Alptraum
Als ich letzten Winter krank war, hatte ich fast Nacht für Nacht denselben Traum. Immer führte er mich zurück zur Stunde Null meiner Existenz. Es war 1993 oder 94, eine Zeit totaler Verwirrung. Ich hatte gerade fertig studiert. Ich wohnte in zwei Städten und pendelte zwischen bis zu drei Städten und einem behäbigen Kantonshauptort. Meine Jugendliebe hatte ich mir selber vom Hals geschafft. Meine Freunde sassen überall - nur nicht dort, wo ich jeweils gerade war. Und dann musste ich auch noch lernen, dass ich mich im Beruf meiner Wahl vertan hatte: Ich taugte nicht zur Bibliothekarin. Ich war 28 und wusste nicht, ob ich überhaupt zu etwas taugte.
Immer suche ich im Traum wie verrückt einen Job, eine Wohnung, ein Zuhause. Immer habe ich den Stress von damals, die Verlorenheit. Immer läuft alles anders als es dann wirklich gelaufen ist. Wenn ich aufwachte, brauche ich oft Minuten, bis ich sicher bin: Mein Gott, drüben liegt doch Herr T. und schläft! Ich habe doch eine Stelle! Ich habe das alles hinter mir. Ich bin jedesmal wahnsinnig erleichtert. Auch als ich im Wachzustand ein kaputtes Gehör hatte.
"Warum habe ich diesen vermaledeiten Traum?!" dachte ich manchmal. "Ich habe doch so schon genügend Probleme!"
Gestern Nacht hatte ich wieder denselben Traum. Aber ich schlief unruhig, und im Halbschlaf verstand ich ihn plötzlich.
Irgendwie stehe ich jetzt wieder an der Stunde Null meiner Existenz. Ich habe fast alle Pläne sistiert, die ich einmal gehabt habe. Ich habe keine Ahnung, was meine Gesundheit in den nächsten Jahren mit mir machen wird. Ich habe nicht einmal mehr Wunschträume.
Es ist, als wollte ich nochmals von vorne beginnen und alles anders machen. Es ist, als suchte ich die Kräfte, die ich damals gehabt habe.
Immer suche ich im Traum wie verrückt einen Job, eine Wohnung, ein Zuhause. Immer habe ich den Stress von damals, die Verlorenheit. Immer läuft alles anders als es dann wirklich gelaufen ist. Wenn ich aufwachte, brauche ich oft Minuten, bis ich sicher bin: Mein Gott, drüben liegt doch Herr T. und schläft! Ich habe doch eine Stelle! Ich habe das alles hinter mir. Ich bin jedesmal wahnsinnig erleichtert. Auch als ich im Wachzustand ein kaputtes Gehör hatte.
"Warum habe ich diesen vermaledeiten Traum?!" dachte ich manchmal. "Ich habe doch so schon genügend Probleme!"
Gestern Nacht hatte ich wieder denselben Traum. Aber ich schlief unruhig, und im Halbschlaf verstand ich ihn plötzlich.
Irgendwie stehe ich jetzt wieder an der Stunde Null meiner Existenz. Ich habe fast alle Pläne sistiert, die ich einmal gehabt habe. Ich habe keine Ahnung, was meine Gesundheit in den nächsten Jahren mit mir machen wird. Ich habe nicht einmal mehr Wunschträume.
Es ist, als wollte ich nochmals von vorne beginnen und alles anders machen. Es ist, als suchte ich die Kräfte, die ich damals gehabt habe.
diefrogg - 12. Okt, 18:40
14 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
romeomikezulu - 12. Okt, 21:28
"Es ist, als suchte ich die Kräfte, die ich damals gehabt habe..."
Und da Du sie damals auch gefunden hattest, erinnert sich ein Teil von Dir daran und sendet Dir als Startsignal
für dieses Mal wieder jenen Traum - hört sich fast schon zwingend logisch an, oder?
Firestarter - was für ein grandioses Stück! Ich verbinde sehr intensive Erinnerungen mit dem Lied.
Und da Du sie damals auch gefunden hattest, erinnert sich ein Teil von Dir daran und sendet Dir als Startsignal
für dieses Mal wieder jenen Traum - hört sich fast schon zwingend logisch an, oder?
