30
Jul
2008

Der beste aller Kellner

An den türkischen Touristenmeilen hat jedes Restaurant einen Kellner, der die vorbeigehenden Gäste zum Hereinkommen einladen muss. Ach was: einladen ist gar nicht das richtige Wort. Er muss sie ansprechen, jeden einzeln, sie bezirzen, sie davon überzeugen, dass sein Restaurant das Beste der vielen am Platz ist. Er muss sie dazu bringen, ihn zu mögen. Und zwar bevor sie einen Blick aufs Menü geworfen und einen Preisvergleich gemacht haben.

Ein knochenharter Job ist das, ein Job für den man Menschen mögen und mit ihnen reden können muss. Und tatsächlich: Einige dieser Männer sind Meister der Überredungskunst, sympathische gewitzte, eloquente Typen, hervorragende Verkäufer.

Gute Arbeit zahlt sich für sie auch aus, oder wenigstens für ihr Lokal. Sieht man an einer Touristenmeile in Kuşadası, Bodrum oder auch an der Istiklal Caddesi in Istanbul ein volles zwischen vielen halb leeren Restaurants, dann weiss man: Hier ist ein hervorragender Türkellner am Werk. Denn ob das Essen in einem Lokal gut ist, kann der Tourist ja zum vorneherein nicht wissen. Ist ihm aber der Mann an der Tür schon sympathisch, so wird er ihm keinen Gefallen abschlagen wollen und deshalb hineingehen.

Bayram war einer von ihnen, vielleicht der beste, den wir auf unserer Reise getroffen haben. Er lockte uns am Abend unserer Ankunft in sein Balık Ekmek-Lokal im Hafen von Kuşadası. Nun ja, bei Balık Ekmek brauchte es für uns nicht allzu hoch entwickelte Überredungskünste. Balık Ekmek, das sind grillierte Fische mit Brot. Ein einfaches, aber köstliches Gericht.

Bayrams besonderes Talent zeigte sich dennoch schnell. Er merkte, dass wir versuchten, uns auf Türkisch verständlich zu machen. In Kuşadası, einem Touristenort fest in den Händen der Engländer und Osteuropäer, waren wir damit wohl eher eine Ausnahmeerscheinung. Jedenfalls schien er sich richtig darüber zu freuen. Erst testete er unser Wissen. Als er merkte, dass es nicht sehr weit reichte, brachte er uns etwas Neues bei. "Afyiet olsun!" sagte er, "Have a nice meal!", als er unseren Fisch brachte. Später dann, als gerade genügend Kollegen da waren, die ihn ablösen konnten, kam er an unseren Tisch und fragte, wo wir herkämen. Dabei stellte sich zwar heraus, dass sein Englisch nicht viel weiter reichte als unser Türkisch. Aber wir schafften es dennoch, uns angeregt zu unterhalten. Nie genau über das, was wir eigentlich beabsichtigt hatten. Aber Spass machte es trotzdem. Jedenfalls kamen wir irgendwie so weit, dass Bayram uns die Monate des Jahres auf Türkisch auf einen Zettel aus dem Quittungsblock schrieb. Woraufhin wir vergnügt jammerten, wie furchtbar kalt es in der Schweiz die meiste Zeit sei. Bayram war in seinem Element und nannte uns all die warmen Monate des Jahres in der Türkei. Er lächelte. Seine Augenlider flatterten wie Schmetterlinge. Er war höchstens 18.

Dann rief sein Chef ihn zur Arbeit zurück.

Und doch fühlte sich die Frogg nun endlich wirklich wie im Paradies.
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