13
Jun
2012

Die Grösse Asiens

Eigentlich könnte ich aufs Reisen gut verzichten. Ich wohne in Luzern, einer Touristenstadt. Wenn ich nachmittags auf dem Schwanenplatz innehalte und um mich blicke, dann sehe ich viel mehr als Luzern. Dann bekomme ich eine Ahnung von der Grösse Asiens. Es ist unvorstellbar, wie viele Inder, Japaner und Chinesen an einem gewöhnlichen Nachmittagen vor den Souvenir- und Uhrenläden auf- und abspazieren. An Sommernachmittagen verliert der Platz seine helvetische Geschäftigkeit. Er hat etwas Helles und Schwebendes wie die grossen Plätze in den Mittelmeerstädten am frühen Abend, wenn die Einwohner auf ihnen müssig gehen. Er scheint viel grösser als er ist. Ich muss mir dann gar nicht vorstellen, ich wäre in Mumbay oder Kalkutta. Ich habe etwas Phänomenales gesehen. Etwas, worüber ich staunen kann. Für dieses Staunen reist man doch. Oder nicht?

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walküre - 14. Jun, 17:34

Kennt man dieses Staunen nicht erst, nachdem man ferne Länder bereist hat ?

Hier in Wien staune ich derzeit mehr über den vehementen "My group here please"-Herdentrieb. :-)

diefrogg - 15. Jun, 10:43

Oh ja, der Herdentrieb!

Man muss wissen: Der Schwanenplatz ist ein grösserer Platz in unserer Innenstadt. Er ist auch ein Carparkplatz, und es befinden sich dort mehrere Uhren-, Schmuck- und Souvenirläden. Da ich im Moment viel Zeit habe, beobachte ich das Geschehen dort gerne, wenn ich mich mit jemandem verabredet habe und etwas früh da bin. Ich habe den Eindruck, dass es Touristen gibt, die aus dem Car steigen, in den Läden verschwinden, noch in bisschen auf dem Platz herumhängen - und dann wieder im Car verschwinden, um wegzufahren. Diese Art Tourismus ist ein gesellschaftliches Phänomen, das mich immer von Neuem beeindruckt. In den letzten 20 Jahren muss der Markt für solchen Tourismus etwa in Indien geradezu durch die Decke geschossen sein.
steppenhund - 15. Jun, 09:08

Entschuldigen Sie bitte meine oberlehrerhafte Korrektur. Sie schließen aus der Personendichte auf einem beschränkten Platz auf die Größe einer Region, die für so viele Menschen Platz haben sollte. Ich nehme einmal an, dass Sie das mit Größe ausdrücken wollten, andernfalls hätten sie ja ein philosophisches Beispiel angeführt.
Nun ist das Ergebnis der Schlussfolgerung richtig, doch die Herleitung ist falsch.
Denn selbst wenn es nur die Japaner wären, die in Scharen aufträten, würden Sie die gleiche Menschendichte empfinden. Doch die Japaner stammen von einer sehr beschränkten Vierinselfläche.
Wenn Sie aber wirklich Asien meinen, ist die Schlussfolgerung falsch, denn die Größe dieses Kontinents ermessen Sie eher daran, dass Sie 30 Minuten über Sibirien fliegen können ohne ein einziges Dorf zu sehen. Dann gibt es ein paar Lichter und dann geht es wieder 30 Minuten im Dunklen weiter. Bei so einem Nachtflug Tokyo-Moskau - und den bin ich doch häufig geflogen - kommen Sie ins Grübeln, was passieren würde, wenn die Maschine plötzlich irgendwo niedergehen müsste.
Wenn Sie über Menschendichte staunen wollen, dann müssen Sie natürlich wirklich in eine chinesische Großstadt. Dort sind die Menschenansammlungen so groß, wie Sie sie hier vielleicht bei einer Sportveranstaltung erleben. Allerdings mit einer Ausnahme. Sie müssen sich die gleiche Menschendichte, die Sie auf dem Schwanenplatz erlebt haben, von Luzern bis Zürich durchgehend(!) vorstellen. Als ich das 1984 das erste Mal in Wuhan erlebt habe, dankte ich dafür, dass ich nicht in China zur Welt gekommen bin. Denn ich könnte mir nicht vorstellen, wie dort in irgendeiner Weise individuell auftreten könnte. Allenfalls würde ich ins Kloster gehen.

diefrogg - 15. Jun, 10:37

Ja, ungefähr das...

stelle ich mir dann vor: einen Schwanenplatz von der Fläche unseres Mittellandes voller Plätze mit Menschen ;)
steppenhund - 15. Jun, 11:56

Ein einziger Platz! Ohne Strukturierung. Das ist das Beklemmende. Und der Platz erstreckt sich auch über die Berge hinweg. Ich habe da die Assoziation mit Wanderameisen (oder Killerameisen), von denen ich einmal als Zehnjähriger gelesen hatte. Heute habe ich weder Angst noch Ekel vor Ameisen. Aber lange Zeit habe ich schlimmste Gefühle gehabt, wenn ich mehr als drei Ameisen auf einmal gesehen habe.
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