25
Apr
2012

Ich muss mich verhört haben!

"Wird wohl nichts mit skifahren heute!" sagte Herr T. "Skifahren?! Hä?!" sagte Frau Frogg. Wir waren im Tessin, am Spazieren. Weit und breit kein Schnee. Unter uns glänzte bleifarben der Luganersee. Ja, es war kalt. Aber Skifahren? Davon war bislang nie die Rede gewesen. Herr T. brüllte: "Ich sagte Schifffahren! Es wird heute nichts mit Schifffahren auf dem Luganersee! Weil es bald regnen wird!"

Aha. Ich hatte mich verhört. Wieder mal. Ich verhöre mich oft in letzter Zeit. Das gehört zu den - manchmal - amüsanteren Aspekten meiner Schwerhörigkeit. Es muss ja schnell gehen beim Hören. Spricht B zu A, so registriert das Gehirn von A zunächst einen Haufen Laute und reiht sie dann blitzschnell zu einem Satz zusammen. Versteht A nicht genug, fragt er nach. Kann er nicht nachfragen (oder traut er sich nicht), so zieht er Kontextwissen bei - oder er assoziiert möglichst intelligent.

Bei mir gehts immer noch ziemlich schnell. Es muss schnell gehen, vor allem, wenn ich Radio höre oder fernsehe. Sonst kann ich nicht mehr folgen. Aber wegen meiner Schwerhörigkeit muss ich mir Sätze mit einer ziemlich schmalen Datenbasis zusammenreimen - was manchmal leicht surreal herauskommt, aber oft doch eine tiefere Wahrheit enthüllt. So sagte Philipp Müller, der neue Schweizer FDP-Präsident, am Sonntagabend am Fernsehen: "Ich will die FDP spartanischer und mit mehr Emotionen in die Zukunft führen." "Spartanisch", das macht doch Sinn: Die FDP spart schliesslich satanisch bei den Staatsausgaben, besonders bei den sozial benachteiligten Untertanen.

Aber, nein: Er hatte natürlich "spontaner" gesagt. Dafür profitierte Radrennfahrer Geraint Thomas gestern an der Tour de Romande "von trunkenen Bedingungen". War flüssiges Doping im Spiel? Nein, ein Verhörer, es waren "trockene Bedingungen". Natürlich: Auch so ist das kein richtiger deutscher Satz. Bedingungen können gut, schlecht oder schwierig sein. Aber nicht trocken oder nass. Aber so reden die am Schweizer Fernsehen, glaubt mir. Das macht es für mich einfacher. Ich meine: Muss man alles verstehen, wenn die Leute nicht mal richtig Deutsch können?

Auch am deutschen Fernsehen ist es nicht besser: Da führen Krankenhäuser "Fernlungen", nein, natürlich "Verhandlungen" - mit wem? Weiss ich nicht mehr. Aber die Assoziation ist hübsch, nicht?

Nur wie ich aus "Bergungsflügen" in den Radio-Nachrichten neulich "Erdnussflüge" gemacht habe, kann ich mir immer noch nicht erklären.

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books and more - 25. Apr, 12:45

So hat das Ganze ja sogar eine - manchmal - lustige Seite.
Gruß über die Berge,
B.

diefrogg - 25. Apr, 13:14

Ja, manchmal ;)

Herr books, ich sehe gerade, dass Ihr Blog nur noch für Mitglieder zugänglich ist. Schade :(
books and more - 25. Apr, 13:50

(Mail.)
Falkin - 25. Apr, 14:33

Die Erdnussfliege dürfte selbst Freud zu knabbern geben - ... zeugt aber doch von der gewitzten Kombinationsgabe Ihres Gehirnes, welches aus Assoziationen Wortbausteine geschickt zusammenzusetzt..



Wie schön zu lesen, dass sie die physischen Unberechenbarkeiten und all das unErhörte so mit Humor zu nehmen wissen!

diefrogg - 26. Apr, 11:25

Das ist ja ein goldiges...

