Standfeste Freundin
Meine akademisch tätigen Freunde reisen zurzeit wie die Verrückten. English war gerade in Hawaii, mein Bruder in Istanbul. Acqua scheint in Liverpool zu sein. Und Veronika hat mir neulich genüsslich von ihren Ausflügen nach Helsinki und Heidelberg erzählt.
Nur ich sitze hier im Städtchen fest - mit einem Job, der meine Ohren schonen soll, wenig versprechenden Perspektiven und schon etwas blassgelb um die Nase. Das kommt vom Neid. Und von den Status-Ängsten. Ich war auch mal Akademikerin. Nicht, dass ich es je wieder sein möchte. Aber Liverpool oder Istanbul... das klingt richtig fies.
Ich brauchte Trost und rief meine Freundin Helga in Deutschland an. Sie ist zwar stolze Trägerin eines Doktortitels der Literaturwissenschaften, aber bei ihr brauche ich keine Status-Ängste zu haben. Ihren Lebensunterhalt verdient sie mittlerweile - gerade so knapp - als Nanny. "Das ist das beste, was ich seit vielen Jahren getan habe", versichert sie mir jedes Mal, wenn ich sie anrufe. Sie scheint ganz gut mit wenig Geld zurecht zu kommen. "Weisst Du, ich habe ja mal richtig gut verdient." Sie arbeitete im Marketing. "Wenn ich eine Prada-Tasche wollte, dann kaufte ich mir eine Prada-Tasche", sagt sie. Jetzt sei ihr das nicht mehr wichtig. Und reisen, nein, das tue sie ja sowieso nicht gerne. Sie sei ganz froh, einen Grund zu haben, nicht mehr zu verreisen.
Und überhaupt: Sie sei mit den Kindern im Wald gewesen. Und da habe sie eine Blindschleiche gesehen - und einen Tintenfisch-Pilz! Grossartig sei das gewesen.
Doch diesmal sah es so aus, aus brauche sie vielleicht selber Trost: Der Vater "ihrer" Kinder hat seinen Job verloren. Klar, dass die Nanny jetzt gehen muss.
Ein bisschen verzagt klang sie schon. "Ich muss mir ja wieder einen Job suchen. Aber weisst Du, es gibt Dinge, die ich einfach nicht mehr tun will. Als ich noch im Marketing war, da stand ich an jeder Sitzung neben mir und dachte: 'Das bin doch gar nicht ich! Mein Gott: Was mache ich denn da?!'" Da wolle sie nicht mehr hin. Da verzichte sie gerne auf Prada-Handtaschen! Da streiche sie lieber den Gartenzaun ihrer Mutter.
Überhaupt: Das Leben sei doch viel zu kompliziert geworden! Sie sagte ein paar Dinge, die ein bisschen ähnlich klangen wie dieser Kommentar von rosawer neulich. Eben habe sie ein Inserat gelesen: "'Engagierte Putzfrau gesucht'! Ich meine: Da sträuben sich bei mir die Nackenhaare, wenn jeder um jeden Preis nach Höherem streben muss. 'Engagierte Putzfrau!' Kann man denn nicht einfach Putzfrau sein und seinen Job machen?! Will ich mit so einer Gesellschaft etwas zu tun haben?!"
Wir diskutierten hin und her. Nach mehr als einer Stunde hatten wir die Sache ausdiskutiert: "Ach, Helga", sagte ich, "ich bin ganz sicher: Du fällst schon wieder auf die Füsse!"
Da sagte sie: "Ich bin ganz sicher, dass ich sowieso auf den Füssen stehe!"
Nur ich sitze hier im Städtchen fest - mit einem Job, der meine Ohren schonen soll, wenig versprechenden Perspektiven und schon etwas blassgelb um die Nase. Das kommt vom Neid. Und von den Status-Ängsten. Ich war auch mal Akademikerin. Nicht, dass ich es je wieder sein möchte. Aber Liverpool oder Istanbul... das klingt richtig fies.
Ich brauchte Trost und rief meine Freundin Helga in Deutschland an. Sie ist zwar stolze Trägerin eines Doktortitels der Literaturwissenschaften, aber bei ihr brauche ich keine Status-Ängste zu haben. Ihren Lebensunterhalt verdient sie mittlerweile - gerade so knapp - als Nanny. "Das ist das beste, was ich seit vielen Jahren getan habe", versichert sie mir jedes Mal, wenn ich sie anrufe. Sie scheint ganz gut mit wenig Geld zurecht zu kommen. "Weisst Du, ich habe ja mal richtig gut verdient." Sie arbeitete im Marketing. "Wenn ich eine Prada-Tasche wollte, dann kaufte ich mir eine Prada-Tasche", sagt sie. Jetzt sei ihr das nicht mehr wichtig. Und reisen, nein, das tue sie ja sowieso nicht gerne. Sie sei ganz froh, einen Grund zu haben, nicht mehr zu verreisen.
Und überhaupt: Sie sei mit den Kindern im Wald gewesen. Und da habe sie eine Blindschleiche gesehen - und einen Tintenfisch-Pilz! Grossartig sei das gewesen.
Doch diesmal sah es so aus, aus brauche sie vielleicht selber Trost: Der Vater "ihrer" Kinder hat seinen Job verloren. Klar, dass die Nanny jetzt gehen muss.
Ein bisschen verzagt klang sie schon. "Ich muss mir ja wieder einen Job suchen. Aber weisst Du, es gibt Dinge, die ich einfach nicht mehr tun will. Als ich noch im Marketing war, da stand ich an jeder Sitzung neben mir und dachte: 'Das bin doch gar nicht ich! Mein Gott: Was mache ich denn da?!'" Da wolle sie nicht mehr hin. Da verzichte sie gerne auf Prada-Handtaschen! Da streiche sie lieber den Gartenzaun ihrer Mutter.
Überhaupt: Das Leben sei doch viel zu kompliziert geworden! Sie sagte ein paar Dinge, die ein bisschen ähnlich klangen wie dieser Kommentar von rosawer neulich. Eben habe sie ein Inserat gelesen: "'Engagierte Putzfrau gesucht'! Ich meine: Da sträuben sich bei mir die Nackenhaare, wenn jeder um jeden Preis nach Höherem streben muss. 'Engagierte Putzfrau!' Kann man denn nicht einfach Putzfrau sein und seinen Job machen?! Will ich mit so einer Gesellschaft etwas zu tun haben?!"
Wir diskutierten hin und her. Nach mehr als einer Stunde hatten wir die Sache ausdiskutiert: "Ach, Helga", sagte ich, "ich bin ganz sicher: Du fällst schon wieder auf die Füsse!"
Da sagte sie: "Ich bin ganz sicher, dass ich sowieso auf den Füssen stehe!"
diefrogg - 16. Sep, 18:58
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