Firestarter - was für ein grandioses Stück! Ich verbinde sehr intensive Erinnerungen mit dem Lied.
diefrogg - 12. Okt, 21:56
Klingt logisch...
ist aber ziemlich anstrengend, ehrlich gesagt ;)
Was "Firestarter" betrifft: Ich kannte den Song in den späten 90ern überhaupt nicht. Aber kürzlich erinnerte ich mich, dass ich damals irgendwo eine euphorische Kritik über ein Album namens "The Fat of The Land" gelesen hatte. Der Titel imponierte mir, aber ich bin der Sache damals nicht nachgegangen. Jetzt habe ich das Video verwendet, weil es so etwas Alptraumhaftes, Groteskes hat... Wie übrigens jenes von "Breathe", an den ich mich vage erinnere. Heftiger Sound, das! Sehr tanzbar, habe ich eben festgestellt!
Was "Firestarter" betrifft: Ich kannte den Song in den späten 90ern überhaupt nicht. Aber kürzlich erinnerte ich mich, dass ich damals irgendwo eine euphorische Kritik über ein Album namens "The Fat of The Land" gelesen hatte. Der Titel imponierte mir, aber ich bin der Sache damals nicht nachgegangen. Jetzt habe ich das Video verwendet, weil es so etwas Alptraumhaftes, Groteskes hat... Wie übrigens jenes von "Breathe", an den ich mich vage erinnere. Heftiger Sound, das! Sehr tanzbar, habe ich eben festgestellt!
romeomikezulu - 16. Okt, 12:32
Wenn Dir Alptraumhaftes, Groteskes gefällt, magst Du sicher auch Filme von Terry Gilliam?
Oder dieses andere Video von der gleichen Prodigy-Scheibe, jenes zu dem besten Stück auf der Platte?
(Wenn's geht nicht unbedingt vor dem Essen angucken.)
Oder dieses andere Video von der gleichen Prodigy-Scheibe, jenes zu dem besten Stück auf der Platte?
(Wenn's geht nicht unbedingt vor dem Essen angucken.)
diefrogg - 19. Okt, 18:34
Also, das ist tatsächlich...
etwas für gute Nerven. Mir tun die Mädchen leid.
Täuschblume - 13. Okt, 10:40
liebe Frau Frogg,
Träume habens in sich. Ich war neulich am tatsächlichen Ort meines Wiederholungstraums.
Ich stand leibhaftig mit Wanderschuhen vor der Skiabfahrtspiste meiner Kindheit auf einem kuhpfützigen Steilhang ob Sörenberg.
Und übrigens ist das hier mein Einstand hier bei dir. Endlich.
Träume habens in sich. Ich war neulich am tatsächlichen Ort meines Wiederholungstraums.
Ich stand leibhaftig mit Wanderschuhen vor der Skiabfahrtspiste meiner Kindheit auf einem kuhpfützigen Steilhang ob Sörenberg.
Und übrigens ist das hier mein Einstand hier bei dir. Endlich.
diefrogg - 13. Okt, 11:58
Ja, wirklich! Endlich!
Toller Nick, liebe Täuschblume! Über die Sache mit dem kuhpfützigen Steilhang frage ich dann gerne morgen nach!
ConAlma - 14. Okt, 16:23
Liebe Frau Frogg,
ich lese seit einiger Zeit hier und bin sehr berührt. Ich kenne auch solche Wiederholungsträume, die sich über Jahrzehnte ziehen; immer wieder kulminieren sie zu einer bestimmten Zeit, die auch die eines neuen Aufbruches ist. Manchmal versteht man sie sofort, dann wieder braucht es eine Zeit.
Ich wünsche ihnen alle Kräfte, die Sie benötigen!
ich lese seit einiger Zeit hier und bin sehr berührt. Ich kenne auch solche Wiederholungsträume, die sich über Jahrzehnte ziehen; immer wieder kulminieren sie zu einer bestimmten Zeit, die auch die eines neuen Aufbruches ist. Manchmal versteht man sie sofort, dann wieder braucht es eine Zeit.
