28
Apr
2010

Rauchverbot

Diesem Eintrag muss ich eins vorausschicken: Ich habe selber ein paar Jahre geraucht. Ich verpaffte pro Tag fünf bis sechs Zigaretten, an einer rauschenden Party auch mal ein ganzes Päckchen. Ich rauchte gern. Mir hätte niemand zu sagen brauchen, rauchen schade der Gesundheit. Ich hätte ihm gesagt, ich könne schon selber auf meine Gesundheit aufpassen, vielen Dank.

Aber es gibt Dinge, die man mit den Jahren anders zu sehen beginnt. Zum Beispiel die Sache mit dem Rauchen.

Ab 1. Mai gilt in der Schweiz ein generelles Rauchverbot in Restaurants.

Alle, die jetzt so medienwirksam den Verlust ihrer Genussfreiheit beklagen, würde ich gerne ans Krankenbett meines Schwiegervaters (79) mitnehmen.

Er liegt seit einem Monat (!) auf der Intensivstation. Eine Lungenentzündung hat ihn hingebracht. Seine Lunge ist von ein paar Jahrzehnten Rauchen total kaputt.

Besonders eindrücklich wird es jeweils, wenn die Pflegerin ihm mit einem Rohr das Wasser von der Lunge saugt. Es klingt, als würde jemand mit einem riesigen Strohhalm einen fast leeren Schüttelbecher aussaugen. Wobei das Wort "Schüttelbecher" mit Bedacht gewählt ist: Denn das ist es, was die Saugerei aus dem Tigervater macht: einen grossen, wehrlosen, entsetzten Schüttelbecher.

Zur Erholung hier die rauchige Stimme des Tages:

26
Apr
2010

Schlampen, schummeln

Hier ein interessanter Link zu meinem neuen Lieblingsthema "kaputter Sozialstaat".

Er zeigt: Schweizer Gutachter für die Sozialversicherungen schummeln und schlampen und verdienen ordentlich Geld - alles auf dem Buckel der Betroffenen.

Ihr werdet Euch fragen: Warum dieses Drama um die Gutachter? Wer keine Invalidenrente oder kein Geld von der Unfallversicherung bekommt, soll doch einfach zum Sozialamt gehen! Nun, unser Schweizer System sorgt dafür, dass der Run auf die IV für alle irgendwie Geschwächten attraktiv bleibt.

Denn wer die Gutachter-Hürden übersteht und eine IV-Rente erhält, erhält damit gewissermassen ein Gütesiegel. Es berechtigt ihn zum Bezug weiterer Gelder: So bekommt er eine Rente von seiner Pensionskasse (wie er sie normalerweise erst ab 65 bekäme). Damit macht er schon mal 60 Prozent seines ursprünglichen Einkommens. Hat er auch noch eine Lebensversicherung, so wird diese ihm wegen Erwerbsunfähigkeit ausgezahlt. Damit wird er zum Krösus unter den Bettlern.

Wer dagegen zum Sozialamt geht, bekommt von Staat das bare Existenzminimum - aber erst, wenn er sein ganzes Erspartes aufgebraucht hat. Zahlungen an die Lebensversicherung werden sistiert, er verliert also auch noch Geld, das er im Alter einmal gebrauchen könnte. Und wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Er gilt als Scheininvalider und damit als Abschaum.

In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts war das alles noch kein Thema. Wer irgendwie kränkelte, bekam eine IV. Dann kam die erste grosse Krise. Arbeitsplätze wurden plötzlich knapp. Die Chefs reagierten, indem sie Hunderttausende in Frührente schickten: die Älteren in die Frühpensionierung, die Jüngeren bekamen schon wegen irgendeiner Kleinigkeit eine IV-Rente nachgeworfen. Doch anfangs der Nuller-Jahre setzte sich in diesem Land das Rechtsbürgertum durch und damit die Überzeugung: Unser Land ist ein armes Land, das nicht jedes hungrige Maul würdig stopfen kann - und vor allem nicht diejenigen der vielen Scheininvaliden.

