8
Jan
2014

Kleine Mädchen und die Ökonomie

Lego ist wieder da! Und wie! Zu Weihnachten bekam mein Gottenbub Tim (8) zwei Bausätze des Spielzeugriesen für eine Eisenbahn. Und meine Nichte Carina (8) steht ja so auf Lego Friends!



Für alle Nichtkenner: Lego Friends ist eine Linie für kleine Mädchen. Sind die Teile einmal zusammengesetzt, bedienen sie die allerpeinlichsten Girlie-Klischees. Pink dominiert. Es gibt fünf Freundinnen - und natürlich Pferde. Und man kann beim Spielen ohne Ende Frisuren, Accessoires und Schminkzeug herumschieben.

Carina besitzt schon vier oder fünf Friends-Bausätze. Lego muss boomen.

Wir spielten ein bisschen. Doch nach fünf Minuten hatte ich genug Frisuren umplatziert. Ich sehnte mich nach den guten, alten Lego, mit denen schon mein Bruder und ich gespielt hatten. Damals gab es multifunktionale Bausteine, mit denen sogar ich gerne Häuschen mauerte. Zum Spielen brauchte es dann einfach Phantasie. Mit diesem alten Steinen haben auch Carina und ich schon köstliche Stunden verbracht.

Aber eben. Heute macht man nicht mehr genügend Rendite mit Spielsachen, die zwei Generationen lang halten.

Wohl gerade der Zeitlosigkeit ihrer Produkte wegen kriselte Lego vor einer Weile. Ich erinnere mich noch gut an die langen Gesichter in unserer Region, als das Unternehmen 2005 seine Fabriken in Willisau und Steinhausen schloss. Sogar das Schweizer Fernsehen berichtete darüber. Das dänische Unternehmen verlegte ganze Produktionsketten nach Tschechien.

Und man kam weg von der Multifunktionalität. Damit Brüderlein und Schwesterlein derselben Generation gleich zweimal Lego brauchen, fabriziert man Mädchen-Spielzeug und Buben-Spielzeug. Pink für Mädchen. Eisenbahnen für Buben. Jetzt schreibt die Firma Rekordgewinne.

Ich finde es zwar gut, dass die Lego-Arbeiter in Tschechien Arbeit haben. Und doch jagt mir diese rosarote Wolke im Mädchenzimmer den kalten Schauer über den Rücken. Da werden Mädchen - und Buben - stereotype Rollenbilder geradezu aufgedrängt. Res Strehle, Ökonom und heute Chefredaktor des Tages-Anzeigers, hat solche Entwicklungen schon 1994 in diesem Buch* prognostiziert:

Im Kapitel "Das schlanke Patriarchat - Neuauflage des Sexismus" steht:"Der 'Sieg' der Marktwirtschaft und ihr Vordringen in neue Bereiche haben dazu geführt, dass den Frauen zugeschriebene Eigenschaften mit neuer Konsequenz vermerktet werden. 'Frauenspezifisches Marketing' heisst das Schlagwort, ... dazu gehört das handliche Kleinauto ('Panda') genauso wie das Light-Bier in der gestylten Flasche. Frau selber wird via Markt mit ihren angeblich frauenspezifischen Eigenschaften radikal in Wert gesetzt ..." (Seite 73 -4).

Soweit so gut. Nur: Wird das unseren geliebten, kleinen Mädchen dereinst im Erwachsenenleben schaden? Ja und nein, sagt Strehle. Frauen könnten innerhalb dieser Rollenklischees durchaus in Top-Positionen aufsteigen: "... als für die emotionale Stabilisierung des Personals zuständige Personalchefin, als für das Wohlbefinden der Medien verantwortliche Pressechefin" (S. 74).

Diese Vision finde ich jetzt nicht ganz so negativ wie Herr Strehle. Wichtig ist ja, dass Frauen die Option haben, in der Arbeitswelt gutes Geld zu verdienen - und durch ihre Arbeit auch neue Rollenbilder zu schaffen.

Und doch. Buben Eisenbahnen, Mädchen pink? Kann so reale Gleichheit entstehen?

*Res Strehle: "Wenn die Netze reissen - Marktwirtschaft auf freier Wildbahn" ; Zürich : Rotpunktverlag 1994 (und ein Dankeschön an den Kulturflaneur, der mich an das Buch erinnert hat)

4
Jan
2014

Schwindel

Am Silvesterabend hatte ich einen Schwindelanfall. Nichts Schlimmes. Etwa Stufe drei auf meiner achtstufigen Richterskala der Meniere-Schwindelanfälle. Am nächsten Morgen hatte ich ihn vergessen, war etwas verkatert und schrieb einen larmoyanten Neujahrs-Blogbeitrag.

Ich möchte auch nicht nachträglich klagen. Es geht mir hier nur darum, präzis zu beschreiben, wie es war.

Es passierte nach einem gemütlichen Abendessen bei Freunden. Wir waren zu viert, vertraute Bekannte, bei denen ich mich wohl fühle. Dann tat sich plötzlich Leere unter meinem Kopf auf. Es gibt diese zarte Stelle unter dem Rand des Schädels, genau da, wo sich hinter den Ohren der Schädelknochen leicht anhebt.



Kurz bevor Os temporale und Os occipitale aufeinander treffen.

