Buch der zornigen Frauen
Falls jemand ein Weihnachtsgeschenk für eine intelligente Frau sucht, die gerne liest: Schenkt ihr Bastard von Istanbul von Elif Shafak. Das ist ein kluges, gewagtes, spannendes und sehr komisches Buch.
Das Buch hat zwei zornige, junge Frauen als Hauptfiguren: Asya (19) aus Istanbul und Armanoush (21) aus Arizona.
Asya lebt mit ihren vielen Tantchen und Grossmüttern in einem Haus in Istanbul. In einem Haus ohne Männer. In einem Haus, das keine Geschichte zu haben scheint. Keine Geschichte haben will. Asya kennt nicht einmal ihren Vater.
Im Leben von Armanoush dagegen ist Geschichte der prägende Faktor: Ihre Grossmutter ist eine Überlebende des Völkermordes an den Armeniern. Das Geschehen von anno dazumal kann niemand in ihrer Familie vergessen.
So hat Armanoush gelernt, die Türken zu hassen. Doch dann beschliesst sie, in Istanbul das Haus ihrer Ahnen zu suchen - und landet bei Asya und ihrer Familie.
Schon früh ist klar: Die Familien von Armanoush sind tief verbunden, und der Schluss des Romans wird nichts weiter tun als diese Vergangenheit zu enthüllen. Man bräuchte also nur den Schluss zu lesen. Und doch lohnt sich die Lektüre des ganzen Buches. Weil Shafak alle Register zieht, um skurrile und liebenswerte Charaktere und ein ironisch-liebevolles Porträt der Stadt Istanbul zu zeichnen: Mal liest sich das Buch wie eine bitterböse Satire, mal wie ein entsetzlich trauriges Märchen.
Und der Schluss ist schockierender als man es sich ausgemalt hat.
Das Buch hat zwei zornige, junge Frauen als Hauptfiguren: Asya (19) aus Istanbul und Armanoush (21) aus Arizona.
Asya lebt mit ihren vielen Tantchen und Grossmüttern in einem Haus in Istanbul. In einem Haus ohne Männer. In einem Haus, das keine Geschichte zu haben scheint. Keine Geschichte haben will. Asya kennt nicht einmal ihren Vater.
Im Leben von Armanoush dagegen ist Geschichte der prägende Faktor: Ihre Grossmutter ist eine Überlebende des Völkermordes an den Armeniern. Das Geschehen von anno dazumal kann niemand in ihrer Familie vergessen.
So hat Armanoush gelernt, die Türken zu hassen. Doch dann beschliesst sie, in Istanbul das Haus ihrer Ahnen zu suchen - und landet bei Asya und ihrer Familie.
Schon früh ist klar: Die Familien von Armanoush sind tief verbunden, und der Schluss des Romans wird nichts weiter tun als diese Vergangenheit zu enthüllen. Man bräuchte also nur den Schluss zu lesen. Und doch lohnt sich die Lektüre des ganzen Buches. Weil Shafak alle Register zieht, um skurrile und liebenswerte Charaktere und ein ironisch-liebevolles Porträt der Stadt Istanbul zu zeichnen: Mal liest sich das Buch wie eine bitterböse Satire, mal wie ein entsetzlich trauriges Märchen.
Und der Schluss ist schockierender als man es sich ausgemalt hat.
diefrogg - 5. Dez, 10:52
8 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
acqua - 5. Dez, 11:32
Würdest du dieses Buch alternativ auch an eine intelligente Frau die gerne liest ausleihen? ;-)
diefrogg - 5. Dez, 11:35
Aber gerne!
Für Türkeireisende Frauen in spe, die gerne lesen, ist das Buch nämlich sowieso AUSGESPROCHEN empfehlenswert!
steppenhund - 5. Dez, 11:39
Das klingt interessant
es bedarf aber keinesfalls der Frauen, um dieses Thema aufzuarbeiten.
