2
Mrz
2008

Konzentrationslager-Buch

walddergoetter Freunde, hier mache ich für einmal Werbung. Werbung für ein Buch und Werbung für eine Serie von Lesungen. Das Buch heisst "Der Wald der Götter“ und ist vom litauischen Nationaldichter Balys Sruoga. Er schildert darin seine Erlebnisse im Konzentrationslager Stutthof im heutigen Polen. Sruoga wurde 1943 von den Deutschen dorthin gebracht, offenbar einfach deshalb, weil er Professor war. Er überlebte mit letzter Kraft und schrieb, kaum zu Hause, seine Erlebnisse nieder. Dann, 1947, starb er nur 51-jährig.

Sein Werk wurde im sowjetisch besetzten Litauen erst 10 Jahre später veröffentlicht, weil die Besatzer fanden, die Russen würden darin zu wenig positiv dargestellt. Kürzlich ist es auf Deutsch erschienen. Der Übersetzer, Markus Roduner, lebt in Vilnius und kommt für den Lesungszyklus in die Schweiz.

Ich weiss, das Thema ist alles andere als mainstreamig. Aber ich habe das Buch gelesen und finde es beeindruckend. Es entzieht sich den üblichen Massstäben der Literaturkritik. Vielmehr ist es ein kraftvolles Dokument dafür, dass manche Menschen auch in der entsetzlichsten Situation einen klaren Geist behalten. Und anklagen können. Und Dinge festhalten können, auf dass sie nicht vergessen gehen. Sruoga schlägt einen ganz anderen Ton an als etwa Imre Kertesz, der bekannteste "KZ-Autor": Betont Kertesz in einer ungeheuer poetischen Sprache die Tragik der Situation, hat Sruoga einen bitteren, zynischen, ab und an auch burlesken Humor, mit dem er den Schindern noch im Nachhinein Widerstand entgegensetzt. Diese schildert er nicht etwa als aus der Ferne wirkende Bürokraten, sondern als verrohte, korrupte Dummköpfe, die selber im Dreck des Lagers versinken. Und das Erschreckende: Täter und Opfer werden sich dort immer ähnlicher.

Also: Unbedingt an die Lesung gehen! (Link im 1. Kommentar).

28
Feb
2008

Mein erstes Stöckchen

Meine geschätzten Leserinnen und Leser! Hier gibt es eine Premiere: Die Frogg fasst ihr erstes Stöckchen (von der geschätzten Frau Katiza). Es geht so:

1. Nimm das nächste Buch in deiner Nähe mit mindestens 123 Seiten.
2. Schlage Seite 123 auf.
3. Suche den fünften Satz auf der Seite.
4. Poste die nächsten drei Sätze.
5. Wirf das Stöckchen an fünf Blogger weiter.

Nun denn:
"Verlassen Sie sich nicht auf eine baldige Entlassung!"
Schon bald wurden alle Gefangenen - auch wir! - in neue Baracken verlegt, die wir selbst gebaut hatten, die alten übernahmen der Krankenbau und die Werkstätten. Auch im neuen Lagertrakt erhielten wir Litauer eine eigene kleine Baracke, niemand verbot uns, mit den anderen Insassen zu sprechen. Allen war klar: Hier würden wir für lange Zeit bleiben - bis zum Ende des Krieges, eventuell bis zum Ende unseres Lebens.

(Aus: Balys Sruoga: "Der Wald der Götter", aus dem Litauischen von Markus Roduner, BaltArt Verlag Langenthal, 2007. Und was es mit diesem ganz und gar sonderbaren Buch auf sich hat, werde ich Euch demnächst erklären).

Ja, und statt hier fünf Mitblogger aufzufordern, lege ich das Stöckchen einfach hin und hoffe, dass jemand es packt!

27
Feb
2008

Muttergefühle

Als ich heute früh meinen Rucksack öffnete, fand ich darin eine (saubere) Babywindel und einen ganzen Packen Feuchttücher. Veronika hatte mir die Sachen gestern mitgegeben, als ich mit Tim auf den Spielplatz ging. Ich hatte sie ihr zurückzugeben vergessen.

