im meniere-land

1
Okt
2009

Böser Wunsch

Nichts habe ich in den letzten zehn Jahren mehr gefürchtet als jenen Moment: den Moment, an dem auch mein zweites Ohr aufgeben und nicht mehr zu retten sein würde. Am Montag schien dieser Moment gekommen. In der Nacht auf Diestag lag ich da mit dem knallharten Herzklopfen, das man nur von 200 mg Prednisolon Streuli bekommt - und doch ging der Donner im Ohr nicht weg. Und doch wurden alle Geräusche rundum immer dünner.

Wenn man so daliegt, dann macht man sich seltsame Gedanken. Plötzlich fragte ich mich: Habe ich diesen Moment nicht heimlich herbeigewünscht? Weil ich dann wüsste, wie er sich anfühlt und die Furcht endlich ein Ende hätte? Und noch viel perfider: Weil er mich aus der gefühlten Ausweglosigkeit meines Daseins befreien würde? Weil er meinem Leben eine neue Richtung geben würde?

Oder warum sonst war dieser Moment ausgerechnet am Montag gekommen?

Die Woche zuvor war eine so aussergewöhnliche Woche gewesen. So ziellos. So süss. So ohne Pläne, Projekte. Ich ging ins Kino. Ich ging in einem sonnendurchfluteten Tal spazieren. Dem Tal, in dem mein Grossvater geboren wurde. Ich sah es zum allerersten Mal. Jemand bot mir eine tolle Stelle an. Ich wusste nicht, ob ich sie wirklich wollte. Zum Erstenmal seit Jahren hatte ich nicht die geringste Lust zu schreiben. Ich liess mich treiben. Einfach treiben. So, als warte ich auf etwas. Und immer, wenn ich auf der Strasse war, pfiff ich leise diesen Song.



Vor allem die Zeilen "I've got a bad desire! Oooh I'm on fire". Ich wartete und wusste nicht worauf.

30
Sep
2009

Hörsturz

Diesmal ist es mein rechtes Ohr. Mein gutes Ohr, mein Goldöhrchen. Das Ohr, mit dem ich noch 99 Prozent hörte. Gestern ist es abgestürzt. Es begann ganz harmlos, am Montagabend, mit leisem Dröhnen. "Ach, das ist ein bisschen Septemberdröhnen!" dachte ich. "Das geht schon wieder weg!" "Als alte Meniere-Patientin hört man doch manchmal viel zu genau hin", dachte ich. Aber weit gefehlt. Gestern gegen Mittag wurde Gedonner aus dem Dröhnen. Zusammen mit der Tinnitus-Disco in meinem linken Ohr wurde aus meinen Ohrengeräuschen eine Megaparty mit Unwettereinbruch. Nur von der Aussenwelt bekam ich immer weniger mit. Das nicht eben leise Surren der Computer in unserem Büro verlor sich vollständig im Ohrensausen.

Nach dem Mittagessen versuchte ich, meinen Ohrenarzt zu erreichen. Noch bevor es mir gelang, passierte etwas Entsetzliches. Ich sass am Schreibtisch und... also, eigentlich weiss ich gar nicht genau, was passierte. Ich weiss nur, dass ich einen Schrei ausstiess. Dann fand ich meinen Kopf mit flachgedrückter rechter Backe auf dem Schreibtisch wieder. Ich muss für einen Sekundenbruchteil das Gleichgewicht verloren haben und auf den Tisch geknallt sein. Im Sitzen, nota bene! Es ging so schnell, dass ich nicht einmal die Tischplatte auf mich zurasen sah. Das ist selbst für mich als als Schwindelkennerin ein neues Phänomen. Ich werde es Blitzschwindel nennen.

Ich ging dann zum Ohrenarzt. Der gab mir, wie üblich, Cortison. Ich fühlte mich etwas beruhigt. Denn das rosarote Gift nützte bislang immer und schnell.

Doch diesmal nützt es nichts. In der Nacht wurde sogar alles noch viel schlimmer. Selbst Herrn T.s Atemgeräusche klangen seltsam ausgedünnt.