Zitat: Lange Zeit galt Die vierzig Tage des Musa Dagh als bester Armenierroman der Weltliteratur. Nach der Erstveröffentlichung des Romans Das Märchen vom letzten Gedanken des deutsch-jüdischen Schriftstellers Edgar Hilsenrath im Jahr 1989 ebenfalls über den Völkermord an den Armeniern schrieb der Kritiker Alexander von Bormann in der Neuen Zürcher Zeitung: „Doch finde ich Hilsenraths Roman dem Werfels bedeutsam überlegen: er ist ein historischer und poetischer zugleich.“ [Wikipedia]
Zitat: Lange Zeit galt Die vierzig Tage des Musa Dagh als bester Armenierroman der Weltliteratur. Nach der Erstveröffentlichung des Romans Das Märchen vom letzten Gedanken des deutsch-jüdischen Schriftstellers Edgar Hilsenrath im Jahr 1989 ebenfalls über den Völkermord an den Armeniern schrieb der Kritiker Alexander von Bormann in der Neuen Zürcher Zeitung: „Doch finde ich Hilsenraths Roman dem Werfels bedeutsam überlegen: er ist ein historischer und poetischer zugleich.“ [Wikipedia]
diefrogg - 5. Dez, 11:53
Oh, ich zweifle nicht...
an der literarischen Qualität dieser Werke, obwohl ich keins von beiden gelesen habe. Shafaks Buch ziehe ich im Moment vor, weil es auf eine sehr amerikanische Art ungeheuer komisch ist. Und vor allem: weil es von einer türkischstämmigen Person ist, die dieses Buches wegen in der Türkei vor Gericht gezerrt wurde. Ich finde, man sollte es schon deswegen lesen und darüber schreiben. Man sollte zeigen, dass man Shafaks Denkart unterstützt. aber da ich Shafak ja jetzt gelesen habe, nehme ich Werfel auf die Liste: Der könnte zur weiter führenden Lektüre werden!
steppenhund - 6. Dez, 03:02
Bitte, das soll jetzt kein Angriff werden. Es ist eher das Bekenntnis zum Alter. Ich selber lese ja sehr viel und bin oft begeistert von dem, was heute entsteht. Manchmal denke ich mir aber beim Lesen eines Buches oder beim Betrachten eines Filmes: ja, und was ist jetzt daran neu. Die Stilistik, eine gewisse biografische Authentizität, ein Zeitbezug, der sonst nicht möglich wäre.
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Mir geht es ja jetzt selber so, wenn ich Vorträge halte. Ich entwickle mich weiter, aber in Wirklichkeit wollen die Leute etwas hören, was ich vor zehn Jahren erzählt habe. Ich möchte ihnen zurufen: lest doch den und den.Die haben das schon richtig ausgedrückt, die haben das so viel besser dargestellt, als ich das je könnte. (Ich selbst bin nämlich ein schlampiger Mensch.) Und dann stelle ich fest, dass in regelmäßigen Abständen die Leute immer dasselbe hören wollen. In Illustrierten kann ich das genauso beobachten.
Doch wenn jemand für etwas schwärmt, frage ich mich: und hat er oder sie das schon gelesen? Ich werde interessiert dieses Blog verfolgen und eine allfällige Stellungnahme zu Werfel erwarten. Das Buch hat ihn weltberühmt gemacht. Er war der erste, der ausreichend sensibilisiert war. Oder ist er heute einfach als "Mann" abgestempelt und daher nicht interessant?
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Das heißt jetzt aber nicht, dass ich mir nicht selbst das angepriesene Buch zulegen werde. Dazu bin ich jetzt schon viel zu neugierig:)
Ich gehöre ja auch zu den Menschen, die sich an der Eleganz des Igels erfreuen:) )und diese schon 6 mal weiterverschenkt habe.
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Mir geht es ja jetzt selber so, wenn ich Vorträge halte. Ich entwickle mich weiter, aber in Wirklichkeit wollen die Leute etwas hören, was ich vor zehn Jahren erzählt habe. Ich möchte ihnen zurufen: lest doch den und den.Die haben das schon richtig ausgedrückt, die haben das so viel besser dargestellt, als ich das je könnte. (Ich selbst bin nämlich ein schlampiger Mensch.) Und dann stelle ich fest, dass in regelmäßigen Abständen die Leute immer dasselbe hören wollen. In Illustrierten kann ich das genauso beobachten.
