17
Dez
2004

Asterix-Wetter

Wir haben hier Wetter wie in «Asterix bei den Briten». Der Nebel hat sich aufgelöst. Bald wird es regnen (oder gar schneien). Aber so einen richtigen Wintersturm in der Höhe, das kriegt Asterix nur in Helvetien!

15
Dez
2004

Angst vor Virginia Woolf?

Als Orlando ein reicher, junger Edelmann war, lud er einmal einen Dichter zu sich ein. Der Poet beschwatzte Orlando so lange, bis dieser ihm eine Pension von 300 Pfund pro Jahr versprach (viel Geld war das damals). Wieder zu Hause angekommen, schrieb der Dichter unverzüglich eine beissende Satire über seinen Besuch bei einem reichen, jungen Landadligen, unschwer als Orlando zu erkennen. Der Edelmann war zutiefst gekränkt.

«Nevertheless, he paid the pension quarterly», schreibt Virginia Woolf.

Woraus sich schliessen lässt, dass Peter Bieri kein Englischer Gentleman ist.

12
Dez
2004

Staubsager-Beutel und so weiter

Zunächst sah die Geschichte ganz einfach aus. Eine Geschichte über Staubsauger-Beutel. Das Szenario schwebte mir schon vor, als ich heute früh in die Stadt aufbrach: Ich werde neue Staubsauger-Beutel zu kaufen versuchen. Mein einst beträchtlicher Vorrat ist fast aufgebraucht. Aber mein Staubsauger ist mindestens 15 Jahre alt, und das Modell wird längst nicht mehr hergestellt. Ergo werden auch die richtigen Staubsauger-Beutel nicht mehr fabriziert. Ich werde also also einen neuen Staubsauger kaufen müssen, sonst kann ich bald nicht mehr staubsaugen.

Eine Story über Konsumzwänge. Über die immer unsinnigere Materialschlacht, an der wir alle teilnehmen müssen. Etwas altmodisch. Vorhersehbar. Ich hätte sie gar nicht aufgeschrieben, wenn sie tatsächlich so passiert wäre. Aber es kam dann anders:

Ich gehe also in die Stadt und betrete den Fröscher Globus. Aus diesem Warenhaus stammt der mein Staubsauger. Denn das Gerät habe ich damals von Mutter Frogg geschenkt bekommen. Und lange Zeit war Globus das Warenhaus von Mutter und Vater Frogg's Wahl. Damals konnten sich die Froggs einkaufen im Globus auch noch leisten. Denn damals war der Globus zu Frösch noch ein Jelmoli und die Preise des Hauses für Mittelstandsfamilien erschwinglich.

Globus aber baut das Haus alle paare Jahre um. Mit Beträgen, für die die Stadt Frösch ein mittelgrosses Schulhaus sanieren könnte (was die SVP dann immer noch zu teuer finden würde). Die Preise für das gediegene Interieur schlagen aber auf die Preise der Ware im Globus. Klar. Was zur Folge hat, dass selbst Mutter Frogg dort allenfalls noch Parfüms kauft. Tochter Frogg aber ganz sicher nur noch Staubsaugerbeutel. Und, äh, eine Packung Seitenbacher-Müesli, Fr. 6.95, naja, wenn ich eh schon dort bin...

Item. Die Abteilung Haushalt, heisst es, sei im 4. Stock. Ich also die Rolltreppen hoch. Der 4. Stock aber ist eine Boutique und schimmert in Orange und Gelb. «Hier gibt es garantiert keine Staubsaugerbeutel», wispert Philemon. «Hier gibt's nur noch Luxusartikel wie Kerzen, Servietten und Badesalze ab 25 Franken, glaub mir. Die Globus-Kundin ist schliesslich betriebswirtschaftlich durchorganisiert. Sie schreibt ihren Staubsauger in fünf Jahren ab und kauft dann im Designerladen das neueste Modell.»

Die Verkäuferin im 4. Stock aber lächelt und sagt: «Versuchen sie es doch im 3. Stock. Einfach die Rolltreppe runter und geradeaus. Dort gibt es Staubsauger-Beutel.»

Und die Verkäuferin im 3. Stock lächelt und sagt: «Ach den Propair hier, ja, den haben wir, glaube ich. Einen Moment bitte.»

Da wartet die Frogg und spult sofort ein neues Szenario herunter: «Die sind hier bestimmt wie damals Bally war! Die Schweizer Luxus-Schuhfirma. Die fast Konkurs ging und dann an irgendwelche Texaner verkauft wurde. Die Nation trauerte, weisst Du noch? Dann stellte sich heraus, dass Bally ein Lager gehabt hatte mit Hunderten von fertigen Schuhmodellen in hunderten von verschiedenen Grössen. Damit jeder Luxusfuss sein Luxusmodell in kürzester Zeit haben konnte. Exorbitante Lagerkosten. Darum waren die Schuhe so teuer. Vielleicht ist Globus auch so. Vielleicht horten die 27 Sorten Staubsaugerbeutel irgendwo an einer Autobahn, in einer riesigen Wellblechhütte. Und wenn eine Sorte ausgeht, wird sie von Hand neu gemacht, weil es die richtigen Maschinen nicht mehr gibt. Eines Tages wird....»

«Philemon!» sage ich streng, denn jetzt kommt die Verkäuferin mit Staubsauger-Beuteln. Es sind die Richtigen! Die Verkäuferin sagt: «Ja, wir haben sie noch. Aber ich weiss nicht, wie lange noch.»

Was macht da die gute Philemon? Kauft sie einen Staubsauger-Beutel-Vorrat, der bis ins Jahr 2025 reichen wird? Natürlich nicht. Daran denkt sie nicht im Traum. Und träumen tut sie schon, als sie zahlt und geht. Sie geht Frage nach, wo überhaupt all diese Geschichten in ihrem Kopf herkommen. Diese Szenarien. Der Frage, welche Geschichten zu erzählen sich überhaupt lohnt. Und wenn ja, warum.

Weil mich die Frage immer noch beschäftigt, habe ich diese Geschichte überhaupt geschrieben. Obwohl ich heute gar nicht schreiben wollte. Aber ich kanns nun mal nicht lassen.

8
Dez
2004

Immer diese Knigge-Probleme

Er leitet dieses mächtige Viersternhotel an der Fröscher Touristen-Riviera. Neulich traf ich ihn für ein kurzes Interview. In der Bar seines Hotels. Zum ersten Mal traf ich ihn. Ein Turm von einem Mann mit diesem merkwürdigen Lächeln von weit oben. Kalt oder diskret?

Wir redeten.

Eine Serviererin schwebte mit zwei Espressi herein.

Dann entdeckte die Frogg das Objekt auf ihrer Untertasse. Kein Schöggeli wie in normalen Restaurants. Nein, ein ausgewachsener Kuchenbissen.

«Was tun damit?» zischelte sie. Der Hotelier redete und nippte Kaffee.

«Essen», entschied ich. «Man soll Geschenke nicht ausschlagen.» Ich beisse in das Kuchenstückchen und stelle nach dem Kauen kritische Fragen. Umständlich, muss ich sagen. Er lächelt.

Als wir gehen, sagt die Frogg. «Glaub mir, es war falsch, den Kuchen zu essen. Ich habe es an seinem Lächeln gesehen.» Er hat seins liegen lassen. Die Moral, sagt die Frogg: «In Viersternhotels sind Süssigkeiten zum Kaffee nicht zum Essen da. Sie sind reine Dekoration!»

«Unsinn», sagte ich, «Er lächelte kalt, weil er nicht mochte, was ich neulich in der Zeitung geschrieben habe!» Aber sicher bin ich mir nicht.

Hirschhorn-Protest

Bitte, kann mir hier jemand sagen, wo ich demonstrieren kann? Ganz schnell??!! Ich will dringend und unbedingt protestieren – gegen den Pro Helvetia-Entscheid des Ständerates.

Ich bin zwar seit Jahren aus dem Demo-Alter raus. Ich meine, mit den Jahren wird einem das Rumstehen auf dem Bundesplatz in Bern zu blöd, vor allem im Winter. Die Jungen sollen das machen. Aber beim Hirschhorn-Entscheid, da mache ich eine Ausnahme!

Den hält man ja im Kopf nicht aus!