Heute früh war ich dann wieder beim Arzt. Er hat mir mehr Cortison verschrieben.

24
Apr
2009

Neue Diät

Der unerfreuliche Zustand meiner Ohren um Ostern hat mich zu drastischen Massnahmen veranlasst: Ich habe eine neue Diät gestartet. Sie besteht aus dem Verzicht auf einige ziemlich schwer verzichtbare Lebens- und Genussmittel:

Kaffee gar nicht mehr (auch kein Tee und keine Colagetränke)
Schokolade (ausser ein winziges Schöggeli nach dem Essen)
Wein, Bier oder andere Alkoholika (höchstens ein Glas pro Tag)
Käse (nur noch zwei kleine Scheiben pro Tag)
Schweinefleisch (gar nicht mehr)

Dazu esse ich möglichst salzarm

Ich weiss, diese Diät klingt wie die Erfindung eines rasend gewordenen Körnlipickers. Ich hätte von mir aus nie so etwas getan. Ich liebe Kaffee. Ich liebe meinen kleinen Rotwein-Schwips an einem rauschenden Fest. "Der Mensch lebt nicht vom Verveine-Tee allein", war stets meine Devise. Und Käse gehört ganz einfach zu meinen Grundnahrungsmitteln. Erfunden (oder kolportiert) hat diese Diät die American Vestibular Society Und ich habe auch schon die Erfahrung gemacht, dass sie wirkt. Ausser Cortison ist sie das einzige, was wirkt. Aber sie ist auf Dauer verdammt schwer durchzuhalten. Deshalb sündige ich, wenn ich mich sicher fühle.

Seit Sonntag lebe ich strikt nach Körnlipickers Vorgaben und trinke keinen Kaffee mehr. Jetzt bin ich zwar morgens etwas dröge. Aber ich kann mich auf der Strasse wieder spontan umdrehen. Ohne Angst, gleich auf den Kopf zu fallen. Das rechte Ohr hat mir bislang keine Beschwerden mehr gemacht. Und auf dem linken höre ich wieder etwas besser.

Nur: Am Montag und Dienstag hatte ich plötzlich dieses äusserst unangenehmen, penetrante Ziehen in den Oberschenkeln und im Unterbauch. Eine Qual! Ich schleppte mich durch die Tage. Die Schmerzen liessen erst nach, als ich am Dienstagabend an einem Apero von Freunden eine ordentliche Portion Chorizo (Schweinefleisch!) und Käse zu mir nahm.

18
Apr
2009

Stilles Herzrasen

Junior hat gerade einen Anfall. Wenn ich das Fenster aufmache, höre ich von unten Bässe und Gitarren heraufröhren. Das gefällt mir. Eigentlich gefällt mir Juniors Sound. Nachts hat er unser biederes Treppenhaus auch schon zu einem sirrenden Gewächshaus für Tropenpflanzen gemacht. Tags aber steht er eher auf heavy stuff. Ich werde es ihm nie sagen können, aber gerade jetzt lausche ich seinem Georgel da unten mit einem grossen Glücksgefühl. Es erinnert mich daran, dass ich tiefe Töne wieder richtig gut hören kann.

Es hat in letzter Zeit auch andere Tage gegeben. Am Ostersamstag musste ich nach einer ruppigen Woche mit viel Blubbern und Quäken auf meinem guten Ohr zum rosaroten Gift greifen. Das bringt mir zwar die tiefen Töne zurück. Aber nachher verfolgt mich jedesmal tagelang das Vieh.

Am Mittwochmorgen erwachte ich um 6.30 Uhr aus einem verstörenden Traum. Die Wirklichkeit erwies sich schnell als noch verstörender: Ich konnte die Stadt nicht hören. Die Stadt, dieses unaufhörliche, mächtige, halblaute Dröhnen, das der Wind überallhin trägt. Wenn ich die Stadt nicht höre oder wenn die Stadt gurgelt, dann steht es schlecht um mich. Grottenschlecht. Der Sound der Stadt gehört unbedingt auf die Liste der unentbehrlichen Geräusche. Ach was: Er gehört auf die Liste der Unesco. Er ist Weltkulturerbe.

