10
Okt
2012

Kindheitserinnerung

Ich war damals noch nicht neun Jahre alt. Das weiss ich. Denn es geschah am Hang vor unserer ersten Wohnung. Ein Hang, der in meiner Erinnerung so unglaublich grün und so voller Wasebürsteli* ist.


(Quelle: www.blackstein.de)

Der Hang gehörte zu den Grünflächen zwischen den Wohnblöcken unseres Quartiers. Ganze Kinderscharen durchstreiften sie und spielten in den Hecken verstecken. Doch wehe, wenn wir in die Rosenbüsche trampelten oder einen Mucks zu viel machten! Dann bekamen wir Ärger mit zwei alten Männern.

Der eine war unser Abwart - Gott habe ihn selig. Er hiess Haessig, und das ist wahr. Und er konfiszierte gerne unsere Dreiräder. Der andere hiess Laut und schimpfte viel. Er schimpft heute noch - als Sprachrohr der ultrakonservativen Katholiken in den Leserbriefspalten unserer Lokalzeitung. Er muss so alt wie Methusalem sein.

Meine Eltern hatten irgendwann genug von Laut und Haessig. Als ich neun war, zogen wir weg. Es muss also vorher passiert sein. Aber ich erinnere mich noch sehr genau daran: Ich stand an jenem Hang, allein. Ich blickte hinüber zu einem Grüppchen anderer Kinder. Ich hörte sie spielen. Und plötzlich hatte ich das Gefühl, sie mit dem linken Ohr nicht mehr richtig zu hören. Es war ein düsterer Moment. Die Ahnung eines grossen Unglücks streifte mich.

Ich weiss noch: Ich entschied mich für einen merkwürdigen Hörtest. Ich warf mich uns Gras und legte mein rechtes Ohr auf die Erde. Ich wollte wissen, ob ich meine Gspänli dann mit dem linken Ohr noch hören konnte.

Doch. Ich konnte sie noch hören. Ich war sehr erleichtert.


* Wasebürschteli (Vasenbürsten) haben in der Schweiz ein gutes Dutzend Namen, zum Beispiel Margritli - zu Deutsch heissen sie wohl Massliebchen
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