Liebeskrank
Das Schreiben ist meine älteste Liebe. Ich begann zu schreiben, als ich fünf war. Ich weiss nicht, warum. Man weiss ja meist nicht, warum man Dinge tut, wenn man fünf ist. Meine Nichten, acht und elf, schreiben auch. Es muss eine vererbbare Krankheit sein.
In meinen Teenager-Jahren kam das Schreiben aus einem tief liegenden Teil meines Gehirns, in dem im Grunde viel Unsagbares ist. Schreiben war der Austragungsort meiner Tagträume, eine Selbst-Projektion. Eine Auseinandersetzung mit den Vorgängen des Erwachsenwerdens. Mit 13 verlor ich mich in einem Projekt, das zwei Jahre meines Lebenszeit frass. Bis ich merkte, dass ich nicht nur auf dem Papier Teenager sein wollte, sondern auch im wirklichen Leben. Beides - so erschien es mir jedenfalls damals - ging nicht.
Mit 20 nahm ich dann doch an einem Literaturwettbewerb teil. Man schickte mir nicht einmal mein Manuskript zurück. Das wertete ich als sehr schlechtes Zeichen.
Dennoch studierte ich Literaturwissenschaften. Aber ich vertraute der Literatur im Grunde nicht. Ich merkte, dass ich ihr eigentlich noch nie vertraut hatte. Wo hätte ich dieses Vertrauen auch lernen sollen? Ich kam aus einem relativ bildungsfernen Haushalt und war ein Mädchen. Der Haushalt und die Arbeit waren immer und aus Myriaden von Gründen ehrenwerter als die Literatur.
Dennoch veröffentlichte ich am Ende meines Studiums einen kleinen Roman, einen Fortsetzungsroman in einem lokalen Magazinchen. Es war ein Experiment, und es floppte.
Das machte nichts. Ich war sowieso andersweitig beschäftigt: Ich musste mir eine Existenz aufbauen. Ich wurde Journalistin. Das schien folgerichtig, und ich lernte viel: dass Schreiben per definitionem öffentlich ist und folglich die Kunst des Kommunizierbaren. Man denkt beim journalistischen Schreiben immer zuerst an die Sache und dann sehr schnell an den Leser. Journalistisches Schreiben passiert vornehmlich im vordersten Teil des Bewusststeins.
Genau mit dieser Geisteshaltung schrieb ich auch meinen Blog und meinen Krimi. Der Krimi bescherte wenigstens meiner Freundin Helga und mir ein paar glückliche Gespräche. Den Blog kennt ihr.
Bald werde ich 49. Als Journalistin habe ich mehr oder weniger ausgedient. Ich habe Zeit zu pröbeln. Ich merke, wie ich literarisch in meine Teenager-Zeit zurückdrifte. Wie aus kleinen Projekten wieder diese Wülste werden, in die ich alles hineinpacken will - und die mich emotional absorbieren wie ein schwieriger Liebhaber. 48 Jahre Leben, aus dem tieferen Teil meines Gehirns bestürmen mich die Ideen, die Erinnerungsfetzen, die Dramen.
Halten sie der Realität einer sauberen Recherche stand? Hat das alles überhaupt noch einen Sinn? Wo führt es hin?
Wäre es nicht gesünder, wenn ich mich einfach aufs Sofa legen und die Bücher anderer Leute lesen würde? Ich weiss es nicht. Es beunruhigt mich.
In meinen Teenager-Jahren kam das Schreiben aus einem tief liegenden Teil meines Gehirns, in dem im Grunde viel Unsagbares ist. Schreiben war der Austragungsort meiner Tagträume, eine Selbst-Projektion. Eine Auseinandersetzung mit den Vorgängen des Erwachsenwerdens. Mit 13 verlor ich mich in einem Projekt, das zwei Jahre meines Lebenszeit frass. Bis ich merkte, dass ich nicht nur auf dem Papier Teenager sein wollte, sondern auch im wirklichen Leben. Beides - so erschien es mir jedenfalls damals - ging nicht.
Mit 20 nahm ich dann doch an einem Literaturwettbewerb teil. Man schickte mir nicht einmal mein Manuskript zurück. Das wertete ich als sehr schlechtes Zeichen.
Dennoch studierte ich Literaturwissenschaften. Aber ich vertraute der Literatur im Grunde nicht. Ich merkte, dass ich ihr eigentlich noch nie vertraut hatte. Wo hätte ich dieses Vertrauen auch lernen sollen? Ich kam aus einem relativ bildungsfernen Haushalt und war ein Mädchen. Der Haushalt und die Arbeit waren immer und aus Myriaden von Gründen ehrenwerter als die Literatur.
Dennoch veröffentlichte ich am Ende meines Studiums einen kleinen Roman, einen Fortsetzungsroman in einem lokalen Magazinchen. Es war ein Experiment, und es floppte.