Klar, dass ich Panik bekam. Mein Herz raste. Und dann passierte das Allerschlimmste: Ich konnte mein Herz nicht klopfen hören. Ihr wisst schon: diesen dumpfen elektrischen Zweitakt. Ich konnte ihn nicht mehr hören. Nur ein schwaches, hastiges zweitaktiges Rauschen hörte ich. "Hört man sein Herz mit dem Innenohr schlagen?" fragte ich mich entsetzt. "Klar", sagte die Stimme der Vernunft, "Womit den sonst?"

Einen Moment lang lag ich da wie gelähmt.

Vielleicht denkt Ihr jetzt, die Frogg sei vollständig verrückt geworden. Ist sie nicht. Das alles ist bloss eine Begleiterscheinung der Meniere'schen Krankheit, die ich inzwischen auf beiden Ohren habe (das gibt es, da ist Wikipedia nicht à jour). Mein Hausarzt hat einmal zu mir gesagt hat: "Wissen Sie, Leute, die Ihr Gehör verlieren, leiden viel mehr als Leute die blind werden." Er konnte mir nicht sagen, warum. Aber er sagte: "Die werden manchmal fast wahnsinnig." Ich weiss jetzt, warum.

Dann fiel mir ein, was ich in solchen Lebenslagen jeweils sonst tue: Ich streiche mit der Hand über mein Duvet. Wenn das Duvet normal klingt, dann ist die Welt mindestens halbwegs in Ordnung. Wenn das Duvet beim Drüberstreichen dröhnt, ist eine weitere Dosis rosarotes Gift angesagt. Die Welt war halbwegs in Ordnung. Ich flüchtete in Herrn T.'s Arme und lauschte eine Stunde lang, wie er die Klaviatur seines Atems bearbeitete. Das beruhigt mich immer. Da endlich hörte ich, wie die Stadt langsam erwachte.

Ob ich mir das alles eingebildet habe oder ob ich wirklich am frühen Morgen meine Tieftöne verloren hatte und sie erst mit dem Prozess des Erwachens langsam zurückkamen? Beides ist möglich, glaubt mir. Ich weiss es bis heute nicht.

Es hat auch keinen Sinn, darüber nachzudenken. Ich werde jetzt aufstehen, ein bisschen putzen und Juniors Bässe geniessen, so lange ich noch kann. Junior zeiht im Juni aus. Wir haben ihn hinausgeekelt. So kompliziert ist das Leben.

20
Mrz
2009

Horror-Thriller für Patientin Frogg

Ja, ja ich weiss: Das Buch sieht überhaupt nicht spannend aus. Es sieht aus wie ein ungeheuer langweiliges Medizinfachbuch. Es ist auch ein Medizinfachbuch. Aber nicht deshalb habe ich mit der Lektüre jahrelang gezögert. Nein. Ich fürchtete mich davor. Ich hatte auch eine Ausrede. "Die drei wichtigsten Dinge über die Krankheit, die ich habe, weiss ich", pflegte die Frogg zu sagen, "Erstens: Niemand weiss, wo sie herkommt. Zweitens: Niemand weiss, wie sie verläuft. Und drittens: Niemand kann sie heilen."

In diesem Falle wäre Wissen nicht einmal Macht. "Also brauche ich gar nicht mehr wissen", sagte die Frogg.

Aber neulich abends habe ich dann doch angefangen, das Buch zu lesen. Mara hat es mir in die Tasche gesteckt. Auch eine Menière-Patientin.

Schon das erste Kapitel fährt mir mehr ein als alle schwarzen, goldgeprägten Anglo-Thriller auf meinem Büchergestell zusammen.

