24
Apr
2013

Blüten, Buddha und Maria

Wenn wir Schweizer das Wort "Blueschtfährtli" in den Mund nehmen, denken wir dabei an alte Zeiten. Das Wort "Bluescht" bezeichnet laut Duden Blüte oder das Blühen - und es wirkt auf uns schon archaisch, weil es aus Blüten etwas Wucherndes, Unzählbares macht wie die englische Sprache aus "sheep" oder "fish".

Wenn wir "Blueschtfährtli" sagen, dann grinsen wir und denken an einen fiktiven Grossvater. Wir stellen uns vor, wie er an einem Prachtstag im Mai seinen Wagen aus der Garage holt. Wie er Grossmutter hineinpackt und mit ihr - und Hut - durch frühlingserweckte Landschaften gondelt.

Der fiktive Grossvater hätte für sein Blueschtfährtli das Luzerner Seetal gewählt. Es ist zwar berüchtigt für seine Autoraser, aber eine Augenweide und berühmt für seine Kirschen. So wählten auch wir das Seetal für unseren Blueschtspaziergang. Wir ahnten zwar, dass es noch zu früh ist für die Kirschblüte. Auch wir haben einen rekordverdächtig langen Winter gehabt. Aber dass uns in Ballwil dieser Buddha vor einem Laden noch im Winter-Outfit empfing, fanden wir denn doch übertrieben.



Wir liessen uns nicht entmutigen - auch wenn die Obstbäume tatsächlich noch kahl waren, wie man auf dem Bild unten sieht.



Die Anlage im Hintergrund warf uns vom Buddha auf das reiche katholische Erbe des Seetals zurück. Es ist das Heilpädagogische Zentrum Hohenrain, eine ehemalige Johanniterburg.

Früher lebten und lernten hier vor allem Kinder mit Hörbehinderungen. Meine Mutter, die in den sechziger Jahren eine Weile im Seetal arbeitete, hat auch schon von ihnen erzählt. Sie liess dabei eine charakteristische Mischung aus Angst, Neugier und Mitleid erahnen. Genau diese Mischung verdammte die Bewohner solch früher oft düsterer Gemäuer zu einem fast unüberwindlichen Aussenseitertum.

Heute ist die Schule frisch geweisselt, und auf dem Spielplatz toben fröhliche Kinder, behindert und nichtbehindert. Im Johannitercafé bei der Kirche werden Wanderer freundlich empfangen. An den Nebentischen diskutieren vom Spardruck im Kantons erhitzte Lehrpersonen über Klassengrössen.

Frisch gestärkt stiegen wir den Hang nach Ibenmoos hinauf. Es blühte. Wir sahen Löwenzahn, Ehrenpreis, Taubnesseln, Scharbocks- und Wiesenschaumkraut. Und auch wenn der Kulturflaneur auf einem Parkplatz noch ein schütteres Häufchen Schnee fand: Die Muttergottes in der Kapelle Maria zum Schnee brauchte kein Halstuch.



Auf dem Rückweg sahen wir sogar Obstbäume in Frühlingsweiss. Als wären die Blüten extra für uns aufgegangen.

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