Erstens, weil die Partei des besagten Bundesrates Blocher seit mehr als zehn Jahren das politische Klima in diesem Land vergiftet. Auch mit Mitteln der darstellenden... äh... Kunst (?). Der letzte Schrei: Ein Plakat, auf dem braune Hände nach dem Schweizer Pass greifen, zur kürzlich erfolgten Abstimmung über das Einbürgerungsgesetz. Ich werde es Euch hier nicht zeigen, denn sowas hat auf meiner Seite keinen Platz. Aber ja, klar, so bald ein Künstler kommt und dieses Politikerpack mit ähnlichen Mitteln kritisiert, werden die Schweizer Künstler sofort kollektiv abgestraft.

Zweitens, weil sich die Frogg jetzt wieder zehn Jahre lang die Klagen der Kulturschaffenden wird anhören müssen. Versteht mich bitte richtig: Ich habe nichts gegen Kulturschaffende. Einige meiner besten Freunde sind Kulturschaffende. Umso mehr weiss ich, wovon ich rede. Deshalb sage ich es Euch: Kulturschaffende in der Schweiz reden fast immer über Geld. Beziehungsweise darüber, dass sie nicht genug davon haben. Und wenn sie nicht über ihre Geldsorgen reden, dann reden sie über ihre Sorgen mit den Schweizer Medien. Dass sie von denen ignoriert werden. Dass Geldgeber und Medien dumm sind, weil sie das hehre Schaffen, ihr hehres Schaffen nicht wahrnehmen und nicht angemessen fördern.

Ich fürchte, wenn jetzt auch noch diese Million für Pro Helvetia wegfällt, dann wird es gar keine Diskussion mit Kulturschaffenden mehr geben, die sich nicht um Geld dreht.

Da gehe ich lieber gleich demonstrieren!!!

7
Dez
2004

Krieg und Schwangerschaft

«Weisst Du, ein bisschen feige bist Du ja schon», sagte die Frogg. Das war gestern abend. Ich lag neben dem Tiger im Bett. Er studierte Akten aus einer Sitzung, ich blätterte in einem Kunstband. Philemon Frogg sass hinter mir auf dem Kissen und blickte auf die Seiten. Eben hatte ich das Bild «Bombarding Lens» von Otto Dix aufgeschlagen.



«Wieso bin ich feige?» frage ich.

Sie zeigt auf die Frau am unteren Bildrand. Auf die Frau mit den zwei Kindern. «Weil Du nie schwanger geworden bist. Weil es Dir immer zu riskant war. Weil Du nie den Mut gehabt hast, Verantwortung für ein Kind zu übernehmen.»

«Philemon, wir haben Gründe!» rufe ich ihr in Erinnerung

«Lächerliche Gründe im Vergleich zu dem hier», sagt die Frogg

Ich sage: «Was weisst Du über die Frauen damals, im Ersten Weltkrieg?! Früher heiratete man und die Kinder kamen einfach. Keine Pille. Kein wenn und aber. Und die Männer waren, was sie waren. Man hatte keine Wahl!»

«Aber wenn dieser Mutter hier der Kleine an ihrer Hand umgekommen wäre, dann hätte sie sich doch auch schuldig gefühlt!» sagt die Frogg. «Und wenn sie die Kinder gerettet hätte, dann hätte sie noch bis in die fünfziger Jahre stolz davon erzählt und wäre als starke Grossmutter gestorben!»

«Wahrscheinlich», sage ich. Und dann: «Hör mal, Philemon! Wenn Du nicht so ein Spatzenhirn wärst, dann könntest Du über relevantere Dinge reden, wenn Du ein Bild anschaust. Zum Beispiel über die Frage, ob das Bild von Otto Dix jetzt zur neuen Sachlichkeit gehört. Oder über Motivgeschichte. Dann wüsstest Du, ob es das Motiv der flüchtenden Mutter mit Kindern in der Kunstgeschichte schon lange gibt und in welchem Kontext.»

«Jedes wirkungsvolle Motiv in der Kunstgeschichte hat einen starken Ursprung in der Realität!» flötet Philemon, hebt vom Bettrand ab und dreht eine Runde unter dem Dachfenster. Sie hat Flügel wie die Biene Maja früher am Fernsehen.

Da musste ich lachen. «Philemon Frogg, die geflügelte Kunsthistorikerin!!!»

Der Tiger hat von allem nichts mitbekommen.
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