Manches daran fühlt sich tröstlich an. Vertraut. Es ist gut zu wissen, dass andere dasselbe erlebt haben wie ich: "Der typische Drehschwindel tritt in der Regel anfallsweise ... auf. Das kann zu allen Tageszeiten geschehen, auch nachts aus dem tiefen Schlaf heraus." (S.3)

Auch das hier gibt mir so etwas wie einen angenehmen Thrill: "Das japanische Gesundheitsministerium hat den Morbus Meniere 1974 auf die Liste der insgesamt 43 schwer behandelbaren Krankheiten gesetzt." (S.2) Es ist eben doch so, wie mein Hausarzt einmal gesagt hat: "Manchen Patienten gibt es eine narzisstische Befriedigung, an einer kuriosen Krankheit zu leiden." Auf der anderen Seite: Eigentlich würde ich lieber auf beiden Ohren gut hören und nie mehr Angst vor der nächsten Schwindelattacke draussen auf der Strasse zu haben. Ehrlich!

So richtig mulmig wird mir, wenn ich lese, dass Morbus Meniere "zu beidseitiger Taubheit, Unsicherheit und Hilflosigkeit bis hin zur Berufsunfähigkeit führen kann": (S XI)

Und wenn Schaaf verspricht, auf "psychosomatische Aspekte dieses oft Jahre anhaltenden Krankheitsbildes" zu sprechen zu kommen, dann fahre ich das Arsenal meiner Abwehrargumente auf: "Ich habe mich mit meinem Leben arrangiert, und das war schwierig genug. Ich werde alles tun, was mir guttut. Aber wenn mir jemand erklären will, was ich an mir oder meinem Leben ändern soll, dann ist er an der falschen Adresse! Jawoll!!!" sagt die Frogg grimmig.

Zum Glück ist Herr Schaaf bislang vor allem auf die psychosomatischen Folgen andauerner Schwindelanfälle eingegangen: Depressionen, massive Ängste und allgemeine körperliche Verunsicherung. Damit kann ich mittlerweile umgehen. Ich habe gelernt: Ein Meniere-Anfall auf der Strasse ist weniger schlimm als ein Kreislaufzusammenbruch: Wer einen Meniere-Anfall hat, bleibt bei Bewusstsein. Er kann (meistens) kontrollieren wie er fällt und nötigenfalls um Hilfe bitten."

"Nein! Du kannst mir keine Angst machen, Schaaf!" sagt die Frogg. Aber bevor ich das Licht lösche und einschlafe bringe ich das Buch doch noch schnell hinaus in ein anderes Zimmer. Ich will nicht, dass es mich bis in meine Träume verfolgt.

Hemut Schaaf: Morbus Menière; Schwindel - Hörverlust - Tinnitus, eine psychosomatisch orientierte Darstellung; Heidelberg: Springer, 5. Auflage, 2007.

4
Feb
2009

Alptraum

Neulich nachts weckte mich ein Schwindelanfall. Ich glaubte im Schlaf zu fallen, öffnete die Augen, und sah, wie mein schwach von aussen erleuchtetes Fenster über mir eilig im Kreis herumratterte. An sich erschreckt mich das schon lange nicht mehr. Meistens drehe ich mich einfach auf die andere Seite und mache die Augen zu. Dann geht der Schwindel wieder weg. Neulich nachts schluckte ich schnell ein Antemin, denn diesmal drohte Übelkeit.

Antemin ist ein gutes Medikament, aber nachts versetzt es mich manchmal in einen merkwürdigen Halbschlaf. Ich lag also da, etwas verkrampft, wegen des Schwindels, und Bilder von Dead Man von Jim Jarmusch zogen mir durch den Kopf



Ich habe nie einen beklemmenderen, düstereren Film gesehen. Ausgerechnet am Vorabend habe ich ihn gesehen, und ich stehe noch ganz im Bann seiner Bilder- und Soundkulisse. In meinem Halbtraum liege ich in einem Boot wie Johnny Depp, der Himmel über mir dreht sich, ich weiss, dass ich sterbe und in mir breitet sich unsägliches Grauen aus.

Als erwachte, war ich wie erschlagen. Ich kann an kein lautes Konzert mehr. Ich kann nicht mehr Auto fahren. "Kann ich mir jetzt nicht mal mehr einen genialen Film ansehen?!" dachte ich.