Tierchen! Nicht unbedingt Herr Freud, dafür aber wohl die Herren Darwin und Linné dürfte ihre Freude daran haben!
Rockhound - 25. Apr, 20:00

So etwas kann einem durchaus auch passieren, wenn man meint, normal zu hören.

Neulich eine TV-Werbung, die ich aber nur gehört, nicht gesehen habe, weil gerade abgelenkt: Es geht um den Silence-Force-Extreme-Staubsauger, dieser wird heftig auf SF1 beworben. Ich habe verstanden "Silence for Sexdream" und fand das einen echt gelungenen (und sogar nachvollziehbaren) Namen für einen Staubsauger.

diefrogg - 26. Apr, 11:26

Köstlich!

Daran werde ich mich erinnern, wenn ich den Werbespot nächstes Mal sehe!
Rockhound - 26. Apr, 11:52

Nicht, dass Du das jetzt falsch verstehst, aber falls Du den Werbespots mal siehst: Genau hinhören! ;-)
diefrogg - 27. Apr, 19:19

:)))

walküre - 27. Apr, 14:23

Solche Verhörer passieren mir regelmäßig, wenn ich psychisch überlastet bin. Oder ich höre einzelne Laute und Wörter und verstehe deren Sinn nicht. Für mich ist das dann immer ein Zeichen, umgehend ein paar Gänge zurückzuschalten ...
Bei den Privatsendern untereinander fällt mir übrigens auf, dass die Tonqualität zum Teil sehr stark variiert, oft sogar von Sendung zu Sendung bei ein und demselben Sender.

btw: "Trunken" und "spartanisch" sind viel zu niveauvolle Begriffe, um in der heutigen Fernsehwelt Verwendung zu finden. :-)

diefrogg - 27. Apr, 19:19

Bei den Privatsendern...

variiert nicht nur die Tonqualität stark - leider fehlen meist auch Untertitel. Was mit ein Grund ist, weshalb ich in letzter Zeit nur noch öffentlich rechtliche Sender geguckt habe - nicht, dass ich die Privatsender sehr vermisst habe!

Am meisten aber ärgere ich mich im Moment über Arte: Da bringen die doch zweimal hintereinander am Mittwoch (diese und letzte Woche) einen Film, in dem es um die Folgen von Behinderungen geht. Am letzten Mittwoch ging es in einem Spielfilm sogar um eine stark schwerhörige Frau. Stolz verkündet man dann, es gäbe eine Hörfilm-Fassung für Sehbehinderte. Aber Untertitel für Schwerhörige? Vergessen Sie's! Das hat mich schon geärgert, auch wenn ich anerkenne, dass der Hörfilm für Sehbehinderte eine zivilisatorische Errungenschaft ist.

Ich habe mir tatsächlich auch schon überlegt, ob die Verhörer nicht auch Folge einer Konzentrationsschwäche sein könnten. Ich meine: Ich weiss ja, dass ich schwerhörig bin und genau hinhören - und nachfragen - sollte. Möglicherweise ist es eine Kombination von beidem - die Schwerhörigkeit hat auch oft Müdigkeit und - leider - ein gewisses Desinteresse zur Folge. So verfolge ich ganze Krimis, ohne den Plot wirklich zu erfassen oder das Personal wirklich zu kennen. Allerdings bin ich dann jeweils auch zu müde, um etwas zu lesen, worin Wörter wie "spartanisch" und "trunken" wirklich ihren Platz hätten ;) Ich beneide Sie darum, dass Sie in solchen Lebenslagen noch einen Gang zurückschalten können. Ich weiss im Moment nicht, wo ich noch zurückschalten könnte, ohne zu verhungern.
walküre - 27. Apr, 20:36

Was das Zurückschalten anbelangt, so meine ich damit mein Innenleben: Grübeln, Sorgen, unerfreuliche Gedanken. Positiver Stress bewirkt bei mir niemals solche Symptome, negativer sehr wohl (Beispiel: die Wochen vor dem Tod meiner Eltern).
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