Kopftuch 2
Nach frogg'scher Schätzung geht ein Drittel der Frauen in der Westtürkei im Kopftuch. Ich habe sie angesehen, diese Frauen, und mir Fragen gestellt: Was denken sie? Wo gehen sie hin? Wie halten sie in ihren langen Mänteln die Hitze aus? Was ist das für ein Strumpf, den viele unter dem Kopftuch tragen und der ihr Haar verdeckt? Wann und wo ziehen diese Frauen ihre Rüstung aus? Ich wünschte mir, türkisch zu können. Ich wünschte mir, sie ausfragen zu dürfen. Bestimmt habe ich sie manchmal angestarrt.
Ich begann, sie in Kategorien einzuteilen:
Die Kleinbürgerinnen: Frauen mit viel Arbeit und Kindern, aber ohne Allüren. Und doch vergessen sie nicht, sich ein bisschen nett anzuziehen. Ihre Kleidung, meist unprätenziös im Schnitt, ist stets in gut assortierten Farben gehalten: zum grünen, langen Mantel tragen sie ein grünrosa gemustertes Kopftuch (oder das alles in Blau, Beige oder Pink).
Die Wohlanständigen: Die meisten von ihnen sind jung, schmal wie Frühlinszweige und verbringen am Morgen Zeit mit Schminken. Ihre Mäntel sind adrett, oder gar elegant: silberweiss oder schwarz, ihre Kopftücher schwarz, grau oder weiss mit Pastellmustern. Sie halten sich stets kerzengerade. In der Gegenwart von Touristen bekommen sie manchmal einen überlegenen Gesichtsausdruck. Sie wirken irgendwie militant und passen optisch gut zu den vielen neuen Moscheen in Edremit mit ihren silbern schimmernden Minarettspitzen (die wir in einem Anflug schwarzen Humors Qassam-Raketen nannten. Weil sie über der Westküste sassen wie islamische Abwehrgeschütze). Doch es ist nicht alles wie es scheint: Einmal, in Pamukkale, sahen wir an einem Sonntagabend in in der Lobby unseres Familienmotels eine junge Wohlanständige, 17 vielleicht, eine der zahlreichen Verwandten unseres Wirtes: Sie sass am Computer und hörte mit einer Freundin ohne Kopftuch englischen Grufty-Rock. Die einzige englische Rockmusik, die ich drei Wochen Türkei gehört habe.
Die Entehrten: Frauen, die irgendeiner erniedrigenden Arbeit nachgingen, meist Toilettenfrauen. Das Kopftuch gab ihnen ihre Würde zurück.
Die schwarzen Mareien: Meist ältere Frauen in schwarzen Tüchern, die alles verhüllten ausser der Nasenspitze, dem Kinn und den Fäusten. Sie sahen aus, als kämen sie aus einer anderen Zeit. Sie sahen arm und wütend aus.
Die Landfrauen: Frauen, die das Kopftuch als Arbeitskleidung trugen. So selbstverständlich wie Generationen von Frauen vor ihnen. Unsere Wirtin in Pamukkale war so eine Frau. Eine Frau, wie man sie im Westen selten sieht. Eine Frau, die so aussah, als sei sie genau dort, wo sie hingehöre und glücklich darüber. Eine Frau ohne Ängste, so schien es. Die Sonne in ihrem komplexen Familiensystem. Von den wenigen Türkinnen, mit denen wir sprechen konnten, konnte sie am besten Englisch.
Die Individualistinnen: Sie trugen ihre bunten Kopftücher mit kurzen oder halblangen Jacken. Mit langen, neonfarbigen Röcken und Jeans. Ihre Kleidung war eine kreative Mischung aus Ost und West. Die Freaks unter den Musliminnen.
Ja, und dann sah ich Tausende von Frauen, die sich in ihrem Aussehen kaum von Westlerinnen unterscheiden. Und am Busbahnhof von Aydın habe ich eine junge Türkin in einem eng anliegenden T-Shirt gesehen, auf dessen Brust breit stand: "You will beg for it". Ich kenne keine einzige Westlerin, die so etwas tun würde. Sie stand - natürlich - nicht weit von einer Wohlanständigen.
Ich begann, sie in Kategorien einzuteilen:
Die Kleinbürgerinnen: Frauen mit viel Arbeit und Kindern, aber ohne Allüren. Und doch vergessen sie nicht, sich ein bisschen nett anzuziehen. Ihre Kleidung, meist unprätenziös im Schnitt, ist stets in gut assortierten Farben gehalten: zum grünen, langen Mantel tragen sie ein grünrosa gemustertes Kopftuch (oder das alles in Blau, Beige oder Pink).
Die Wohlanständigen: Die meisten von ihnen sind jung, schmal wie Frühlinszweige und verbringen am Morgen Zeit mit Schminken. Ihre Mäntel sind adrett, oder gar elegant: silberweiss oder schwarz, ihre Kopftücher schwarz, grau oder weiss mit Pastellmustern. Sie halten sich stets kerzengerade. In der Gegenwart von Touristen bekommen sie manchmal einen überlegenen Gesichtsausdruck. Sie wirken irgendwie militant und passen optisch gut zu den vielen neuen Moscheen in Edremit mit ihren silbern schimmernden Minarettspitzen (die wir in einem Anflug schwarzen Humors Qassam-Raketen nannten. Weil sie über der Westküste sassen wie islamische Abwehrgeschütze). Doch es ist nicht alles wie es scheint: Einmal, in Pamukkale, sahen wir an einem Sonntagabend in in der Lobby unseres Familienmotels eine junge Wohlanständige, 17 vielleicht, eine der zahlreichen Verwandten unseres Wirtes: Sie sass am Computer und hörte mit einer Freundin ohne Kopftuch englischen Grufty-Rock. Die einzige englische Rockmusik, die ich drei Wochen Türkei gehört habe.
Die Entehrten: Frauen, die irgendeiner erniedrigenden Arbeit nachgingen, meist Toilettenfrauen. Das Kopftuch gab ihnen ihre Würde zurück.
Die schwarzen Mareien: Meist ältere Frauen in schwarzen Tüchern, die alles verhüllten ausser der Nasenspitze, dem Kinn und den Fäusten. Sie sahen aus, als kämen sie aus einer anderen Zeit. Sie sahen arm und wütend aus.
Die Landfrauen: Frauen, die das Kopftuch als Arbeitskleidung trugen. So selbstverständlich wie Generationen von Frauen vor ihnen. Unsere Wirtin in Pamukkale war so eine Frau. Eine Frau, wie man sie im Westen selten sieht. Eine Frau, die so aussah, als sei sie genau dort, wo sie hingehöre und glücklich darüber. Eine Frau ohne Ängste, so schien es. Die Sonne in ihrem komplexen Familiensystem. Von den wenigen Türkinnen, mit denen wir sprechen konnten, konnte sie am besten Englisch.
Die Individualistinnen: Sie trugen ihre bunten Kopftücher mit kurzen oder halblangen Jacken. Mit langen, neonfarbigen Röcken und Jeans. Ihre Kleidung war eine kreative Mischung aus Ost und West. Die Freaks unter den Musliminnen.
Ja, und dann sah ich Tausende von Frauen, die sich in ihrem Aussehen kaum von Westlerinnen unterscheiden. Und am Busbahnhof von Aydın habe ich eine junge Türkin in einem eng anliegenden T-Shirt gesehen, auf dessen Brust breit stand: "You will beg for it". Ich kenne keine einzige Westlerin, die so etwas tun würde. Sie stand - natürlich - nicht weit von einer Wohlanständigen.
diefrogg - 9. Jul, 17:59
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