Ich wünsche ihnen alle Kräfte, die Sie benötigen!
diefrogg - 16. Okt, 12:01
Danke!
Kurz nachdem ich den Eintrag geschrieben hatte, habe ich bei Ihnen via Frau Walküre den Eintrag über Mimi und Charlie gelesen. Und ein bisschen kam ich mir vor wie die demente alte Frau, bei der sich offenbar Wirklichkeit, Traum und Erinnerung seltsam zu vermischen begannen.
steppenhund - 15. Okt, 14:36
[OT]
Gänzlich OT, obwohl die Thematik auch oft mit Träumen zu tun hat:
ich gratuliere Ihnen zu den 57km, die in ein paar Jahren einen Schweizer Weltrekord darstellen werden. Derartige Bauunternehmungen geben mir den Eindruck, ein Stück Weltgeschichte miterlebt zu haben.
Unsere alten Beiträge finde ich selbst jetzt leider nicht mehr. Meine sind schon längst in Archive gewandert...
-
Für alle Mitleser, die jetzt nur mehr Bahnhof verstehen: es geht um einen Tunnel.
ich gratuliere Ihnen zu den 57km, die in ein paar Jahren einen Schweizer Weltrekord darstellen werden. Derartige Bauunternehmungen geben mir den Eindruck, ein Stück Weltgeschichte miterlebt zu haben.
Unsere alten Beiträge finde ich selbst jetzt leider nicht mehr. Meine sind schon längst in Archive gewandert...
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Für alle Mitleser, die jetzt nur mehr Bahnhof verstehen: es geht um einen Tunnel.
diefrogg - 16. Okt, 11:59
Danke!!!
Natürlich habe ich da unten nie selbst Hand angelegt (nicht einmal journalistisch, was allerdings eher Zufall ist). Aber wir SIND natürlich alle stolz und erfreut!
Und ich bereite mich bereits darauf vor, meinen Patenkindern noch einmal die alte Gotthardstrecke (mit den Kehrtunnels) zu zeigen, vor allem dem Buben Tim, der ein grosser Eisenbahn-Fan ist. Im Moment wissen wir ja noch nicht, ob die uns erhalten bleiben.
Und ich bereite mich bereits darauf vor, meinen Patenkindern noch einmal die alte Gotthardstrecke (mit den Kehrtunnels) zu zeigen, vor allem dem Buben Tim, der ein grosser Eisenbahn-Fan ist. Im Moment wissen wir ja noch nicht, ob die uns erhalten bleiben.
Kätzerin - 16. Okt, 03:49
"Tunnel"....
ich verstehe Steppenhund, dabei gibt's bestimmt auch für dieses Jahrhundertbauwerk zahlreiche Für und Wider. Und Wiederholungsträume durchstehe auch ich diverse, deren Sinn scheint mir derweil klar zu sein, es handelt sich dabei wie meist bei mir lediglich um Traumsequenzen und zwar bereits seit einem knappen halben Jahrhundert. Du selber hast den Sinn von Deinen albtraumhaften Szenen meines Erachtens auch begriffen, bzw. er ist Dir nahe gebracht worden; Du stehst eben doch ähnlich da wie damals. Es schaut aber beruflich nicht schlecht aus für Dich, ich wünsche Dir in jeder Hinsicht alles Gute und Kraft, die edith.
diefrogg - 16. Okt, 12:03
Tja, für Für und Wider...
ist es jetzt zu spät. Wir haben damals in Volksabstimmungen die Sache gutgeheissen (der Autoverkehr über den Gotthard war uns zu viel). Jetzt ist die Sache fast fertig. Fehlt nur noch eine konsequente Anbindung des Tunnels durch die EU. Da fühlen wir uns im Moment (noch) ein wenig im Stich gelassen.
Ihnen auch Dank für die guten Wünsche, Frau Kätzerin!
Ihnen auch Dank für die guten Wünsche, Frau Kätzerin!
katiza - 16. Okt, 09:20
Ich wünschte manchmal, ich könnt mich an meine Träume erinnern. Ihnen, liebe Frau Frogg, wünsche ich wieder Wunschträume, Tag und Nacht, und die Kraft, sie umzusetzen.
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