1
Aug
2016

Düster, düster

Die Weltlage ist ungemütlich, auch in unserem kleinen Europa. Seit der Brexit-Abstimmung ist der Zerfall der Europäischen Union in den Bereich des Möglichen gerückt. Der Klimawandel schickt schon mal seine Regenfluten voraus. Und wenn man gewissen Experten glauben will, hat die so genannte Flüchtlingskrise eben erst begonnen.

Früher, denken, früher war alles besser. Wir hatten Gewissheiten: Die EU wird weiter wachsen. Wir werden immer einen Job haben (wenn wir uns nicht zu blöd anstellen), und für unsere Kinder wird alles gut. Und das mit dem Klimawandel: Naja, das sagt man uns seit dreissig Jahren. Aber wir wären ja blöd gewesen, wenn wir deswegen auf's Fliegen verzichtet hätten. Alle anderen haben das schliesslich auch nicht getan.

Ja, eben. Dieses Horrorszenario kennen wir seit zwanzig Jahren. Überhaupt gab es eigentlich immer jede Menge Schrecknisse am Horizont. Wer sich nicht daran erinnert, verklärt die Vergangenheit. Meine Mutter hat einmal gesagt: "Als du zwei Jahre alt warst, hatten wir den Sechstagekrieg. Wir hatten schon Angst, dass daraus ein Weltkrieg wird. Und du warst doch noch so klein." Meine Mutter war nicht mit der Gewissheit geboren, dass es nie wieder Krieg geben wird. Sie hat Jahrgang 1942. Aber wer erinnert sich hier in der Gegend heute noch an den Sechstagekrieg?

Bis zu meinem 24. Lebensjahr war sowieso Kalter Krieg mit allem, dazugehörte: Atombomben, Stellvertreterkriege in Vietnam und Afghanistan, dem bösen Kommunismus. Wer damals in die Kristallkugel blickte, sah nichts als Tod, Zerstörung und Knechtschaft.

Als ich 16 war, kam die Horrorvision vom Waldsterben. Ich erinnere mich noch gut, wie ich als junges Mädchen in unserer Gegend durch den Wald fuhr und die Abgas-Schäden zu sehen versuchte.

Als junge Menschen liebten wir es, nach ein paar Gläschen Wein richtige Horrorszenarien auszumalen. Eines Abends im Jahre 1991 sassen wir in einem Industrievorort meiner Stadt. Wir begannen aufzuzählen, welche Fabriken verkauft worden waren, welche Leute entlassen hatten und welche demnächst schliessen würden. Es drohte Massenarbeitslosigkeit. Wie sollte das herauskommen? Was würde aus all diesen Leuten werden?

Aber die entlassenen Büezer fanden irgendwo wieder Arbeit. Gegen das Waldsterben erfand man den Katalysator. Und der Kommunismus brach eines Tages einfach in sich zusammen.

Ich will nicht sagen, dass wir diesmal auch so glimpflich davonkommen. Ich sage nur: Früher gab es auch Horrorszenarien. Nicht alle sind Realität geworden.

Mein Beitrag zum siebten Wort von Dominik Leitners famosem Projekt *txt. Das Wort heisst "verklären".
logo

Journal einer Kussbereiten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Impressum

LeserInnen seit dem 28. Mai 2007

Technorati-Claim

Archiv

August 2016
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
25
26
27
28
29
30
31
 
 
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Kommentar
Liebe Frau frogg, schauen Sie bitte bei WordPress...
Freni - 28. Nov, 20:21
Ein schreckliches Tal
Soglio im Bergell, Oktober 2013. Was habe ich Freunde...
diefrogg - 6. Okt, 20:27
Liebe Rosenherz
Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
Ja, die selektive Wahrnehmung...
auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

Status

Online seit 7148 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 17. Sep, 17:51

Credits


10 Songs
an der tagblattstrasse
auf reisen
bei freunden
das bin ich
hören
im meniere-land
in den kinos
in den kneipen
in den laeden
in frogg hall
kaputter sozialstaat
kulinarische reisen
luzern, luzern
mein kleiner
offene Briefe
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren