19
Sep
2007

Arme Angelina Jolie

Jeder Film, jedenfalls jeder Hollywoodfilm, folgt einem Grundgedanken, einer Art Lehrsatz. Der Lehrsatz von "A Mighty Heart" ist: "Wir lassen uns vom Terrorismus nicht unterkriegen, und sei er noch so schrecklich." Am Schluss fasst die Heldin Mariane Pearl (Angelina Jolie) diesen Gedanken auch in Worte.

Nur: Am Anfang des Films sieht es anders aus. Zunächst sieht man ja, wie Mariane's Mann,der Journalist Daniel Pearl in Karachi noch schnell ein Interview mit einem Terroristen namens Scheich Gilani in den Kasten bringen will, bevor er mit seiner schwangeren Frau zurück in den Westen reist. Ihm ist klar, dass dieses Treffen riskant ist. Dennoch will er den Termin unbedingt wahrnehmen. Und so wird er entführt, wird später umgebracht und hinterlässt eine schwangere Witwe. An dieser Stelle sagte Zuschauerin Frogg Kino peinlich laut: "Der Grundgedanke dieses Films ist doch: 'Wenn ein Mann eine schwangere Frau hat, sollte er nicht leichtfertig für so genannt höhere Ziele Risiken eingehen.'" „Schschsch, nicht doch!“ sagte ich, „das wäre doch ein biederer und höchst verwerflicher Lehrsatz!“

Nur: Der erste Eindruck der Zuschauerin Frogg verstärkt sich zunächst. Weil der Film nicht erklärt, warum sich das Risiko dieses Treffens mit Scheich Gilani lohnt. Warum ist es für Pearl‘s Arbeit so relevant, dass er sein Leben dafür riskiert? Ehrlich gesagt, ich weiss es jetzt noch nicht, und ich halte das für eine grosse Schwäche des Films.

Nun wäre die Frogg wäre die Letzte, die den Wert von engagiertem Journalismus anzweifeln würde. Sie ist aber nicht die letzte, die die Frage stellen würde, welchem Ziel eine bestimmte journalistische Arbeit dient. Schliesslich hat sie in in ihrem Berufsleben zwei Dinge gelernt: Zeitungen müssen finanziell überleben. Und: Sie dienen zuallererst den Bedürfnissen ihrer Leser (wie immer diese gelagert sein mögen).

Aber an jenem Abend im Kino wollte ich einfach glauben, dass der Journalismus von Daniel Pearl nichts anderem diente als der Wahrheit und nochmals der Wahrheit und dann noch der Völkerverständigung. Wenn ich mich da ein bisschen anstrenge und der Zuschauerin Frogg den Mund zuhalte, dann gefällt mir der Film und ich kann ihm drei oder vielleicht sogar dreieinhalb Sterne geben.

Dennoch bleibt meine Liebslingsszene in dem Film eine, die der Zuschauerin Frogg irgendie Recht gibt. Eine Szene ganz am Schluss – eine Rückblende auf das Hochzeitsfest von Marian und Daniel.



Während der Zeremonie muss Daniel ein in ein Handtuch gewickeltes Glas zum Scherben treten, "ein Zeichen der Reinheit und der Zerbrechlichkeit menschlichen Glücks". Daniel tritt ohne zu zögern auf das Glas, kraftvoll und mit lächelnder Nonchalance. Er ist eben doch ein leichtsinniger Kerl.

14
Sep
2007

Für Krimileser

Ich gehöre nicht zu jenen, die schon beim Lesen der ersten Sätze eines Romans entscheiden, ob sie ihn mögen werden oder nicht. Ich brauche brauche meistens ein paar Seiten, muss mich beim Lesen anwärmen in einem Buch wie beim Baden in einem See. Das gilt auch bei der Krimilektüre, in die man ja theoretisch reinknallen müsste als käme man vom Dreimeterspringbrett. Nur: Mir kann man in den ersten Sätzen lange mit hässlichen Leichen kommen. Meistens glaube ich die dem Autor erst so ab Seite 16.

Einen richtigen Schocker-Einstieg habe ich aber kürzlich erlebt. Bei diesem Lesestart: "Die Kleine krabbelte vergnügt auf dem Boden herum. Als er ihr endlich das Teil, an dem sie zufrieden herumkaute, aus der Hand nehmen konnte, erkannte er gleich, dass es sich um einen menschlichen Knochen handelte." A us Arnaldur Indridason: "Todeshauch", Bastei, 2005. Führt vom Herzig-Alltäglichen fadengerade ins abgrundtiefe Grauen. Und das Beste ist: Da bleibt er auch. Fast durchwegs überzeugende 364 Seiten lang.

>

11
Sep
2007

Ich liebe Lastwagen

Wer noch nie Gehörprobleme gehabt hat, kann das vielleicht nicht verstehen. Aber ich liebe die Geräusche von Lastwagen.
Ich liebe besonders das feuchte Räuspern alter Saurer-Elefanten, wenn Sie von der Ampel wegziehen.
Ich liebe auch die vielstimmige Musik von Kühlschränken.
Das Summen unserer Abwaschmaschine.
Das Wispern unserer Klospülung.
Das Murmeln der Gewässer in unserer Heizung.
Das ernste Surren vorbeiziehender Kleinflugzeuge.

Ich würde alles tun, um all das weiter zu hören.
Es geht wieder. Das Cortison hat gewirkt.

5
Sep
2007

Hörsturz

Ich wache auf. Mein Kopf donnert. Die Heizung (sie läuft, es ist ja kalt) klingt nicht wie eine Heizung, sondern wie ein fernes Ambulanzfahrzeug. In der Küche höre ich nur noch das Gummientenquietschen unseres Kühlschranks, nicht aber sein Chefbeamtenbrummen - dieses Brummen, das mir sonst immer ein Gefühl von Aufgehobensein in einer geordneten Welt gibt. Überhaupt: Nichts klingt, wie es sollte.

Ich gehe zum Ohrenarzt. "Ja", sagt er, "Ihre Einschätzung ist richtig. Ihr Hörverlust im Tieftonbereich auf beiden Ohren ist krankhaft."

"Was ist es?" frage ich.

"Ich weiss es nicht", sagt der Arzt.

Ich bekomme Cortison.

Schon wieder.

Fuck!

31
Aug
2007

42

"Mit dem Alter werden die meisten eine Parodie ihrer selbst, damit muss man leben. Und wer nicht als Parodie seiner selbst enden will, muss sterben. Möglichst früh... so mit vierzig wird es langsam Zeit", Taki Theodoracopulos, 71, im TagiMagi33/2007, S. 62

"You're over forty and you still haven't won friends or influenced people? You're still the poor dad not the rich dad? Well, I hate to break it to you, but it ain't gonna happen." (Ms Brewster in Marisha Pessl: "Special Topics in Calamity Physics", Penguin 2007, p.540)



Und zum Schluss noch einen von Hunter S. Thompson's "Hells Angels":



"Most Angels... know that very few of the toads in this world are Charming Princes in disguise. The others are simply toads. And no matter how many magic maidens they kiss or rape, they are going to stay that way." (Penguin Classics 2003, p.267).

Na prima.
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