar. Und so treffend auf den Punkt gebracht.
Ich habe sogar etwas für mein noch zu schreibendes Buch daraus entnommen:
Jedenfalls zeigt seine Geschichte, dass die Kunst die Welt nicht besser macht. Und wenn man lange genug darüber nachdenkt, werden die Waffen, die Kultur, die Bourgeoisie, wie die Kleckse eines grossen Bildes. Und man denkt so: Wie viel Abstand braucht es wohl, bis man sieht, was wirklich drauf ist?
Danke.
Ich habe sogar etwas für mein noch zu schreibendes Buch daraus entnommen:
Jedenfalls zeigt seine Geschichte, dass die Kunst die Welt nicht besser macht. Und wenn man lange genug darüber nachdenkt, werden die Waffen, die Kultur, die Bourgeoisie, wie die Kleckse eines grossen Bildes. Und man denkt so: Wie viel Abstand braucht es wohl, bis man sieht, was wirklich drauf ist?
Danke.
diefrogg - 20. Mär, 14:15
Oh, das ehrt mich aber!
Ich hoffe natürlich, dann auch eine kleine Urheberinnen-Erwähnung zu bekommen ;-) Und natürlich werde ichs gerne lesen, wenns denn mal fertig ist!
Interessant, dass Sie das als literarischen Text bezeichnen. Ich sah das eher als Sachtext, halt mit dem persönlichen Einschlag, den ich gerne mache. Einen Moment lang hatte ich mir sogar überlegt, die Geschichte aus der Sicht des Fabrikanten zu erzählen. Das wäre dann literarisch gewesen. Aber hier kam mir ein bedeutendes Hindernis literarischen Schöpferinnenwillens in den Weg: Ich habs mir nicht zugetraut.
Macht in diesem Fall auch nichts: Ich mache die Erfahrung, dass ich selber rein fiktionale Texte auf dem Netz nur sehr ungern lese.
Interessant, dass Sie das als literarischen Text bezeichnen. Ich sah das eher als Sachtext, halt mit dem persönlichen Einschlag, den ich gerne mache. Einen Moment lang hatte ich mir sogar überlegt, die Geschichte aus der Sicht des Fabrikanten zu erzählen. Das wäre dann literarisch gewesen. Aber hier kam mir ein bedeutendes Hindernis literarischen Schöpferinnenwillens in den Weg: Ich habs mir nicht zugetraut.
Macht in diesem Fall auch nichts: Ich mache die Erfahrung, dass ich selber rein fiktionale Texte auf dem Netz nur sehr ungern lese.
steppenhund - 20. Mär, 15:15
Nachdem mein Buch eine Dystopie oder vielleicht auch eine Utopie in den Augen mancher sein wird, wird es ihnen vielleicht nicht gefallen. Aber ich bin ziemlich überzeugt, dass es im Laufe der Zeit als Sachbuch erkannt werden wird:)
So wie das einmal bei den Büchern von Jules Verne der Fall war.
So wie das einmal bei den Büchern von Jules Verne der Fall war.
diefrogg - 20. Mär, 15:35
Ich habe ihre ...
... sagen wir jetzt mal "Science Fiction"-Texte zum Teil ja schon gelesen - und grundsätzlich habe ich nichts gegen Utopien und schon gar nichts gegen Dystopien. Dystopien sind eh spannender, da ist mehr los. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich hauptsächlich Science Fiction von Frauen lese: Margaret Atwood finde ich ziemlich gut, Doris Lessing ebenfalls. Die Männer sind mir häufig zu technisch, ausser die Klassiker George Orwell, Aldous Huxley (und natürlich Douglas Adams). Von Ihnen erwarte ich mir natürlich einen neuen George Orwell ;-)
Von Jules Verne mag ich natürlich am liebsten "In 80 Tagen um die Welt" und seinen sympathischen Helden Phineas Fogg, dessen Name sich nicht ganz zufällig mit meinem Nick reimt. Ich muss gestehen: Seine Science-Fiction-Bücher habe ich nicht gelesen.
Von Jules Verne mag ich natürlich am liebsten "In 80 Tagen um die Welt" und seinen sympathischen Helden Phineas Fogg, dessen Name sich nicht ganz zufällig mit meinem Nick reimt. Ich muss gestehen: Seine Science-Fiction-Bücher habe ich nicht gelesen.
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