Fortan stieg die Zahl der Scheininvaliden und man schreckt auch nicht davor zurück, sie gegeneinander auszuspielen: Wer als Schweizer mit einem chronischen Schmerzleiden 100prozentig arbeitsfähig gestempelt wird, schimpft über die Ausländer. Das habe ich schon oft erlebt. Denn, so Volkes Stimme: Die sind angeblich am Niedergang der IV schuld, weil sich ja so viele von ihnen eine Rente zu ertrügen versucht haben.

Man zeigt so gerne auf Scheininvalide, dass daneben eine Tatsache vollkommen übersehen wird: Es gibt in diesem Land Leute, für die die Arbeitswelt keinen Platz mehr hat. Wer zwei Stunden im Tag arbeiten kann, findet in diesem Land keine Stelle - egal ob ein Gutachter ihn für invalid befindet oder nicht. Und unsere Wirtschaft und unser Sozialsystem sind im Moment nicht in der Lage, solchen Menschen gegenüber Gerechtigkeit walten zu lassen. An dieser Tatsache ändern alle Schneckentänze der Gutachter, der IV, der Politiker nichts. Es ist eine unbequeme Tatsache.

Eine, die die Idee eines Grundeinkommens für alle plötzlich viel attraktiver aussehen.

24
Apr
2010

Rückschlag für Sparhysterikerin

Frau Frogg ist Sparhysterikerin geworden. Da ist neu. Grund: Sie rechnet sie aus gesundheitlichen Gründen mit einer baldigen, ziemlich dramtischen Lohneinbusse. Deshalb prüft sie jetzt bei jedem Einkauf Sparmöglichkeiten. Miuntiösestens. Sie hat Einkaufen zum Kampfsport erklärt. Gekämpft wird um jeden Rappen. Ich lernte schnell:
  • Das billigste Shampoo gibts bei Migros: M-Budget, Fr. 1.20 für 500 ml. Der Piniennadelduft ist nichts für empfindsame Riechorgane, aber die Qualität ist ok. (Sparpotential im Vergleich zu anderen Produkten: 70 Rappen bis 5 Franken)
  • Die billigste Schokolade gibts bei der Migros, 100 Gramm für 60 Rappen (M-Budget), es ist schnörkellose Haselnuss-Milchschokolade, gar nicht schlecht (Sparpoztenzial ca. 60 Rappen)
  • (Tja, Frau Wallküre, die Zeiten der Ragusa-Herrlichkeit werden bei mir einstweilen seltener)
  • Die billigste Sojamilch gibts bei der Migros: Fr. 1.90 für die geniessbare Variante mit Vanille (die vanillelose Sort kostet auch bei Coop Fr. 1.90, und sie schmeckt nur ganz wenig fader als Karton. Die DeLuxe-Variante, eine verfeinerte Vanille-Sojamilch, gibt's bei Coop für Fr. 2.30). Einsparungspotenzial: 40 Rappen.
  • Die billigste kalorienreduzierte Margarine gibts bei Coop: Fr. 3.25 für 500 g Lätta. (Sparpotenzial unklar, da die Migros kleinere Packungen verkauft.
Ich müsste lügen, wenn ich nicht gestehen würde, dass Frau Frogg ein winzigkleines Bisschen stolz ist auf ihre Rappenklauberei.

Aber neulich musste sie einen herben Rückschlag einstecken. Sie musste lernen: Wer beim Sparen wirklich Erfolg haben will, braucht ein tadelloses Zeitmanagement. Sie verschlampte ihren Termin bei der Dentalhygienikerin. Kostenpunkt: 80 Franken.

Der Soundtrack zu diesem Eintrag.

