Baader Meinhof
Ich war noch ein Kind, als die RAF wütete. Meine Grosseltern reichten uns jeweils den "Stern" und die "Bunte" weiter, und deshalb erinnere ich mich an die Serien von Fahndungsbildern auf den Frontseiten von anno dazumal. Als Hanns Martin Schleyer entführt wurde, war ich 12. Ich erinnere mich, dass darüber am Radio und im Fernsehen ständig berichtet wurde. Acqua, mit der ich gestern Abend den Baader-Meinhof-Komplex im Kino gesehen habe, ist ein paar Jahre jünger als ich. "Ich habe richtig Angst vor den Terroristen gehabt", sagte sie. Merwürdigerweise hatte ich keine Angst. Für mich war der Terrorismus etwas, was weit weg stattfand. In Deutschland. Eine Magazin-Story in Schwarz, Grau und Rot.
Ich erinnere ich mich aber, dass damals auch auf Schweizer Bahnhöfen Fahndungsbilder der RAF-Terroristen hingen. Ich weiss noch, dass klein Moni Frogg die Fotos nachdenklich anschaute und sich fragte, ob sie diese Menschen wiedererkennen würde, wenn sie sie irgendwo sähe.
Später, als Studentin, verstand ich mich als Linke. Ich demonstrierte ab und an. Für das Jugendzentrum Zaffaraya in Bern. Für die Reitschule und andere alternative Jugendzentren.
Später fand ich demonstrieren pubertär und jene, die es taten, im Vergleich zu uns damals ein bisschen, naja, epigonal.
Der Film von gestern hat mich richtig verstört. Ein wenig, weil mir plötzlich so viel klarer wurde, dass ja schon unsere Demos damals in der Tradition der 68-er standen. Dass also auch wir schon Epigonen waren. Ein bisschen mehr deshalb, weil es offenbar in den 60-er Jahren noch Menschen gab, die tiefen Anteil nahmen an dem, was anderen Menschen auf der anderen Seite der Erdkugel passierte. Sie setzten sich für die Vietnamesen ein. Den meisten von uns aber geht es am Arsch vorbei, wenn im Irak, im Gaza-Streifen, im Sudan und weiss der Teufel wo sonst noch Menschen in Kriegen ihr Leben lassen. In Kriegen noch dazu, bei denen der Westen mehr als ein Wörtchen mitredet.
Am meisten aber hat er mich verstört, weil ich mich voller Entsetzen fragte, wie aus so viel Idealismus eine solche Katastrophe werden kann. Leider trägt der Film wenig zur Beantwortung dieser Frage bei. Er will zu viel erzählen. Er donnert mit seinem Tempo Emotionen zu. So schnell, dass ich immer noch nicht nachvollziehen kann, warum die kluge Ulrike Meinhof Wortführerin einer Terroristentruppe wird.
Aber vielleicht ist das ja zu viel verlangt. Vielleicht genügt der Film als das, was er ist: ein eindrückliches Plädoyer gegen die Gewalt.
Ich erinnere ich mich aber, dass damals auch auf Schweizer Bahnhöfen Fahndungsbilder der RAF-Terroristen hingen. Ich weiss noch, dass klein Moni Frogg die Fotos nachdenklich anschaute und sich fragte, ob sie diese Menschen wiedererkennen würde, wenn sie sie irgendwo sähe.
Später, als Studentin, verstand ich mich als Linke. Ich demonstrierte ab und an. Für das Jugendzentrum Zaffaraya in Bern. Für die Reitschule und andere alternative Jugendzentren.
Später fand ich demonstrieren pubertär und jene, die es taten, im Vergleich zu uns damals ein bisschen, naja, epigonal.
Der Film von gestern hat mich richtig verstört. Ein wenig, weil mir plötzlich so viel klarer wurde, dass ja schon unsere Demos damals in der Tradition der 68-er standen. Dass also auch wir schon Epigonen waren. Ein bisschen mehr deshalb, weil es offenbar in den 60-er Jahren noch Menschen gab, die tiefen Anteil nahmen an dem, was anderen Menschen auf der anderen Seite der Erdkugel passierte. Sie setzten sich für die Vietnamesen ein. Den meisten von uns aber geht es am Arsch vorbei, wenn im Irak, im Gaza-Streifen, im Sudan und weiss der Teufel wo sonst noch Menschen in Kriegen ihr Leben lassen. In Kriegen noch dazu, bei denen der Westen mehr als ein Wörtchen mitredet.
