26
Nov
2004

Globales Gedrängel

«...die Chinesen!» seufzt der Verkäufer im swisscom-Laden zur Frogg. Er meint, die Kundin Frogg beschwichtigen zu müssen, weil sie so lange nicht drangekommen ist. Ein asiatisches Quintett sorgte für Action, forderte jedes, aber auch jedes Extra ein, und zwar sofort. «Die Chinesen», seufzt der Verkäufer, «Immer drängeln! Das habe ich in einem Kurs gelernt. In China muss man immer drängeln, sonst ist man verloren. Kommt man nie dran.»

Alle jubeln ja darüber, dass die Chinesen jetzt fast ungehindert in die Schweiz reisen dürfen. Alle, die öffentlich was sagen dürfen, jedenfalls: Touristimusdirektoren, Politiker, Journalisten. Die Kohle aus dem fernen Osten wird der helvetischen Tourismusbranche wieder so richtig warm einheizen und unser Volkswirtschafts-Motörli zum Laufen bringen, jubilieren sie.

Die Basis jubelt nicht. Die Basis seufzt und lästert. Oder grinst genüsslich beim Erzählen. Eine Verkäuferin in einer Touristen-Bijouterie zum Beispiel: «Die furzen doch so ungeniert. Du glaubst nicht, wie das riecht! Und rülpsen!»

Die seien, sagte sie, fast noch schlimmer als die Inder. «Die Inder sind schrecklich. Die stehen Dir vor der Ware, schauen alles ewig und gründlich an, machen Preisvergleiche. Bis sie sich beeilen müssen, damit der Bus nicht abfährt. Dann fangen sie an, einen rumzuscheuchen wie ein Huhn! Schusch! Schusch!» macht sie und dazu die typische Handbewegung

Abends sage ich zum Herrn Tiger: «Sag mal, wann reisen wir nach China? Ich glaube, die globale Entwicklung erfordert, dass wir drängeln lernen!»

22
Nov
2004

Fröscher Partyleben

Der Tiger kommt immer zu spät zu Parties. Es nützt gar nichts, wenn man zu ihm sagt: «Hey, Tiger! In einer halben Stunde müssen wir los!» In einer halben Stunde ist der Tiger dann bestimmt erst gerade dabei, sich mit Rasierschaum einzucremen. Die Frogg steht in solchen Momenten jeweils im Mantel und in den Strümpfen bei der Tür und nervt laut rum.

Genau so war es auch, als die beiden am letzten Wochenende zur Verleihung des Fröscher Kulturpreises gingen.

Ich schreibe ja sonst nie über Parties. Parties sind zwar ein populäres Thema, aber sie liefern meistens schlechtes Material. All das nette Geplauder mit Leuten, die niemanden interessieren! Was soll man darüber schreiben?! Aber die hier machte doch ein bisschen was her. Also schreibe auch ich mal über eine Party.

Das Fest fand im Theater zur Singenden Ameise statt. Auf dem Weg dorthin wetterte die Frogg zum Tiger: «Wirst sehen, wir werden zu spät kommen! Sie werden die Tür abschliessen! Wir werden uns draussen die Füsse abfrieren müssen!»

Sie ist noch mitten am Keifen, da kommen die beiden auch schon bei der Singenden Ameise an. Draussen vor der Tür steht der Fröscher Stadtpräsident, weiss der Kuckuck, was er da draussen bei der Kälte macht. Der Stadtpräsident sieht aus wie ein Realität gewordener Kleingewerbler-Traum von einem Politiker. Freundlich, überall rund und nicht allzu weltmännisch.



Vielleicht gerade deswegen wählen wir ihn immer wieder. Er halt doch der Beste, den wir haben.

Neben ihm steht seine linke und rechte Hand, die tobende Kulturbeauftragte Heidi Wehrli Schlatter. In letzter Zeit tobt sie seltener, aber dafür streckt sie jetzt den Arm aus. «Himmel, muss ich jetzt Hände schütteln!?» denkt die Frogg nervös. Sie hat doch gar keine Hand frei. In der einen hat sie die Handtasche, am anderen Arm den Tiger. Aber die Schlatter macht nur die Tür auf, damit auch die letzten Zuspätgekommmenen noch hinein kommen. Als hätten sie extra auf den Tiger gewartet.

Weil Tiger & Frogg zu spät gekommen sind, müssen sie nun in der hintersten Reihe sitzen. Von der Bühne sehen sie von dort fast nichts, wegen der Scheinwerfer. Dafür umso besser das Foyer, wo die Preisträger und die Politiker sitzen und auf ihren Auftritt warten.

Im Foyer sitzt auch Nitroglyzerin, kurz Nitro, ein alter Kumpel der Frogg. Er erhält den Kulturpreis regelmässig so alle vier Jahre, dieses Jahr zum dritten Mal. Wem sollte man ihn auch sonst geben?