23
Apr
2010

Wunderdroge

Ich werde hier nicht über Cannabis-Produkte, LSD oder andere illegale Produkte referieren. Da Frau Frogg als junges Ding schon von Joints paranoide Zustände bekam, liess sie ab ihrem 18. Lebensjahr die Finger von allen verbotenen Stoffen. Hier soll auch nicht von den Chemikalien die Rede sein, die die Pharma-Industrie als Allerweltsmittel gegen Angstzustände anbietet. Da könnte Frau Frogg mitreden. Es gab Zeiten, da war sie dermassen zugedröhnt, dass es an ein Wunder grenzt, dass sie an manchen Tageszeiten einen klaren Gedanken fassen konnte. Aber über solche Drogen redet in der Öffentlichkeit niemand. Und ich sehe nicht, weshalb ausgerechnet ich dieses Tabu brechen sollte.

Nein, vom Kaffee soll hier die Rede sein.

Kaffee ist eine Wunderdroge.

Das weiss Frau Frogg, weil sie keinen Kaffee trinken sollte. Kaffee fördert bei ihr Schwindelanfälle, das ist empirisch bewiesen. Wenn es Frau Frogg meniere-mässig beschissen geht, dann geht sie als erstes auf Kaffee-Entzug. Das heisst nicht, dass es ihr sofort besser geht: Wenn sie auf Kaffee-Entzug ist, muss sie erst einmal zwei Tage lang jeden Morgen jeden ihrer Knochen einzeln einsammeln. Oder so fühlt es sich jedenfalls an. Zu den Entzugs-Symptomen gehören zudem Kopfschmerzen, ein dumpfes Gefühl im Kopf und eine vermaledeite Zerstreutheit.

Und ich meine, wer könnte bei so einem Anblick widerstehen:



Nach zwei oder drei Tagen ist sie dann jeweils clean und putzmunter und beschliesst, es auch zu bleiben.

Im Januar, bevor ich wieder arbeitete, war ich clean. Ich beschloss, es auch zu bleiben.

Aber es gibt jeden Tag ein Dutzend Gründe, ein Tässchen Espresso zu trinken. Zum Beispiel die reine Schönheit eines Kaffeerausches. Die Tatsache, dass Kaffee diese scharfe, warme Neugier auf die Welt verleiht, ohne die zum Beispiel Journalismus überhaupt nicht möglich wäre (was wohl heisst, dass wir den Journalismus westlicher Prägung den Türken verdanken). Besonders gute Gründe gibt es im Büro. Da ist der Kaffee gut und günstig und die Konzentrationsfähigkeit könnte manchmal doch noch ein bisschen besser sein. Zerstreutheit ist ja leider eine der grössten Schwächen von Frau Frogg.

Ja, und so wurden die Gänge zum Kaffeeautomaten allmählich wieder häufiger. Erst war es einer pro Woche, meistens an einem drögen Donnerstag, so gegen Mittag. Jetzt führt mein erster Gang jeden Morgen zu unserer büroeigenen Espresso-Maschine.

Ich stelle fest. Ich liebe diese Tasse Kaffee am Morgen. Man gönnt sich ja sonst nichts. Ich werde sie mir nicht so schnell wieder wegnehmen lassen. Auch nicht von ein paar läppischen Schwindelanfällen.

20
Apr
2010

Herzrasen

Der Tigervater ist immer noch auf der Intensivstation. Hinter ihm zählen Maschinen seinen Puls, seinen Blutdruck, nochmals seinen Blutdruck und eine Reihe anderer Dinge. Meistens hat er 85 Pulsschläge pro Minute. Er ist wach und mitteilsam. Doch weil ein Schlauch ihm Sauerstoff in die Lunge pumpt, kann er nicht sprechen. Nur Laute formen. Ich hätte doch einen Lippenlesekurs besuchen sollen, verdammt! Wir haben ihm eine Ritsch-Ratsch-Tafel* gekauft. Darauf kann er ohne viel Kraftaufwand schreiben und das Geschriebene auch schnell wieder wegputzen.

Sie liegt neben ihm auf dem Bett. Wenn er danach greift, steigt sein Puls jedesmal auf 100.


* Eine dieser Tafeln, die wir als Kind hatten: Sie sind mit Pauspapier und einer Plastikfolie überzogen. Man kann darauf schreiben, dann einen Stift drüberziehen und das Geschriebene so wieder wegputzen.
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Journal einer Kussbereiten

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