23
Dez
2008

Mann mit Hörgerät

Ich hatte ein Problem mit dem Computer. Irgendwo in den labyrinthischen Eingeweiden unserer beiden Grossraumbüros fand ich schliesslich einen Mann, der mir helfen konnte. Ein Neuer.

Sofort merkte ich, dass er anders war als all meine anderen Kollegen: Er liess mich warten. Er müsse erst etwas fertig machen, sagte er ruhig. Jemanden warten lassen: Das tut sonst keiner in unserem Laden. Der hier tat es. Ich sah ihm beim Arbeiten zu und entdeckte dabei über seinem linken Brillenbügel ein unauffälliges, schwarzes Teil.

"Hast Du ein Hörgerät?" fragte ich ihn aufgeregt, als er sich mir schliesslich zuwandte. Ich treffe nicht viele Leute mit Hörgerät. Ich war neugierig.

Ich sah, dass er erschrak. Verständlich: Leute mit Brillen gelten als ganz normal. Leute mit Hörgeräten gelten als behindert, ja debil.

Um ihn zu beruhigen, sagte ich hastiger als nötig: "Ich habe auch eins." Und lüftete die Frisur über meinem linken Ohr, die mein Oticon Tego so umstandslos verdeckt. Diese Geste ist mir immer ein bisschen peinlich. Als würde ich mich ausziehen.



Er lächelte und fragte, welche Marke ich habe und wusste gut Bescheid über das Ding. Dann sagte er: "Ich habe sogar ein Cochlea-Implantant. Ein Hörgerät allein würde mir nicht viel bringen."

Da begann ich etwas deutlicher mit ihm zu sprechen. Obwohl es wahrscheinlich nicht nötig gewesen wäre. Ich erzählte ihm, dass mein Hörgerät auch nicht das ganze Problem aus der Welt schaffe. Dass mein rechtes Ohr aber meistens in Ordnung sei und ich deshalb eigentlich gut zurechtkomme.

Dann wandten wir uns der Arbeit zu. Wir hatten es beide eilig. Aber ich hoffe, ich treffe ihn bald wieder. Ich will ihm etwa
100 Fragen stellen.

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steppenhund - 24. Dez, 01:49

Ein CI ist mir manchmal Trost, dass die technische Entwicklung doch nicht ganz für die Katz ist. Das und einige andere Teile aus der Prothetik. Irgendwann wird es das entsprechende Äquivalent auch für den Sehnerv geben.
In den Zwischenphasen wird Elektronik und Informatik zum Krieg führen und anderen ähnlichen Zwecken verwendet. Doch ab und zu gibt es einen Offspring, der wiederum die Forschung rechtfertigt. Dann denke ich, dass ich das Richtige studiert habe.

nanou - 24. Dez, 04:59

Puuuuh, das wird nach neulich eine der Erfahrungen sein, um die ich mich noch etwas 'herumdrücke' [mir so ein Ding anpassen zu lassen]. Ich kenne niemand, der ein Hörgerät trägt und offen damit umgeht. Das ist schon sehr mit Scham behaftet - und ich habe mich noch nicht an den Gedanken gewöhnt.

diefrogg - 24. Dez, 09:43

Falls Ihnen...

ein Ohrenarzt eins empfohlen hat: Zögern Sie nicht! Sie werden es nicht bereuen. Mir tut's sehr gut, auch wenn es an schlechten Tagen nicht meine ganze Hörschwäche korrigiert. Und für Frauen gibts ja so praktische Frisuren, die es verdecken!
nanou - 24. Dez, 10:29

Oh - danke für die Ermunterung! 'Mut machen' ist genau das, was ich dazu brauche. Ich gebe [ungern, aber doch] zu, in meinem Kopf sind so Assoziationen, wie "unsexy" oder "alt" - denn ich sah diese Hilfsmittel bislang nur an alten Menschen und assoziiere damit auch 'Gebrechen'. - Und das, wo ich mich sonst seit einiger Zeit in einem Jungbrunnen befinde und auf dem aufsteigenden Ast, sozusagen. Das will irgendwie nicht so recht zusammenpassen, verstehen Sie? Bis vor wenigen Jahren waren Rückenschmerzen oder der Verlust einiger Frequenzen beim Hören überhaupt kein Thema für mich - und ausgerechnet jetzt ... isses so weit. ... hm ... wenigstens habe ich halbwegs lange Haare - das könnte helfen. Darf ich nachfragen? Worauf sollte ich beim 'Anpassen' aufpassen? Wie hat denn Ihre Umgebung reagiert? ... Falls das hier zu öffentlich ist, würde ich mich auch über ein mail freuen.
Schöne Feiertage, Filomena!
diefrogg - 24. Dez, 12:42

Ich glaube...

Da gibts gar nicht viel zu raten! Achten Sie darauf, dass Sie sich wohlfühlen. Gehen Sie zu einem guten Berater. Achten Sie darauf, wie Sie mit Rauschgeräuschen umgehen können. Allenfalls brauchen Sie eine Rauschunterdrückung. Achten Sie auch darauf, dass Sie keine Druckstellen hinterm Ohr bekommen. Von einer Bekannten habe ich ferner gehört, dass ihr Innenohr-Gerät fast gar nichts nützt. Also, wenn die Schädigung stärker ist, sollten Sie wohl ein Gerät für hinters Ohr haben. Mehr gibts, glaube ich, nicht zu sagen. Ist eine sehr individuelle Sache, glaube ich.
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