Am meisten aber hat er mich verstört, weil ich mich voller Entsetzen fragte, wie aus so viel Idealismus eine solche Katastrophe werden kann. Leider trägt der Film wenig zur Beantwortung dieser Frage bei. Er will zu viel erzählen. Er donnert mit seinem Tempo Emotionen zu. So schnell, dass ich immer noch nicht nachvollziehen kann, warum die kluge Ulrike Meinhof Wortführerin einer Terroristentruppe wird.
Aber vielleicht ist das ja zu viel verlangt. Vielleicht genügt der Film als das, was er ist: ein eindrückliches Plädoyer gegen die Gewalt.
diefrogg - 4. Okt, 11:34
13 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
steppenhund - 4. Okt, 12:23
Ich war für die richtigen 68er eine Spur zu jung. Außerdem politisch desinteressiert und überhaupt ging mich wenig an, was in der Welt passierte.
Mit der Einstellung, die ich heute habe, kann ich verstehen, wie aus politisch Interessierten Radikale werden, deren Vergehen dann später nicht mehr ausschließlich politisch begründbar sind.
Ich bin froh, dass ich selber nie in Versuchung gekommen bin, mich solchen Kreisen anzuschließen. Heute bin ich zu alt, um radikal zu sein. Jede Revolution frisst ihre Kinder und ist daher zum Scheitern verurteilt
Aber es gibt etwas, was Heimito von Doderer die grammatikalische Faust genannt hat. Ab einem bestimmten Zeitpunkt ist Reden unwirksam.
Mit der Einstellung, die ich heute habe, kann ich verstehen, wie aus politisch Interessierten Radikale werden, deren Vergehen dann später nicht mehr ausschließlich politisch begründbar sind.
Ich bin froh, dass ich selber nie in Versuchung gekommen bin, mich solchen Kreisen anzuschließen. Heute bin ich zu alt, um radikal zu sein. Jede Revolution frisst ihre Kinder und ist daher zum Scheitern verurteilt
Aber es gibt etwas, was Heimito von Doderer die grammatikalische Faust genannt hat. Ab einem bestimmten Zeitpunkt ist Reden unwirksam.
diefrogg - 4. Okt, 12:44
Ich bin...
kurze Zeit in linksradikalen Kreisen verkehrt. Aber ich habe mich schnell abgewandt, weil der harte Kern der Gruppe zwei labernde, männliche Alpha-Tiere waren. Genau wie sonst überall. Wenn nicht noch schlimmer, weil niemand es sehen wollte.
Eine Revolutionärin war ich sowieso nie. Meine Devise war wohl so etwas wie: "If you can't beat them, join them. Und dann beginn den zähen Kleinkampf um die Kleinigkeiten, die Du im System verändern kannst.
Eine Revolutionärin war ich sowieso nie. Meine Devise war wohl so etwas wie: "If you can't beat them, join them. Und dann beginn den zähen Kleinkampf um die Kleinigkeiten, die Du im System verändern kannst.
acqua - 4. Okt, 16:30
Ich habe in der Nacht noch ein Wenig nachgelesen und gesehen, dass Ulrike Meinhof 36 war, als sie bei der Befreiung von Baader mithalf und somit den endgültigen Schritt in die Radikalität und Gewalt machte. 36! Nun verstehe ich sie noch viel weniger. Ich habe ein Buch bestellt, von dem ich mir ein paar Antworten mehr erhoffe. Vielleicht ist schon sein Titel ein erster Hinweis?
Was du im viertletzen Abschnitt über die Anteilnahme am Geschehen in Vietnam, Persien usw. geschrieben hast, ging mir gestern auch noch durch den Kopf. Hat unsere relative Gleichgültigkeit mehr mit unserem Alter zu tun oder mit der Zeit in der wir inzwischen leben?
Ad Zaffaraya: Du hast gegen seine Schliessung demonstriert, oder?
Was du im viertletzen Abschnitt über die Anteilnahme am Geschehen in Vietnam, Persien usw. geschrieben hast, ging mir gestern auch noch durch den Kopf. Hat unsere relative Gleichgültigkeit mehr mit unserem Alter zu tun oder mit der Zeit in der wir inzwischen leben?
Ad Zaffaraya: Du hast gegen seine Schliessung demonstriert, oder?
steppenhund - 4. Okt, 17:18
Ich glaube, dass unserer Sensibilität abgenommen hat. Wir werden in eine Werbewelt eingelullt, die uns nur mehr die Verbesserung unserer eigenen Lebensumstände erstrebenswert erscheinen lässt. Ich weiß es gibt ein paar Spendenaufrufe auch im Fernsehprogramm, teilweise nicht einmal schlecht gemacht, doch wenn die mehr als 1% ausmachen, würde es mich wundern.