Neben Nitro sitzt Mäxchen, Philemons Ex. «Auch das noch!» will Philemon gerade seufzen. Das heisst... sie hätte Mäxchen fast nicht erkannt, weil er drei Jahre in Schottland gewesen ist. Dort ist aus der kahlen Stelle an seinem Hinterkopf eine richtige Glatze geworden, und er hat auch etwas Speck angesetzt. So viel Speck und Glatze, dass die gute Laune der Frogg sofort saniert ist.

Neben Mäxchen sitzt Herr Schwerzmann, der Gemeindepräsident von Moderig. Mäxchen wirft mal eine Bemerkung hinüber zum Gemeindepräsidenten. Dann telefoniert er wichtig mit dem Handy. Die Frogg lehnt hinüber zum Tiger. «Hast Du das gesehen?» sagt sie. «Das Mäxchen sitzt neben dem Gemeindepräsidenten von Moderig. Das wird Mäxchen gefallen. Er sitzt doch so gerne neben wichtigen Leuten!»

Neben der Frogg sitzt derweil Beat, ein Ex-Chefchen von damals, vom Fröscher Morgen. Er ist noch später gekommen als Tiger und Frogg. Und er hat seine beiden Goofen* dabei. Die lärmen, und das stört den Tiger. Die Laudationes haben doch begonnen! Der Tiger macht ständig «shhht!», und die Frogg sollte auch «sshhht!» machen, aber sie traut sich nicht, weil Beat doch ihr Ex-Chefchen ist. Und weil die Goofen süss sind, auch wenn sie Lärm machen.

Überhaupt haben ganz viele Gäste ihre Kinder mitgenommen. Das alles wäre ein richtiges Familienfest, wenn nicht so viele schwarze Anzüge herumsitzen würden.

Die Ehrung ist schon in vollem Gang, da erscheint auch noch Albin, der Heiland der Hausbesetzer und rasende Reporter des Fröscher Tagblatts. Er war in der Musikjury, stellt sich heraus. Die Frogg fragt den Tiger: «Was meinst Du, wird er jetzt auch noch den Bericht fürs Fröscher Tagblatt schreiben?»

Nach der Ehrung geht's zum Apero. Dort gibt's Cüpli** und Litschibowle und Häppchen.

Jemand ärgert sich über die schwache Laudatio für die Komponisten. Albin schreibt wirklich den Bericht im Fröscher Tagblatt, es darf nicht....

Da kommt Mäxchen mit dem Cüpli in der Hand. Gott sei Dank. Einer, der etwas Neues zu erzählen weiss! Einer, der im Ausland gewesen ist! Weg von Frösch! Und er erzählt. Er erzählt vom Nebel, der in Aberdeen blitzschnell über die Strassen huscht. Von den riesigen Schiffen im Hafen. Von seinem Häuschen und dass man in Schottischen Häusern ein Cheminéebraucht. Weil die Heizkörper immer auf der falschen Seite angebracht sind. Dass die Leute dort ungeheuer tatkräftig sind, aber nicht besonders gut organisiert. Ganz anders als bei uns. Jesses, wie der erzählt! Die Frogg hat schon ganz vergessen, dass sie eigentlich gar nicht mit ihm reden wollte.

Derweil ist der Tiger plötzlich aussergewöhnlich nett. Ein richtiger Gentleman, was er ja sonst nie ist. Bringt der Frogg die Litschi-Bowle, nach der sie gar noch nicht gefrag hatte, owbohl sie welche probieren wollte. Und Satay-Spiesschen.

Als Schottland sich als Thema zu erschöpfen beginnt, gehen die Frogg und der Tiger nach Hause.

«Habe ich zulange mit dem Mäxchen gequatscht?» fragt sie den Tiger. Sie hofft auf ein bisschen Eifersucht. Aber der Tiger ist nie eifersüchtig.

An der Bushaltestelle treffen sie Katja. Katja hat einen Neuen. Einen, den die Frogg noch nicht kennt. Der aber aussieht, als könnte er dazugehören. Er hat so ein Fröscher Freakgesicht. Das ist beruhigend. Nach all diesen Pendelbeziehungen von Katja. Mit Deutschen und so.

«Wie alt ist eigentlich Katja?» fragt die Frogg später den Tiger im Bus. «Och, die ist vielleicht so ein, zwei Jahre älter als Du», sagt der Tiger. Das findet die Frogg beruhigend. Dass man eventuell auch in ihrem Alter noch einen finden könnte, der so aussieht, als gehöre er dazu.

Wobei... eigentlich ist sie ja mit dem Tiger ganz zufrieden im Moment. Und sie findet, dass sie eben doch zu viel mit dem Mäxchen gequatscht hat. Soll ja keiner denken, dass sie ihn noch mag!

*Schweizerdeutsch für «nervende Kinder»
** 1 Cüpli = 1 Glas Sekt

17
Nov
2004

Bittebitte gebt diesem armen Knochengerüst...

... den Speck der Poesie. Heute früh ertappte ich mein Alter Ego, die Frogg, dabei, wie sie das Bild von Condoleezza Rice anschaute, als wäre die eine alte Bekannte. «Das kanns ja wohl nicht sein!» sage ich streng.