Doch wenn jemand für etwas schwärmt, frage ich mich: und hat er oder sie das schon gelesen? Ich werde interessiert dieses Blog verfolgen und eine allfällige Stellungnahme zu Werfel erwarten. Das Buch hat ihn weltberühmt gemacht. Er war der erste, der ausreichend sensibilisiert war. Oder ist er heute einfach als "Mann" abgestempelt und daher nicht interessant?
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Das heißt jetzt aber nicht, dass ich mir nicht selbst das angepriesene Buch zulegen werde. Dazu bin ich jetzt schon viel zu neugierig:)
Ich gehöre ja auch zu den Menschen, die sich an der Eleganz des Igels erfreuen:) )und diese schon 6 mal weiterverschenkt habe.
diefrogg - 6. Dez, 11:26
Da fühlen Sie mir...
aber fast schon schmerzhaft nahe auf den Zahn, Herr Steppenhund! Aber das zwingt mich dazu, etwas mehr über das Buch zu schreiben, und das ist eigentlich gut so.
1) Ich beobachte ebenfalls, dass die Leute in Zyklen immer wieder dasselbe lesen wollen.
2) Shafak ist aber mit Bestimmtheit anders als Werfel und Hilsenrath. In irgend einer Kritik wird er Roman als Screwball-Comedy bezeichnet - es ist also verwandt mit "Desperate Housewives" und "Sex in the City". Das ist eine Einschätzung, die ich durchaus teile. Das Buch ist sehr humorvoll und in einem gewissen Sinne auch poppig. Und es gibt Momente in diesem Buch, wo ich mich frage, ob man das wirklich DARF, was die Frau da macht. Ob man mit so viel Komik an traumatische Themen herangehen soll. Ich finde übrigens auch, dass das Buch Schwächen hat. Aber es hat ausserdem all die Stärken, die ich oben beschrieben habe.
3) Das Buch wird Frauen mehr ansprechen als Männer: Weil es eine Screwball-Comedy ist: Frauen spielen darin die Hauptrollen und Frauen lieben das Genre.
4) Das wertet die Romane von Werfel und Hilsenrath nicht ab. Wer will, kann Berge von Büchern über das Thema lesen. Es ist aber der erste "Armenier-Roman" einer Türkin, der im Westen rezipiert wird. Deshalb halte ich ihn im Moment für aktueller und lesenswerter als Werfel und Hilsenrath.
1) Ich beobachte ebenfalls, dass die Leute in Zyklen immer wieder dasselbe lesen wollen.
2) Shafak ist aber mit Bestimmtheit anders als Werfel und Hilsenrath. In irgend einer Kritik wird er Roman als Screwball-Comedy bezeichnet - es ist also verwandt mit "Desperate Housewives" und "Sex in the City". Das ist eine Einschätzung, die ich durchaus teile. Das Buch ist sehr humorvoll und in einem gewissen Sinne auch poppig. Und es gibt Momente in diesem Buch, wo ich mich frage, ob man das wirklich DARF, was die Frau da macht. Ob man mit so viel Komik an traumatische Themen herangehen soll. Ich finde übrigens auch, dass das Buch Schwächen hat. Aber es hat ausserdem all die Stärken, die ich oben beschrieben habe.
3) Das Buch wird Frauen mehr ansprechen als Männer: Weil es eine Screwball-Comedy ist: Frauen spielen darin die Hauptrollen und Frauen lieben das Genre.
4) Das wertet die Romane von Werfel und Hilsenrath nicht ab. Wer will, kann Berge von Büchern über das Thema lesen. Es ist aber der erste "Armenier-Roman" einer Türkin, der im Westen rezipiert wird. Deshalb halte ich ihn im Moment für aktueller und lesenswerter als Werfel und Hilsenrath.
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