Wenn man seine Finger fest auf die Stelle drückt, kann man seinen Puls spüren. Beim Meniere-Schwindel ist es, als würde dort das Gerüst aus Schwerkraft und Muskelspannung einstürzen, das den Kopf an seinem Platz hält. Man denkt nie an dieses Gerüst. Aber wehe, wenn es fällt! Dann gehen unfassbare Abgründe auf.

Wenn das Konstrukt nur an dieser Stelle einstürzt, kann ich damit umgehen. Ich kann meinem Rückgrat befehlen, gerade zu bleiben. Wenn ich stehe, kann ich mich irgendwo festhalten. Ich kann das Gleichgewicht in den Füssen und den Hüften suchen statt im Kopf. Ich hatte einen solchen Schwindelanfall letzten Herbst, als der Zahnart an meinem Gebiss herumschliff. Mein Kopf verweigerte den Dienst an der Schleifmaschine. Nur mein eiserner Wille konnte ihn halten.

An Silvester musste ich mich nicht sehr anstrengen. Der Schwindelanfall zog vorüber und kam nicht wieder.

Hatte ich zu viel getrunken? Ich glaube nicht. Ich war wohl so bei meinem vierten Glas Wein in drei Stunden. Von dieser Menge bekomme ich normalerweise keinen Schwindelanfall. Aber vielleicht forderte die ausdauernde weihnachtliche Fehlernährung mit Alkohol und Süssigkeiten ihren Tribut. Vielleicht war meinem System der hochfrequente Wechsel zwischen Familienfeierlichkeiten und dem Büro zu viel geworden.

Jedenfalls spinnen meine Ohren seither wieder. Hinter meinen Gehörgängen kleben Kugeln aus elektrisch geladenem Filz. Wenn Schall auf sie trifft, franst er aus.

1
Jan
2014

Neujahrsvorsatz

Beim Bloggen bin ich eine Schreiberin - keine Leserin und schon gar keine Vernetzerin. "Ich schreibe, also bin ich", lautete bislang stets meine Devise. Ich gebe zu: Ich habe den Grundgedanken des Bloggens willentlich nicht begriffen. Von ein paar Leuten gelesen zu werden, reichte mir. Der eine oder andere Kommentar reichte mir. Andere Blogs las ich nebenher in einer freien Minute. Kommentieren? Eher selten. Stöckchen und Freitagstexter und solcherlei? Das hätte mich alles nur von dem abgelenkt, was ich zu sagen hatte.

Wenn ich mir das so überlege, denn wird mir klar, wie viel ich von meinen Leserinnen und Lesern in all diesen Jahren bekommen habe. Unglaublich viel!

Aber zurzeit weiss ich nicht so recht, ob ich immer noch etwas zu sagen habe.

Ist dieser Blog alt und müde? Oder bin nur ich es? Habe ich nur eine uninspirierte Phase? Soll ich etwas anderes machen? Aber was?

Ich klickte mich ein bisschen durch meine Blogroll und entdeckte eine Menge Neues. Herrn shhh und lamamma angestossene Diskussion übers Vernetzen von Blogs. Merkwürdig. Spannend. Oder ein Gedicht von tinius mit einer Diskussion, die genau meine derzeitigen Fragen ans Bloggen auf den Punkt bringt.

Ich glaube, ich sollte im Neuen Jahr mehr Blogs lesen. Und mehr kommentieren.

In diesem Sinne wünsche ich Euch ein inspiriertes Neues Jahr - ohne Vernetzungszwang aber mit vielen glücklichen virtuellen Begegnungen.

25
Dez
2013

Gruselgeschichte zu Weihnachten

Mitternacht wird es jeweils im Nu an Weihnachten bei Familie Frogg. Wir sind ein mitteilsames Häufchen. Acht Leute, jeder hat viel zu erzählen.

Vater Frogg hatte zum Kaffee einen duftenden Williams kredenzt.

Irgendwie war das Gespräch auf Ratten gekommen. Mit denen sei nicht zu spassen, sagte mein Vater. Dann setzte er an zu einer Geschichte aus seiner Kindheit in den engen Tälern des Napfgebirges. „Es war oben im Hinteren Chrachen, wo ein Bauer mit der ganzen Familie und einem Stall voller Vieh in ein neues Haus umgezogen war.“ Er rutschte sogar ein bisschen in den nasalen Dialekt seiner Heimat. „Wenig später, erzählte man sich, seien auch die Ratten umgezogen. Es war in der Nacht. Damit sie einander nicht verloren, hätten sich jeweils die hinteren mit der Schnauze an den Schwänzen der vorderen festgehalten. Der Menzi Sepp sei noch unterwegs gewesen und habe den Rattenzug gesehen, eine riesige Herde.“ Wir hingen an seinen Lippen. Das hatte er noch nie erzählt.

Mir fällt gerade auf, dass das keine Weihnachtsgeschichte ist. Gruselig, eigentlich. Ich bitte um Entschuldigung.

Also, der Menzi Sepp. „Er ging zu den Ratten und versuchte sie mit seinem Stock auseinanderziehen. Da stürzten sich die Tiere auf ihn und bissen auf ihn ein. Sie hörten nicht auf, bis er tot war.“

Da sassen wir, im Licht, alle zusammen, warm und geborgen und waren froh.

24
Dez
2013

Frohe Weihnachten

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ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
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