«Ich weiss!» ruft Philemon. «Aber die Arbeit ist Schuld.» Im Büro schieben wir gerade wieder Neun- und Zehnstundentage in Serie. Das Frogg'sche Tagwerk:

7.30 Uhr: Tiger küssen, aufstehen, frühstücken, Zeitung lesen
8.45: Computer im Büro einschalten
12.05: Mittagessen
13.00: weiter arbeiten
Zwischen 19.30 und 20.30: Computer im Büro ausschalten, nach Hause gehen, ins Sofa sinken, Süppchen essen, fernsehen
23.30 Uhr: Tiger küssen, schlafen gehen

An freien Tagen (heute) machen wir nebenbei ein paar Stunden lang die Dinge fürs Büro, die richtig Spass machen.

Ja, ja, der Job ist ok. Die neuen Kollegen haben mit den kleinen Unberechenbarkeiten der Frogg rechnen gelernt. Ich meinerseits habe die neuen Kollegen manipulieren gelernt – falls nötig. Jetzt sind die Arbeitstage im Schnitt eine Stunde kürzer als vor einem Jahr. Die guten Momente sind, weiss Gott, häufiger geworden. Und ich weiss: Es gibt Tausende von Jobs, bei deren es gar nichts gibt, was wirklich Spass macht.

Aber die Frogg jammert weiter. Ihr fehlt der Speck der Poesie. Vor lauter Hunger ist ihr Gedankenleib zu einem dürren Knochenhaufen abgemagert: Einst hat sie darauf verzichtet, Bibliothekarin zu werden. Weil sie nicht in einer Welt leben wollte, die auf einer Karteikarte Platz hat. Jetzt endet ihr Horizont bei der weissen Linie eines Parkplatzes (gebührenpflichtig – das angesagte Fröscher Lokalthema). Sie lebt in einer Welt der Bildschirme und der Papierhaufen. Vom Anblick des Fröscher Stadtlogos kriegt sie Kopfschmerzen, und ja, eben, Condoleezza Rice...

Neulich, ja neulich war es anders. Da fuhr sie nachts allein über Land, das Autoradio lief, ein Song namens «Electric Snowdrops», überirdisch, kühl und licht und das zarte, hohe Klingeln der Töne fütterte auch das linke Ohr der Frogg. Momente wie auf einer winterlichen Mondreise.

Aber das ist schon wieder eine Weile her.

Nun ja. Ich habe frei. Jetzt setze ich diesen Eintrag online. Dann suche ich hier noch ein bisschen Futter für die Frogg! Vielleicht werde ich ja fündig.

12
Nov
2004

Yassir Arafat und das Unwort des Jahres 2004

P. S: Fast hätte ich neulich unbedacht geschrieben: Yassir Arafat ist die Ikone des Nahost-Konflikts. Auf Wikipedia fand ich sogar eine annähernd brauchbare Definition des Begriffs Ikone. Ein Blick auf Google belehrte mich aber auch darüber, dass Adolf Hitler die Pop-Ikone gewisser Kreise sei; dass Udo Jürgens eine Ikone der Unterhaltungsmusik ist und Helmut Kohl eine Werbe-Ikone für Frankreichs Gay-Channel.

Mittlerweile scheint mir der Begriff «Ikone» in so inflationärem medialem Gebrauch, dass ich geneigt bin, ihn zum Frogg'schen Unwort des Jahres 2004 zu erklären.

Weitere Frogg'sche Unwörter gefällig?
Das Frogg'sche Unwort 2003: Kompetenzzentrum
Das Frogg'sche Unwort des Jahres 2002: sparen
Das Frogg'sche Unwort des Jahres 2001: sparen
Das Frogg'sche Unwort des Jahres 2000: sparen
Das Frogg'sche Unwort 1999: nachhaltig
Das Frogg'sche Unwort 1997: niederschwellig

Ihr seht schon: Die öffentlichen Diskussionen der letzten paar Jahre scheinen mir etwas eintönig. Höchste Zeit wenigstes für ein neues Unwort.

4
Nov
2004

Dieser Mann bedeutet Ärger seit ich mich erinnern kann

Yassir Arafat ist tot – naja, fast jedenfalls. Also, ich habe ja gar nie angefangen, mich für die Details des Krieges im Nahen Osten zu interessieren. Trotzdem: Der Name steht in Verbindung mit diesem Krieg, seit ich mich erinnern kann. Und das ist ganz schön lange. Wird sich jetzt etwas ändern? Wird es jetzt ein Aufatmen geben wenigstens für einen Ort auf der Welt?

«Nichts wird sich ändern», soll Stefan Wuhr-Roselli gesagt haben, der Nahost-Spezialist des Fröscher Tagblatts. Das erzählte man sich heute abend vor dem Nachhausegehen in den Gängen. Wuhr-Roselli wird schreiben: «Die Israelis sind an allem Schuld.» Oder so ähnlich

Schade, dass sich nichts ändern wird.
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