12
Jan
2009

Auto fahren

Ich bin, weiss Gott, keine begnadete Autofahrerin. Weder meine Talente noch meine Erziehung haben mich in jungen Jahren eine Neigung zum Autofahren entwickeln lassen. Ich bin notorisch ängstlich. Noch dazu wurde ich katholisch erzogen. Und katholische Mädchen sollen gefälligst wahnsinnig fleissig und sehr gewissenhaft sein - aber sie sollen damit ja nicht weit kommen. Aus Trotz wurde ich mit 18 linksgrün. Auch keine Entwicklung, die eine positive Haltung zum Auto förderte.

Ausserdem kann man sich in der Schweiz gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewegen - jedenfalls von und zu den Orten, auf die es ankommt. Jahrelang war ich eine begeisterte Zugspendlerin. Im Zug kann man so vieles tun: zum Beispiel Musik hören, lesen, Handy-Spiele spielen.

Schliesslich, schon Mitte 30, lernte ich es dann doch. Auto fahren gehöre zur Allgemeinbildung, sagte mein Bruder. Und dann musste ich jetzt öfter an Orte, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht so gut zu erreichen waren.

Erst war jede Fahrt für mich entsetzlich. Ich war überzeugt, dass ich fürs Autofahren bestraft würde. Ich glaubte, dass irgend ein grüner Gott mir schon an der erste Strassenkreuzung einen 40-Tönner mit Vollgas links an die Tür donnern lassen würde.

Aber nichts dergleichen geschah. Vielmehr erfuhr ich alsbald ein paar merkwürdige Dinge. Zum Beispiel: Ich bin Erbin des Walholz'schen Rasergens - auch wenn ich viel Trainig brauchte, bis es durchbrach (natürlich zügle ich mich nach Kräften und halte mich fast immer an die Tempolimiten). Und: Liess meine zeitweilige Schwerhörigkeit mich daran zweifeln, dass ich noch zur Menschheit gehörte, dann tat mir Autofahren gut. Ganz nach dem logischen Denkmuster: Millionen Menschen (in der westlichen Welt) fahren Auto. Ich fahre Auto. Also bin ich ein normaler westlicher Mensch.

Ja. So war das. Bis die Schwindelanfälle begannen. Lange Zeit kam ich ja trotzdem irgendwie zurecht. Die Anfälle kamen selten, und ich wusste es, wenn sich einer ankündigte. Aber in letzter Zeit verschaukelt mich die Welt täglich ein paarmal. Allmählich gewöhne ich mich dran. Nur bei der Vorstellung, die Strasse würde mir auf der Autobahn entgegenbocken, dann, wenn ich mit 120 Sachen unterwegs bin - die jagt mir jenen kalten Angstschweiss ins Kreuz, den ich von meinen ersten Fahrstunden kenne.

Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, ist zwar immer noch sehr gering. Deshalb plane ich immer noch ab und zu, mit dem Auto irgendwo hinzufahren. Aber kurz bevor es soweit ist, beginnen mich dann Zweifel zu plagen. Ist es fahrlässig, was ich da vorhabe? Oder bin ich wieder einmal einfach eine froschgrün angemalte Angsthäsin? Schliesslich muss ich ab und zu fahren, damit ich nicht aus der Übung komme. Einen Arzt kann ich nicht fragen, denn ein Arzt weiss ja nicht, wie es mir geht. So überlege ich hin- und her. Endlos. Bis ich beinahe den letztmöglichen Zug verpasse.

Letztes Mal entschied ich mich nach zwei qualvollen Stunden des Hin- und Herüberlegens in letzter Minute für den Zug. Ich musste mich beeilen und warf in aller Eile ein paar Sachen in meine Tasche.

Als ich im Zug sass, merkte ich, dass ich mein Buch vergessen hatte. Und: Nach der Hälfte der Fahrt war mein Handy-Akku leer!

31
Dez
2008

Beschwindelte Regierung

Immer zum Jahresende werden aus hart gesottenen Nachrichten-Schurnis* feinsinnige Kunstkritiker. Dann erscheint nämlich das Bundesratsbild, und dann werweissen die Herren (meist sind es Herren) an ihren Schreibtischen, was man uns Schweizern mit genau dieser Darstellung unserer Regierung wohl sagen wolle.

