Bär im Bus
Neulich setzte sich der Bär im Bus neben mich. Ich erkannte ihn sofort. Als er so nahe sass, fiel mir zu ersten Mal auf, wie sehr seine Krankheit ihn gezeichnet hat. Er hat einen Kopf wie ein gerupfter Vogel mit seinen dünnen Lippen, seinen aufgeschwemmten Backen und seinem dürren Hals.
Wir waren am selben am Gymnasium. Aber ich glaube nicht, dass er sich an mich erinnert. Er galt als Musik-Crack und einmal habe ich ihn angesprochen und ihm gesagt, er solle mir alles über den Punk erzählen. Er sah nicht schlecht aus. Die Haare fielen ihm schräg ins Gesicht. Er hatte damals schon etwas Wildes im Blick. Vielleicht nannte ich ihn deshalb "der Bär".
Als ich nach Jahren anderswo in unsere Stadt zurückkam, sah ich ihn oft ziellos herumgehen. Er redete mit sich selber, und sein Blick war verstört. Er musste den Verstand verloren haben.
Ich kannte zwei Männer, die in ihren jungen Jahren psychisch krank wurden. Beide erkannten, dass ihnen das Leben in diesem sauberen Land keine Perspektiven bieten konnte. Sie hatten den Anstand, sich selber aus dem Weg zu räumen (sollte jemand Zweifel haben, ob ich das zynisch meine: Ja, ich meine es zynisch). Der eine sprang aus dem achten Stock. Der andere warf sich vor einen Zug.
Nicht der Bär. Der Bär wählte das Leben. Jahr für Jahr streifte er durch die Strassen der Stadt. Jahr für Jahr redete er auf seine Dämonen ein.
Ich habe nie mehr mit ihm gesprochen. Um ehrlich zu sein: Ich fürchte mich vor Männern, die auf der Strasse mit sich selber reden. Am Ende werde ich noch Teil seiner Paranoia, dachte ich.
Aber als er nach zwei Stationen ausstieg, war mein Herz voller Kummer.
Und hier der Song zum Sonntag.
Und zur politischen Gross- und Kleinwetterlage. Mick Jagger soll über diesen Song gesagt haben: "Es ist eine Art Ende-der-Welt-Lied, wirklich. Es ist die Apokalypse; die ganze Aufnahme."
Wir waren am selben am Gymnasium. Aber ich glaube nicht, dass er sich an mich erinnert. Er galt als Musik-Crack und einmal habe ich ihn angesprochen und ihm gesagt, er solle mir alles über den Punk erzählen. Er sah nicht schlecht aus. Die Haare fielen ihm schräg ins Gesicht. Er hatte damals schon etwas Wildes im Blick. Vielleicht nannte ich ihn deshalb "der Bär".
Als ich nach Jahren anderswo in unsere Stadt zurückkam, sah ich ihn oft ziellos herumgehen. Er redete mit sich selber, und sein Blick war verstört. Er musste den Verstand verloren haben.
Ich kannte zwei Männer, die in ihren jungen Jahren psychisch krank wurden. Beide erkannten, dass ihnen das Leben in diesem sauberen Land keine Perspektiven bieten konnte. Sie hatten den Anstand, sich selber aus dem Weg zu räumen (sollte jemand Zweifel haben, ob ich das zynisch meine: Ja, ich meine es zynisch). Der eine sprang aus dem achten Stock. Der andere warf sich vor einen Zug.
Nicht der Bär. Der Bär wählte das Leben. Jahr für Jahr streifte er durch die Strassen der Stadt. Jahr für Jahr redete er auf seine Dämonen ein.
Ich habe nie mehr mit ihm gesprochen. Um ehrlich zu sein: Ich fürchte mich vor Männern, die auf der Strasse mit sich selber reden. Am Ende werde ich noch Teil seiner Paranoia, dachte ich.
Aber als er nach zwei Stationen ausstieg, war mein Herz voller Kummer.
Und hier der Song zum Sonntag.
