Jungfräulicher
Elizabeth George ist eine der besten angelsächsischen Krimiautorinnen der Gegenwart. Sie beweist es auch in ihrem neuesten Werk. Zwischen diesem mächtigen Konvolut der Spannung hat sie doch immer auch mal Platz für ein intelligentes Spielchen mit der Sprache.
Zum Beispiel hier, als der reativierte Detektiv Thomas Lynley eine Frau befragt, die gerade am Krabbenkuchen backen ist. Mit Olivenöl, wie sie sagt: "E.V.O. Extra virgin olive oil. The virginest you can find. If there are degrees of virginity in olives." (S. 430 in der Hodder-Taschenbuchausgabe). Auf Deutsch: "Olivenöl extra vergine*. Das jungfräulichste, das man bekommen kann. Wenn es denn Abstufungen von Jungfräulichkeit gibt bei den Oliven."
Das Gebrabbel, das jetzt folgt, überlese ich. Ich schmunzle darüber, dass George eine Steigerungsform braucht, wo es gar keine gibt. Frau ist jungfräulich oder sie ist es nicht, so will es unsere Weltsicht. Und dann ertappe ich mich bei einer Frage: Kann die Aufgabe der Jungfräulichkeit vielleicht doch ein gradueller Prozess sein? Ein Prozess, der sich über Tage, Wochen oder gar Jahre hinzieht? Ich meine: Jungfräulichkeit ist etwas höchst Paradoxes. Man kann sie von aussen nicht sehen, und doch ist sie für den sozialen Status eines jungen Mädchens entscheidend. Und sagt jetzt nicht, heute und im Westen sei das nicht mehr so. Im Gegenteil: Ich bin sicher, dass viele junge Mädchen heute kaum drauf warten können, ihren Freundinnen zu erzählen, dass sie (endlich) ihre Jungfräulichkeit losgeworden sind.
Wenn man aber Sex nicht als Akt der Selbstbehauptung im jugendlichen Umfeld betrachtet, ist das erste Mal nur ein Schritt in einem langen Prozess: jenem der Entdeckung der eigenen Sexualität.
George ist da wahrscheinlich derselben Ansicht. Jedenfalls schwadroniert sie in ihrem 550-Seiter so eloquent übers Windsurfen, Vaterschaft und die grosse Trauer um den Ehepartner wie über verschiedene Erscheinungsformen der weiblichen Sexualität. Jungfräulichkeit in ihrer absoluten Form ist kein grosses Thema. Ziemlich lesenswert, finde ich.
* Aus erster Pressung. Text von mir selber dilettantisch übersetzt. Ich fange gar nicht erst an, mir vorzustellen, wie ein Profi sich müht, die Köstlichkeit dieser Stelle ins Deutsche mitzunehmen.
Elizabeth George: Careless in Red, Hodder, 2009.
Zum Beispiel hier, als der reativierte Detektiv Thomas Lynley eine Frau befragt, die gerade am Krabbenkuchen backen ist. Mit Olivenöl, wie sie sagt: "E.V.O. Extra virgin olive oil. The virginest you can find. If there are degrees of virginity in olives." (S. 430 in der Hodder-Taschenbuchausgabe). Auf Deutsch: "Olivenöl extra vergine*. Das jungfräulichste, das man bekommen kann. Wenn es denn Abstufungen von Jungfräulichkeit gibt bei den Oliven."
Das Gebrabbel, das jetzt folgt, überlese ich. Ich schmunzle darüber, dass George eine Steigerungsform braucht, wo es gar keine gibt. Frau ist jungfräulich oder sie ist es nicht, so will es unsere Weltsicht. Und dann ertappe ich mich bei einer Frage: Kann die Aufgabe der Jungfräulichkeit vielleicht doch ein gradueller Prozess sein? Ein Prozess, der sich über Tage, Wochen oder gar Jahre hinzieht? Ich meine: Jungfräulichkeit ist etwas höchst Paradoxes. Man kann sie von aussen nicht sehen, und doch ist sie für den sozialen Status eines jungen Mädchens entscheidend. Und sagt jetzt nicht, heute und im Westen sei das nicht mehr so. Im Gegenteil: Ich bin sicher, dass viele junge Mädchen heute kaum drauf warten können, ihren Freundinnen zu erzählen, dass sie (endlich) ihre Jungfräulichkeit losgeworden sind.
Wenn man aber Sex nicht als Akt der Selbstbehauptung im jugendlichen Umfeld betrachtet, ist das erste Mal nur ein Schritt in einem langen Prozess: jenem der Entdeckung der eigenen Sexualität.
George ist da wahrscheinlich derselben Ansicht. Jedenfalls schwadroniert sie in ihrem 550-Seiter so eloquent übers Windsurfen, Vaterschaft und die grosse Trauer um den Ehepartner wie über verschiedene Erscheinungsformen der weiblichen Sexualität. Jungfräulichkeit in ihrer absoluten Form ist kein grosses Thema. Ziemlich lesenswert, finde ich.
* Aus erster Pressung. Text von mir selber dilettantisch übersetzt. Ich fange gar nicht erst an, mir vorzustellen, wie ein Profi sich müht, die Köstlichkeit dieser Stelle ins Deutsche mitzunehmen.
Elizabeth George: Careless in Red, Hodder, 2009.
diefrogg - 20. Apr, 18:43
3 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
acqua - 20. Apr, 19:41
Zur Relativität der Jungfräulichkeit ist mir soeben eine Geschichte eingefallen.
diefrogg - 20. Apr, 19:55
*Lach*
Köstlich! Genau das habe ich gemeint!
Edit: Nein, nicht genau... aber so ähnlich!
Edit: Nein, nicht genau... aber so ähnlich!
acqua - 20. Apr, 20:06
So ähnlich, ich weiss. Inzwischen habe ich dich auch noch als Inspirationsquelle angegeben.
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