SCHWEIZ BUNDESRAT
(Quelle: Michael Stahl, Keystone)

Meniere-Patientin Frogg aber warf einen Blick auf die Bewegungsunschärfe der Schweizerkreuze im Foto und erkannte dessen Message ohne auch nur einen Moment nachzudenken. "Diese Kreuze drehen sich ja um den Bundesrat. Das bedeutet, dass die Schweiz einen Schwindelanfall hat!" rief sie aus, "Und zwar einen ziemlich heftigen, glaube ich. Die BundesrätInnen aber stehen felsenfest und lächeln sogar. Was bei diesem Drehtempo eine ziemliche Leistung ist!" Wie sie aus Erfahrung weiss.

Wir werden ja sehen, ob sie dann wirklich so aufrecht stehen, wenn es so weit ist!


* Berufsjargon für Journalisten

23
Dez
2008

Mann mit Hörgerät

Ich hatte ein Problem mit dem Computer. Irgendwo in den labyrinthischen Eingeweiden unserer beiden Grossraumbüros fand ich schliesslich einen Mann, der mir helfen konnte. Ein Neuer.

Sofort merkte ich, dass er anders war als all meine anderen Kollegen: Er liess mich warten. Er müsse erst etwas fertig machen, sagte er ruhig. Jemanden warten lassen: Das tut sonst keiner in unserem Laden. Der hier tat es. Ich sah ihm beim Arbeiten zu und entdeckte dabei über seinem linken Brillenbügel ein unauffälliges, schwarzes Teil.

"Hast Du ein Hörgerät?" fragte ich ihn aufgeregt, als er sich mir schliesslich zuwandte. Ich treffe nicht viele Leute mit Hörgerät. Ich war neugierig.

Ich sah, dass er erschrak. Verständlich: Leute mit Brillen gelten als ganz normal. Leute mit Hörgeräten gelten als behindert, ja debil.

Um ihn zu beruhigen, sagte ich hastiger als nötig: "Ich habe auch eins." Und lüftete die Frisur über meinem linken Ohr, die mein Oticon Tego so umstandslos verdeckt. Diese Geste ist mir immer ein bisschen peinlich. Als würde ich mich ausziehen.



Er lächelte und fragte, welche Marke ich habe und wusste gut Bescheid über das Ding. Dann sagte er: "Ich habe sogar ein Cochlea-Implantant. Ein Hörgerät allein würde mir nicht viel bringen."

Da begann ich etwas deutlicher mit ihm zu sprechen. Obwohl es wahrscheinlich nicht nötig gewesen wäre. Ich erzählte ihm, dass mein Hörgerät auch nicht das ganze Problem aus der Welt schaffe. Dass mein rechtes Ohr aber meistens in Ordnung sei und ich deshalb eigentlich gut zurechtkomme.

Dann wandten wir uns der Arbeit zu. Wir hatten es beide eilig. Aber ich hoffe, ich treffe ihn bald wieder. Ich will ihm etwa
100 Fragen stellen.

9
Dez
2008

Wenn die Welt sich dreht

Heute ging ich mit der Überzeugung durch die Stadt, dass ich einen Drehschwindelanfall bekommen würde. Manchmal weiss ich einfach, wenn einer im Busch ist. Ich weiss es, weil sich das linke Ohr so seltsam dicht anfühlt, wie mit Beton zugekleistert. Jaja, das klingt seltsam. Ist es auch. Gehört zu dieser idiotischen Krankheit.

Ich war guter Dinge, aber ich rechnete mit dem Schlimmsten. War auf alles vorbereitet. Das Antemin im Täschchen, die Absätze flach.

So tappte ich an einem Reisbüro für Studenten vorbei. Schickte mich an, einem Plakatständer mit günstigen Reiseangeboten nach Singapur und Japan auszuweichen. Sah einen hellblauen Globus auf weissem Grund und den Slogan auf der Tafel.

"The World Is Turning Around You".

Und musste lachen. Die meinten den Satz wohl nicht so wie ich ihn verstand.

Schwindelanfall hatte ich dann doch keinen.
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