14
Mai
2015

Wandern ist blöd


Ein Lichtblick auf unserer Wanderung am Vierwaldstättersee: Liebliche Landschaft in der Nähe von Hertenstein

Der Herr T., alias Kulturflaneur will wandern gehen. Er hat ein grosses Projekt - er will den Vierwaldstättersee umrunden. "Wir werden früh aufstehen müssen", sagte er. "Gegen Abend gibt es Gewitter." Ja, seufzte Frau Frogg, und am Morgen wird es schwülheiss sein. 30 Grad! Mindestens!"

Ich hatte von Anfang an Mühe mit dem Projekt. Vierwaldstätterseewanderungen habe ich als Kind à discretion gehabt. Ich finde sie ein bisschen bieder. Aber was sollte ich machen? Sonst will ja ich immer ich mit Herrn T. spazieren gehen, und er will dann nicht. Da muss ich diese Gelegenheit schon packen.

Wobei - wenn man mir schlechte Laune bereiten will, zwingt man mich am besten zum Frühaufstehen an meinem freien Tag. Ich bin jeweils bis Mitte Nachmittag verstört, wenn ich um 6.30 Uhr morgens mit einer Ausflüglerherde durch den Bahnhof drängeln muss. Das war früher schon so. Schon deshalb bin ich nie eine begnadete Bergziege geworden.

Immerhin: Um 10.15 Uhr waren wir in Küssnacht. So früh, dass ich mir kaum vorstellen konnte, was man mit so viel Tag anfangen könnte. Heiss war es trotzdem schon.

Herr T. wollte unbedingt einen Umweg über die Hohle Gasse machen. Die Leser seines Blogs würden das von ihm wollen, sagte er. Doch, Leser, ich sage Euch: Die Hohle Gasse ist ein simpler Waldweg. Für so etwas könnt ihr zu Hause ins nächste Gehölz gehen. Gut, Wilhelm Tell war vielleicht nie in Eurem Wäldchen. Aber in der Hohlen Gasse ist er auch schon lange nicht mehr gewesen, glaubt mir. Ich refüsierte.

So hielten wir sofort Richtung Greppen und Weggis. Herr T. war bester Laune. Ich hörte bald auf, ihn auf lustige Strassenschilder oder hübsche Blümchen hinzuweisen. Er hätte sonst noch mehr Fotostops gemacht (die Früchte seines Schaffens könnt Ihr demnächst auf seinem Blog geniessen).

Der Wanderweg führte längere Zeit der Strasse entlang. Einer Strasse, die an sonnigen Tagen eine beliebte Strecke für Motorradkonvois und Cabriolets ist. Nun, ich werde mir weitere miesepetrige Bemerkungen ersparen. Ich hatte es ja gewusst.

In Greppen hatte Herr T. Erbarmen mit mir und spendierte ein Käfeli. Erfahrungsgemäss heitert ein guter Espresso meine Laune stets erheblich auf. Spätestens nach einem Käfeli nehmen meine Geschichten in der Regel eine versöhnliche Wendung. Auch die Landschaft tat kurz nach Greppen das beste, mir dabei zu helfen: Man lässt die Cabrio-Strasse hinter sich und taucht ein in eine Landschaft, in die die Jahrtausende charmante Hügelchen und Tälchen gefräst haben (Bild oben).

Einen Kilometer lang lang war ich geradezu fröhlich. Dann schoss mir ein schier unerträglicher Schmerz in die Hüften - eine Alterserscheinung, verdammt, man ist ja bald 50. Eine längere Pause wurde unumgänglich, und wir zogen in Hertenstein sogar eine verfrühte Heimreise in Betracht.

Irgendwie schaffte ich es dann doch noch bis Weggis und versöhnte mich dort mit den Herausforderungen des Lebens. Das Gewitter liess noch lange auf sich warten.

Herrn T.s wirklich sehr lesenswerte Schilderung unserer Wanderung kann man jetzt hier lesen.

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https://froggblog.twoday.net/stories/1022431923/modTrackback

speedhiking - 15. Mai, 09:58

Um den See bin ich einmal als Schüler herumgeradelt (den kleinen Stadtplan von Luzern hab ich noch im Regal stehen). Besonders in Erinnerung ist mir eine meiner ersten Erfahrungen in Sachen interkulturelle Missverständnisse:

Von einem Gendarmen angehalten, wo denn bitte das Kennzeichen (oder wie immer das in der Schweiz heißt) meines Fahrrades sei.
Ich so, bei mir: Will der mich auf den Arm nehmen?
Ich zu ihm mit aller aufzubietenden Verständnislosigkeit: Äh... welches Kennzeichen bitte?
Er so, bei sich: Will der mich auf den Arm nehmen, odr?
[..]
Hat sich dann aber geklärt und in freundlichen Respekt aufgelöst, als er erfuhr, dass wir halt aus Deutschland herübergeradelt wären (wo es eine solche Kennzeichnungspflicht natürlich für Autos, aber doch nicht für Fahrräder gibt, und wo ich von einer derart kuriosen Einrichtung im Leben noch nie gehört hatte).

Sehr angenehm habe ich in Erinnerung, dass schweizerische Rennradlfahrer, die auf engem Radweg von hinten heraneilen und Überholungsabsichten hegen, schon von weitem lauthals "MÉRCI!!" schreien. Ein derart kultiviertes Benehmen war mir völlig neu, in Deutschland wird höchstens geklingelt oder unfreundlich "Achtung!" gerufen oder überhaupt nix. Na, vielleicht nicht immer. Aber Merci hat mir da noch keiner gerufen, schon gar nicht mit so einem schönen Akzent auf der ersten Silbe! Seither verwende ich selbst, von hinten heraneilend, öfter mal ein "Entschuldigung!", aber das kann man halt bei weitem nicht so schön rufen. Da ist er im Vorteil, der Eidgenosse!

diefrogg - 15. Mai, 12:49

Oh, das ist aber...

... eine sehr schöne Reminiszenz! Dass die Radrennfahrer (sie heissen bei uns auch "Gümmeler" damals schon von hinten "Merci!" riefen, habe ich nicht gewusst. Die Velonummern sahen damals so aus:



Das kleine Schild war der Ausweis für eine Haftpflichtversicherung, die jedes Rad haben musste.

Was das Rufen und Klingeln betrifft: Da sprechen Sie etwas Interessantes an. Die Klingel ist ja genau dazu da, eine Annäherung von hinten zu signalisieren. Trotzdem empfinden wir (auch ich) Radfahrer-Geläute als unhöflich, es sei denn, es komme schon von sehr weit weg. Schon merkwürdig... und, ja, was soll man rufen...?

Zu Fuss gehen finde ich in manchen deutschen Städten übrigens hochgradig lebensgefährlich. Hierzulande wird viel Geschrei gemacht, wie verdammt gefährlich die Radfahrer auf dem Gehsteig seien - wahrscheinlich waren alle, die so gerne laut schreien noch nie in Deutschland.
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