Und zur politischen Gross- und Kleinwetterlage. Mick Jagger soll über diesen Song gesagt haben: "Es ist eine Art Ende-der-Welt-Lied, wirklich. Es ist die Apokalypse; die ganze Aufnahme."
diefrogg - 28. Nov, 13:32
7 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
katiza - 28. Nov, 13:44
Oh ja, Frau Frogg, Shelter und Mercy, was für ein seelenvoller Text, Danke.
diefrogg - 28. Nov, 13:50
Die Sisters of Mercy...
habe ich gar nicht gekannt! Dabei habe war ich damals offen für Gothic und so. Ich habe sogar eine CD von Siouxsie and the Banshees! Die Interpretation ist durchaus interessant. Auch wenn ich in der Version der Rolling Stones die relativ melodiöse Gitarre sehr gut mag (obwohl ich sonst nicht so viel auf die Stones gebe wie es sich vielleicht gehört).
katiza - 28. Nov, 14:23
Oh ja, schlimme Mädchen Musik - darf ich Sie auf eine Zeitreise mitnehmen, Frau Frogg?
diefrogg - 28. Nov, 14:38
Jaaa!!!!
DER Song gehört eigentlich in meine Rubrik "10 Songs"! Ich habe ihn mit 20 immer im Zug gehört, als ich in England lebte. Grossartig! Überhaupt meine Lieblings-Interpretation von "The Passenger". Wobei ich das hier auch ganz interessant finde! Als ich das sah, habe ich endlich begriffen, was manche Leute an Iggy Pop finden.
Walter B - 29. Nov, 15:17
Bitte ...
... sich nicht vonYou Tube ablenken lassen! Die Bärengeschichte ist wundervoll, ja, voller Seele, wie katiza gesagt hat. Und ich deute die Geschichte – abgesehen davon, dass sie bestimmt zu hundert Prozent erlebt ist – als poetisch-melancholischen Kommentar zum Ausgang der Abstimmung von gestern Sonntag.
Ich empfinde Dankbarkeit dafür. Frage mich nicht, wofür genau, aber ich empfinde Dankbarkeit dafür ...
Ich empfinde Dankbarkeit dafür. Frage mich nicht, wofür genau, aber ich empfinde Dankbarkeit dafür ...
diefrogg - 29. Nov, 19:10
Das freut mich jetzt,
wirklich sehr, Walter, dass Du nochmals auf den Text zurückkommst. Und noch mehr freut es mich, dass er Dir etwas gegeben hat. Ich schrieb ihn, als die Resultate zur Steuer-Initiative draussen waren. Aber noch nicht jene zur Ausschaffungs-Initiative. Ich habe also schon an Politik gedacht, als ich ihn schrieb - ohne ihn eigentlich politisch zu meinen. Aber das verbietet nicht, dass man ihn politisch liest.
Anders sieht es beim Song aus. Den habe ich gesucht, weil ich etwas, suchte, was soundmässig dieses Gefühl von verhaltener Aggression zum Ausdruck bringt und diese leise Weltuntergangs-Stimmung, die mich befällt, wenn ich dieser Tage in die Medien blicke. Wir haben ja hierzulande gestern Völkerrecht in den Wind geworfen. Das ist doch etwas Elementares. Das ist schon ein kleiner Weltuntergang. "War, children, is just a shot away..."
Das diese Frau (sie heisst Lisa Fisher, glaube ich) hier kurz Mick Jagger an die Wand singt mildert die Sache nicht wirklich.
Anders sieht es beim Song aus. Den habe ich gesucht, weil ich etwas, suchte, was soundmässig dieses Gefühl von verhaltener Aggression zum Ausdruck bringt und diese leise Weltuntergangs-Stimmung, die mich befällt, wenn ich dieser Tage in die Medien blicke. Wir haben ja hierzulande gestern Völkerrecht in den Wind geworfen. Das ist doch etwas Elementares. Das ist schon ein kleiner Weltuntergang. "War, children, is just a shot away..."
Das diese Frau (sie heisst Lisa Fisher, glaube ich) hier kurz Mick Jagger an die Wand singt mildert die Sache nicht wirklich.
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