Das machte nichts. Ich war sowieso andersweitig beschäftigt: Ich musste mir eine Existenz aufbauen. Ich wurde Journalistin. Das schien folgerichtig, und ich lernte viel: dass Schreiben per definitionem öffentlich ist und folglich die Kunst des Kommunizierbaren. Man denkt beim journalistischen Schreiben immer zuerst an die Sache und dann sehr schnell an den Leser. Journalistisches Schreiben passiert vornehmlich im vordersten Teil des Bewusststeins.
Genau mit dieser Geisteshaltung schrieb ich auch meinen Blog und meinen Krimi. Der Krimi bescherte wenigstens meiner Freundin Helga und mir ein paar glückliche Gespräche. Den Blog kennt ihr.
Bald werde ich 49. Als Journalistin habe ich mehr oder weniger ausgedient. Ich habe Zeit zu pröbeln. Ich merke, wie ich literarisch in meine Teenager-Zeit zurückdrifte. Wie aus kleinen Projekten wieder diese Wülste werden, in die ich alles hineinpacken will - und die mich emotional absorbieren wie ein schwieriger Liebhaber. 48 Jahre Leben, aus dem tieferen Teil meines Gehirns bestürmen mich die Ideen, die Erinnerungsfetzen, die Dramen.
Halten sie der Realität einer sauberen Recherche stand? Hat das alles überhaupt noch einen Sinn? Wo führt es hin?
Wäre es nicht gesünder, wenn ich mich einfach aufs Sofa legen und die Bücher anderer Leute lesen würde? Ich weiss es nicht. Es beunruhigt mich.
diefrogg - 9. Mär, 09:07
16 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
walküre - 10. Mär, 14:45
Dass es gesünder wäre,
glaube ich nicht. Es ist meines Erachtens nie gesund, Kreativität jedweder Art langfristig zu verdrängen. Und die Sache mit der sauberen Recherche ist insofern relativ, als Sie ja schließlich je nach Genre auch über die Macht verfügen, Dinge und Zusammenhänge schlichtweg zu erfinden.
Merkwürdig. Wenn ich so zurückdenke, dann habe ich in Ihren Blogs immer gerne gelesen, hatte aber mitunter den Eindruck, als hätten Sie einen Teil dessen, was Sie schreiben wollten, mit Gewalt zurückgehalten.
Go for it, Frau Frogg!!!
Merkwürdig. Wenn ich so zurückdenke, dann habe ich in Ihren Blogs immer gerne gelesen, hatte aber mitunter den Eindruck, als hätten Sie einen Teil dessen, was Sie schreiben wollten, mit Gewalt zurückgehalten.
Go for it, Frau Frogg!!!
diefrogg - 10. Mär, 19:27
Na, da machen Sie...
aber wieder mal die Tür zu einem weiten Feld auf Frau Walküre! Ich hätte Dinge "mit Gewalt zurückgehalten..." Tsss. Da frage ich jetzt mal lieber nicht nach Beispielen ;)
Wissen Sie, das kann auch damit zu tun haben, dass ich auf meinem Blog zwar das Herz auf der Zunge trage und viel mehr jammere als andere Leute. Aber ALLES erzähle ich dann doch nicht jedem.
Wissen Sie, das kann auch damit zu tun haben, dass ich auf meinem Blog zwar das Herz auf der Zunge trage und viel mehr jammere als andere Leute. Aber ALLES erzähle ich dann doch nicht jedem.
walküre - 10. Mär, 21:04
Meine Bemerkung war nicht auf den Inhalt bezogen, sondern mehr auf den Stil, in der Art, dass mir vorkam, sie hätten sich oft zum eher journalistischen Schreiben gezwungen. Wenn Ihnen etwas sehr nahe geht, fällt diese Schranke weg, und in diesem Moment treffen mich Ihre Texte mitten ins Herz (Und es würde mich wundern, wenn es nur mir so ginge.).
diefrogg - 11. Mär, 21:26
Ja, das habe ich...
vielleicht immer ein bisschen unterschätzt, das Emotionale am Schreiben. Es hat mich nie gereizt. Diese blöden Metaphern für Gefühle, die ich selber haben kann, ohne mir Worte dazu erfinden zu müssen. Aber jetzt springt es mich plötzlich von hinten an.
