7
Dez
2009

Tränen, Tränen, Tränen

Am Samstag ging ich spazieren. Ich sah, wie drei Schwäne nebeneinander den Göttersee hinunterflogen. Ich hörte, wie ihre Schwingen aufs Wasser aufschlugen. Sonst hörte ich ausser dem Gedröhn in meinen Ohren nicht besonders viel. Dennoch war ich für einen Moment lang eins mit mir und der Welt.

Zu Hause griff ich dann nach Wochen unablässiger Lektüre seichter Kost zu diesem Buch:


Denn mir wurde klar: Die Welt hat drängendere Probleme als mein Ohrenleiden. Es schien, dass mich die Welt wieder hatte.

Doch gestern hatte ich noch einmal einen schweren Rückfall in die Abgeschiedenheit meiner Krankheit. Ich war bei meinen Eltern zu Besuch und hing dort in meinem Zimmer herum. Ich brach in Tränen aus und konnte kaum noch zu weinen aufhören. Ich weinte, einfach weil ich traurig war. Ich weinte um mein verlorenes gutes Ohr. Ich weinte, weil alles, was ich höre, schrecklich klingt. Ich weinte, weil ich mich als das missratenste und nutzloseste Kind im Quartier meiner Eltern fühlte. Und weil sie sich trotzdem so viel Mühe um mich geben.

Dabei sollte ich allmählich genug geweint haben. Ich weine seit dem 30. Oktober täglich. Das war der Tag, an dem ich ins Spital musste. Als sie mir die Nadel mit dem Cortison ins Ohr gestossen hatten, lag ich da. Vor meinem geistigen Auge sang Robert Page "I'll give you every inch of my love" und ich brach in Tränen aus. So frech, so unbeschwert, so englisch, so Rock'n'roll. Und vielleicht alles vorbei für mich.

In den wechselhaften Wochen danach schein es, als müsste jeder Aspekt meines Lebens betrauert sein: Meine nie geborenen Kinder; meine dahinsiechende Grossmutter; die Tatsache, dass auch meine Eltern älter geworden sind; die Tatsache, dass Herr T. da war; die Tatsache, dass er nicht da war; die Erinnerung an meine viel zu früh verstorbene erste Liebe; dass ich vielleicht nie mehr mit meinen Lieblingskollegen zusammenarbeiten werde; mein Stolz auf meinen Beruf; mein Stolz auf mein Gehör; mein Stolz auf... Ich weiss nicht, ob das je wieder aufhört.

Aber eins weiss ich: Heute las ich wieder Ziegler. So viel Wissen. So vieles, was uns Westlern so dringend gesagt gehört. Und immer zu wenig Zeit, es zu sagen. Immer diese Eile. Ziegler schreibt genau wie er spricht: atemlos, eindringlich, getrieben. Auch wenn das Thema ernst ist: Ich musste lächeln.

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katiza - 7. Dez, 22:32

Liebe Frau frogg,

Ihre Krankheit berührt und beschäftigt mich sehr. Hören an und für sich ist ein Thema, das mich schon lange begleitet, wiewohl unmusikalisch, aber sehr empfänglich für Worte und Musik und Geräusche - eben brummt der Server und die Tasten klicken. Kennen Sie Ernst Joachim Berendt?

Und dann die Tränen, wie vertraut ist mir Ihre Schilderung. Vielleicht sollten Sie es doch mir Naikan probieren....Ich kann mir vorstellen, dass Ihnen das gut tun könnte. Ruedi hat mich durch ein Naikan begleitet, das übrigens am Anfang meines Blogs stand...

Ich lese so gerne bei Ihnen, Sie berühren mich oft sehr mit ihren Worten und bieten so viel wert volle Anregungen und Informationen. Ich umarm Sie - ganz besonders für den letzten Absatz.

Ach was, für alles eben. Ich muss Lächeln.

 



diefrogg - 8. Dez, 14:39

Danke für die guten Tipps!

Ich merke mir das für die Zukunft. Im Moment bin ich vollauf beschäftigt mit dem, was ich unternehme, um mit der ganzen Sache fertig zu werden (psychisch, physisch und finanziell). Und an Musik denke ich im Moment lieber gar nicht. Das tut zu sehr weh. Aber wer weiss, was die Zukunft alles bringt!
walküre - 8. Dez, 20:21

.

chamäleon123 - 8. Dez, 22:18

Kein Mitleid. Mit Gefühl.
Ok. Ich neige vielleicht zum peinlichen Pathetischsein. Aber es ist immer echt, das Mitgefühl.
diefrogg - 9. Dez, 16:14

Oh, sorry...

ïrgendwie hatte ich Dich ja schonr richtig verstanden! Ich wollte Dir sicher keine falschen Gefühle unterstellen. Ich glaube, das Problem ist eher auf meiner Seite ;)
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