Ihr Schweizer habt ja den Krieg nicht selbst so erlebt, doch hier in Österreich stelle ich fest, dass es überhaupt kein Bewusstsein mehr an die Zeit gibt, als wir noch unter den Nachwehen des Krieges zu leiden hatten. (So alt bin ich nun auch wieder nicht.) Daher ist der Schrecken nicht mit einem echten Erfahrungsgehalt verbunden.
Wenn es anderen schlecht geht, heißt das halt, dass sie sich kein Aplle iphone leisten können, oder die neuesten Hits erst mit einem Jahr Verspätung hören.
Dabei könnte man heute gut operieren. Trotz Echelon und den technischen Gimmicks der Geheimdienste könnte man ganz schöne Aktionen aufstellen. Aber im eigenen Lande wüsste ich nicht einmal mehr, wo das Feindbild sitzt. Bei Schleyer war das noch eindeutig.
Ihr Schweizer habt ja den Krieg nicht selbst so erlebt, doch hier in Österreich stelle ich fest, dass es überhaupt kein Bewusstsein mehr an die Zeit gibt, als wir noch unter den Nachwehen des Krieges zu leiden hatten. (So alt bin ich nun auch wieder nicht.) Daher ist der Schrecken nicht mit einem echten Erfahrungsgehalt verbunden.
Wenn es anderen schlecht geht, heißt das halt, dass sie sich kein Aplle iphone leisten können, oder die neuesten Hits erst mit einem Jahr Verspätung hören.
Dabei könnte man heute gut operieren. Trotz Echelon und den technischen Gimmicks der Geheimdienste könnte man ganz schöne Aktionen aufstellen. Aber im eigenen Lande wüsste ich nicht einmal mehr, wo das Feindbild sitzt. Bei Schleyer war das noch eindeutig.
diefrogg - 4. Okt, 17:59
@acqua: Die Meinhof...
ist wirklich ein Rätsel. Sie bleibt ja auch im Film merkwürdig starr. Ausser im Moment der Verhaftung, als sie weinend zusammenbricht. Sie wirkt immer ein bisschen so, als handle sie gegen ihre eigene innere Überzeugung. Das Buch klingt spannend. Ich glaube, ich werde mir das von Aust kaufen. Vielleicht können wir mal einen Büchertausch zu dem Thema machen. Und: Du hast Recht: Natürlich habe ich gegen die Schliessung des Zaffaraya demonstriert.
acqua - 4. Okt, 19:33
Schau mal hier:
Spiegel-Interview vom November 1971 mit Peter Homann, Ulrike Meinhofs Freund, der sich in Jordanien von der Gruppe trennte.
und auch hier:
Text von Peter Homann, erschienen im Spiegel im Oktober 1972.
und dann noch das:
Abrechnung Peter Homanns mit Horst Mahler, dem Anwalt, vom Mai 1997.
Dort finden sich noch ein paar Puzzlesteine.
Spiegel-Interview vom November 1971 mit Peter Homann, Ulrike Meinhofs Freund, der sich in Jordanien von der Gruppe trennte.
und auch hier:
Text von Peter Homann, erschienen im Spiegel im Oktober 1972.
und dann noch das:
Abrechnung Peter Homanns mit Horst Mahler, dem Anwalt, vom Mai 1997.
Dort finden sich noch ein paar Puzzlesteine.
diefrogg - 5. Okt, 11:48
Danke!
Deine Geduld im Recherchieren ist wirklich unbezahlbar! Ich habe ziemlich gestaunt beim Lesen. Damals konnte man ja noch wirklich lange Interviews machen! So weit ichs überblicke, gibts aber auf eine Frage keine richtige Antwort: Was geschah mit den Töchtern von Ulrike Meinhof? Ich habe lediglich irgendwo gelesen, Hommann hätte sie aus Sizilien entführt... aber vielleicht habe ich da bereits wieder ein Durcheinander gemacht.
acqua - 5. Okt, 12:06
Peter Homann hat die Töchter zusammen mit Stefan Aust aus Sizilien geholt und zu ihrem Vater gebracht. Frag mich nur bitte nicht, woher ich das weiss. Ich habe ziemlich viel rumgesurft gestern.