tinius - 10. Mär, 21:26
Es gibt Fragen, die nicht zu beantworten sind, etwa die : "Wo führt es hin ?" Das weiß wohl kaum ein Schreiber. Es gibt Fragen, die nur Du beantworten kannst : "Will ich schreiben ? Ist es gesünder, das nicht zu tun ?" Es gibt Fragen, die beantworten sich von selbst - beim Tun : "Hält das alles einer Recherche stand ?" "Ist es notwendig, daß es das tut ?" In der Prosa ist die Anforderung der Zeit die genaue Recherche, die Tätigkeit als Journalistin begünstigt die Fragestellung zudem. Das Fiktionale in jedwedem literarischen Text läßt aber Spielraum, Recherche, Geschichte und Aussage durch Bearbeiten in Einklang zu bringen, was vermutlich die Aufgabe eines jeden "Erzählers" ist. LG tinius
diefrogg - 11. Mär, 21:18
Herr tinius,
Ich möchte mich extra für diesen Kommentar bedanken. Genau das brauchte ich. Das ist eine glasklare Analyse und sehr hilfreich. Ich sehe schon: Da hat sich ein Profi zu Wort gemeldet ;)
iGing - 10. Mär, 22:30
Ihren Text und alle Kommentare zusammengenommen, ergibt sich folgendes Bild: Es scheint Ihre Aufgabe zu sein, einen historischen Roman zu schreiben, liebe Frau Frogg!
speedhiking - 11. Mär, 00:10
Schreiben, so war mein erster Gedanke, wäre ja auch eine Tätigkeit, die sich von diversen Einschränkungen des Gehörs ungestört gestalten ließe. Und Journalismus ist für jedwede Art des Schreibens (vielleicht gar für dessen eventuelle Vermarktung) ein ausgezeichneter Hintergrund. Wie der Fundus an Lebenserfahrungen.
diefrogg - 11. Mär, 21:20
Also...
das mit dem Gehör ist so eine Sache. Diese Erfahrung wird wohl auch in mein Schreiben einfliessen.
Allerdings muss ich gestehen, dass ich es auch als Einschränkung empfinde, es schränkt die schiere Menge der möglichen Wahrnehmungen ein.
Und was dann draus wird - und ob etwas vermarktet werden kann: Wir werden sehen...
Allerdings muss ich gestehen, dass ich es auch als Einschränkung empfinde, es schränkt die schiere Menge der möglichen Wahrnehmungen ein.
Und was dann draus wird - und ob etwas vermarktet werden kann: Wir werden sehen...
steppenhund - 11. Mär, 13:57
Tja, dieser Text veranlasst mich, kleine Pausen zum Schreiben zu verwenden. Obwohl ich damit erst in 2 Jahren anfangen wollte, denke ich jetzt, ich sollte keine Zeit verschwenden.
Und natürlich wird es ein weltberühmtes Buch werden:)
P.S. De facto wird es ähnlich konzipiert sein, wie eine Mischung aus "Schöne neue Welt" und "1984".
Und natürlich könnte ich als "Titel 2041" nehmen. Ungefähr 2080 wäre ich dann ziemlich berühmt :) :)
Und natürlich wird es ein weltberühmtes Buch werden:)
P.S. De facto wird es ähnlich konzipiert sein, wie eine Mischung aus "Schöne neue Welt" und "1984".
Und natürlich könnte ich als "Titel 2041" nehmen. Ungefähr 2080 wäre ich dann ziemlich berühmt :) :)
steppenhund - 11. Mär, 14:33
Jossele - 11. Mär, 14:14
Tja, die Frage nach Sinn und wo es hin führt, wozu stellen sie sich die?
Einfach schreiben. Können tun sie`s ja.
Ob da jetzt Wülste werden könnten oder brilliante Würfe sieht man erst nachher, und da gibt es, sofern sie elektronisch schreiben, ja immer noch Möglichkeiten.
Einfach schreiben. Können tun sie`s ja.
Ob da jetzt Wülste werden könnten oder brilliante Würfe sieht man erst nachher, und da gibt es, sofern sie elektronisch schreiben, ja immer noch Möglichkeiten.
diefrogg - 11. Mär, 16:04
@alle
Danke für die vielen ermutigenden Kommentare! Jetzt bleibt mir gar nichts mehr anderes übrig als dranzubleiben ;)
Walter B - 16. Mär, 00:23
Ja, unbedingt dran bleiben,
Frau Frogg!
Ein wunderbarer Text über das Verliebtsein in die Sprache, in den redlichen Ausdruck, auch in den Zweifel ... und in die Frage, ob das alles überhaupt einen Sinn ergibt. Unbedingt dranbleiben, Frau Frogg! Auch wenn es zuweilen keinen Spass macht und das Schreiben sich wie ein schwieriger Liebhaber gebärdet.
Ein wunderbarer Text über das Verliebtsein in die Sprache, in den redlichen Ausdruck, auch in den Zweifel ... und in die Frage, ob das alles überhaupt einen Sinn ergibt. Unbedingt dranbleiben, Frau Frogg! Auch wenn es zuweilen keinen Spass macht und das Schreiben sich wie ein schwieriger Liebhaber gebärdet.
diefrogg - 16. Mär, 17:47
Da bist Du ja...
wieder, Walter! Das freut mich! Ich habe eben schnell ein bisschen bei Dir nachgelesen - sehr schön, der neue Auftritt, und sehr schöne Texte!
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