Als ich die Sachen in meinem Rucksack sah, fiel plötzlich der Abglanz eines Muttergefühls auf Nichtmutter Frogg. Denn eins habe ich bei der Beobachtung von Müttern festgestellt: Sie tragen immer, ja, immer, irgendwelche potenziell unappetitlichen Sachen und Sächelchen für ihre Sprösslinge durch die Welt. Nuggis und Noscheli, Wasser- und Teeschoppen, Reservewindeln und Feuchttücher, später Müeslistengel oder Bananen für die Zwischenverpflegung, liegengelassene Puppen, Trottis, Handschuhe und Kappen und ein Büechli für allfällige Wartezeiten.

Er fühlt sich schön an, dieser Abglanz von Muttergefühl. Nach Verbundenheit und Unentbehrlichkeit. Dennoch brachte ich die Sachen schnellstmöglich zurück.

25
Feb
2008

Süssstoff

Manche Leute gehen für ihre Gesundheit unglaubliche Kompromisse ein. Zum Beispiel dieser ältere Mann, der neulich im Bahnhofrestaurant resolut folgende Bestellung aufgab: "Bitte ein Kafi Träsch ohne Zucker, dafür aber mit vier Assugrin."

24
Feb
2008

Mysteriöser Steinschlag

Mein Zug nach Basel SBB hatte 35 Minuten Verspätung. Oder noch mehr, und er war gestern Abend der letzte, der mich von Frankfurt am Main zurück in die Schweiz bringen konnte. Ursache seiner Verspätung war ein Steinschlag, hiess es. Naja, dafür hat man Verständnis. Wenn Steine auf den Gleisen liegen, dann muss so ein Zug doch halten, dachte ich. Ich wartete ohne Begleitung. Meinem Kumpel English hatte ich tschüss gesagt.

Im Bahnhof herrschten chaotische Zustände. In der allgemeinen Verwirrung stieg Madame Frogg sogar in einen Intercity nach Ostberlin. Ich bemerkte meinen Fehler im letzten Moment und konnte gerade noch aussteigen. Mit klopfenden Herzen stand ich da und sah die grossen, traurigen Wälder von Ostdeutschland vor mir, sah den Himmel über dem Frankfurter Bahnhof dunkel werden. Ich begann mir Sorgen zu machen. Wo sollte ich übernachten, falls mein Intercity nicht käme? Nicht bei English. English war längst im Kino und hat kein Handy.

Als mein Zug dann doch noch kam, war ich so erleichtert, dass ich der Deutschen Bahn sofort verzieh und beglückt einsteigen wollte. Doch mein Hochgefühl verflog, als ich den Waggon 3 verschlossen vorfand. Im Waggon 3 hatte ich nämlich einen Sitzplatz reserviert, und ich wollte diesen Sitzplatz, weil… nein, es würde zu weit führen, das jetzt zu erklären. Jedenfalls war der Waggon 3 wegen Steinschlags geschlossen, sagte der Schaffner. Ich musste mir im Waggon 2 einen Sitzplatz suchen. Was auch gelang, denn am späteren Samstagabend fährt zum Glück fast niemand ICE.

Als der Schaffner dann meine Fahrkarte kontrollierte, hatte ich einen merkwürdigen Dialog mit ihm.
Ich: „Wo war denn dieser Steinschlag?“
Er: „Im Waggon 3.“
Ich: „Ja, ja, das habe ich mitbekommen. Aber wo in Deutschland, meine ich,“
Er: „Ach so. Der Steinschlag war in Fulda!“
Ich: „Und was ist denn mit dem Waggon 3? Ich meine: Ich habe dort einen reservierten Platz…“
Er (grinsend): „Ja, da bleiben Sie mal besser hier!“
Ich: „Ähh…“
(Schaffner eilig ab).

Klar, dass ich beim Aussteigen in Basel einen langen, aufmerksamen Blick in den Waggon 3 warf. Die Frogg verspürte voyeuristische Lust darauf, Kraterlöcher zu sehen, vielleicht eine zersplitterte Scheibe oder einen staubigen Brocken auf Sitz 83. Aber nichts dergleichen. Was ich von Waggon 3 sah, war still, finster und vollkommen intakt.

Zu Hause angekommen, schlug ich Fulda im Atlas nach. Ich sah dort keine steinschlagverdächtigen Berge. Dann googelte ich „Fulda“ und „Steinschlag“. Wieder nichts. Auch technorati.com gab mir keinerlei Suchergebnisse.

Was war da geschehen?
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