Im Wesentlichen habe ich aber nur Wikipedia-Artikel gelesen. Auf die oben verlinkten Texte stiess ich, als ich begann, einige der vielen dort verlinkten Quellen anzuklicken. Das habe ich vorher noch nie gemacht. Es lohnte sich aber.
Wenn du über die Länge des Interviews staunst, dann schau dir mal auf youtube die Tagesschau-Ausschnitte zur Schleyer-Entführung an. Die waren fast episch...
Im Wesentlichen habe ich aber nur Wikipedia-Artikel gelesen. Auf die oben verlinkten Texte stiess ich, als ich begann, einige der vielen dort verlinkten Quellen anzuklicken. Das habe ich vorher noch nie gemacht. Es lohnte sich aber.
Wenn du über die Länge des Interviews staunst, dann schau dir mal auf youtube die Tagesschau-Ausschnitte zur Schleyer-Entführung an. Die waren fast episch...
nedganzbachert - 5. Okt, 12:21
Du hast mich überzeugt ...
... werd ihn mir ansehen!
Ich war damals 16.
Ich hatte keine Angst, aber ich weiß nicht, ob ich mir nur nicht klar genug über die Bedrohung war. Es war ja weniger eine Gefahr für mein Leben, als für die Gesellschaft in der ich mein Leben würde verbringen müssen.
Ich verstand den Zorn der Linken auf die Gesellschaft und das "System" konnte aber die Wahl der Mittel nie verstehen.
Ich war damals 16.
Ich hatte keine Angst, aber ich weiß nicht, ob ich mir nur nicht klar genug über die Bedrohung war. Es war ja weniger eine Gefahr für mein Leben, als für die Gesellschaft in der ich mein Leben würde verbringen müssen.
Ich verstand den Zorn der Linken auf die Gesellschaft und das "System" konnte aber die Wahl der Mittel nie verstehen.
diefrogg - 5. Okt, 12:51
Das finde ich...
eine gute Entscheidung. Ich habe zwar festgestellt, dass die deutsche Kritik Gift und Galle gegen den Film speit, die meisten aus politischen Gründen (zu weit links, zu weit rechts, was weiss ich). Aber das ist ein gutes Zeichen: Da hat jemand einen Nerv getroffen. Und der Film ist so reich an Facetten, dass Du bestimmt etwas findest, woran Du Deinen Blick mit Interesse heften kannst.
pipistrella - 8. Okt, 17:14
ich war damals auch im pubertären alter und ich kann mich noch erinnern, dass ich, da links denkend, sehr wohl mit den leuten mitgefiebert habe, dass sie nicht gefunden werden. ich hätte mich ihnen wohl nie angeschlossen, auch wenn ich nur annähernd in die nähe gekommen wäre, aber ich habe es von diesen leuten mutig gefunden, dass sie für ihre überzeugung wirklich etwas tun. auch wenn es viel zu krass war, was sie taten.
der film hat mich daher mehr persönlich betroffen, so aus der distanz zu realisieren, wofür ich damals sympatisiert habe. das hat mich ziemlich erschreckt.
wir sind aber alle einhellig der gleichen meinung wie du gewesen, dass viel zu viel in den film gepackt wurde, vieles blieb leider offen. aber nichts desto trotz SEHR empfehlenswert.
der film hat mich daher mehr persönlich betroffen, so aus der distanz zu realisieren, wofür ich damals sympatisiert habe. das hat mich ziemlich erschreckt.
wir sind aber alle einhellig der gleichen meinung wie du gewesen, dass viel zu viel in den film gepackt wurde, vieles blieb leider offen. aber nichts desto trotz SEHR empfehlenswert.
diefrogg - 8. Okt, 21:09
Bemerkenswert...
fand ich den Kommentar eines Bekannten gestern Abend, der selber Filmschaffender ist. Er sagte, auf uns Erwachsene würde der Film wie ein Plädoyer gegen die Gewalt wirken. Auf Jugendliche aber, die die ganze Zeit nicht erlebt hätten, wirke dieser Bleibtreu als Baader wohl sowas von cool. Und ich fürchte er hat recht. Ich meine: Baader, der mit einem geklauten Auto über die Autobahn donnert und auf Verkehrsschilder ballert. Da findet unsereiner "no way!!!" würde man sei einen unterstützen. Aber wer weiss, wie sowas auf Jugendliche wirkt.
Da kann man nur sagen: Zum Glück erklärt der Film nur sehr ungenügend, wogegen eigentlich aufbegehrt wurde!
Da kann man nur sagen: Zum Glück erklärt der Film nur sehr ungenügend, wogegen eigentlich aufbegehrt wurde!
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