Feministische Selbstzerfleischung
Eins muss ich diesem Buch zugestehen: Es hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ich habe es im Juni gelesen. Dieser Tage sah ich, dass auch frau chamäleon es liest. Sofort befiel mich der Frust von damals. Mein letzter Gedanke über das Werk war gewesen: "Egal, was eine Frau tut - Frau Mika wird sie es nicht recht machen können. Zum Glück müssen wir es Frau Mika nicht recht machen." Diese Reaktion kann nicht Ziel einer so genannten feministischen Streitschrift sein.
Hier noch eine Vorbemerkung: Ich habe nichts gegen Feministinnen. Ich bin selber eine - oder einmal eine gewesen. Leider ändert Mika nichts an der Zwiespältigkeit meiner Haltung. Im Gegenteil: Sie übt die weibliche Selbstzerfleischung. Und ich bezweifle, dass uns das weiter bringt.
Frau Mika bezichtigt die Frauen pauschal der Feigheit und der Komplizenschaft mit dem Patriarchat. Sie erzählt von gut ausgebildeten, müssig gehenden "Latte-Macchiato-Frauen", die ihre Männer Karriere machen und Kohle anschleppen lassen. Von heiratswütigen 25-Jährigen. Von einer jungen Forscherin, die ein Stipendium in Oxford ausschlägt, um bei ihrem Partner bleiben zu können. Sie scheint nur strohdumme Frauen zu kennen.
Ich kenne keine solchen Frauen. Ich kenne nur eine einzige Frau unter 65, die nicht einer Erwerbsarbeit nachgeht. Natürlich, fast ausnahmslos bringen ihre Männer mehr Geld nach Hause. Aber so ist das nun mal im Patriarchat. Ich habe noch diesen Kadermann im Ohr, der zu mir sagte: "Wieso sollen wir einer jungen Frau den gleichen Lohn zahlen wie einem jungen Mann? Oft sieht man ja schon beim Vorstellungsgespräch, dass eine bald schwanger wird." Und das war nicht 1956. Das war im April 2011.
Ich kenne ausschliesslich Frauen, die versuchen, mit ihren Talenten etwas anzufangen. Oder wenigstens in Würde Geld zu verdienen. Die einen als Putzfrauen, die anderen als Journalistinnen; die einen im Schulwesen, die anderen als Coiffeusen oder Kantinenfrauen. Einige wenige im Kader, die meisten als ganz gewöhnliche Arbeitsbienen. Frau Mika glaubt vielleicht, dass jede von uns zur Chefredaktorin oder zur Betriebsrätin geboren ist. Aber sie irrt sich.
Natürlich: Die meisten von uns sind irgendwann in die eine oder andere Falle des Patriarchats gestolpert: die Erwartung, dass man unbedingt einen Partner haben muss. Dass man für ihn Dinge aufgeben sollte. Und dann die ganze Sache mit den Kindern... Aber jede Frau, die ich kenne, versucht redlich, diese Fallen zu umgehen. Oder wieder aus ihnen hinaus zu kriechen. Wir alle wursteln uns durch – mal besser, mal weniger gut.
Leider sieht Frau Mika genau, was wir schlecht machen. Wie wir es besser machen könnten, darauf weiss nur wenige Antworten.
diefrogg - 30. Okt, 18:23
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steppenhund - 31. Okt, 08:59
Ich trau mir da überhaupt keine statistischen Aussagen zu. Ich kenne auch mehr selbstbestimmte, selbstbewusste Frauen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen, als andere.
Allerdings hat das keine statistische Signifikanz, genauso wenig wie Ihre Erfahrung das darstellen könnte. Man bewegt sich in den eigenen Kreise und kommt nicht ohne äußeren Anlass mit Menschen zusammen, die ein ganz anderes Lebensbild haben.
Das mit der Heiratswut scheint zumindest in den USA zu stimmen. Dort sehen sich - laut Aussage eines frauensuchenden Assistenten am MIT, bestätigt durch zwei, drei andere Erfahrungsberichte - die Dreißigjährigen als gescheitert an, wenn sie noch keinen Mann gefunden haben.
Mit Latte-Macchiato habe ich meine eigenen Probleme. Den höre ich durchaus auch von berufstätigen Frauen bestellt, doch er ist zu einer derartigen Modeerscheinung geworden, dass er bereits den sprichwörtlichen Prosecco übertroffen hat. Milchkaffee klingt offensichtlich zu hausbacken.
Man muss sich einen Flötenton vorstellen: könnte ich bitte einen Latte Macchiato, einen Prosecco, einen Schardoneei haben? Ich bin vermutlich unfair, aber das scheint schon als Charakterbeschreibung einer Tussi auszureichen.
-
Was die Komplizenschaft mit dem Patriarchat angeht, habe ich allerdings selbst unzählige Male beobachtet, dass Frauen sich in Betrieben eher mit Männern als mit Frauen solidarisieren. Warum das so ist, kann ich nicht sagen. Vielleicht glauben sie, dass Männer leichter beeinflussbar sind, leichter ihrem Charme erliegen. Aber es kommt mir schon so vor, dass die "andere" Kollegin mehr als Konkurrenz und Bedrohung der eigenen Karriere gesehen wird als der Mann, dem man sich zwar untergeordnet hat, ihn aber sooo leicht manipulieren kann.
Allerdings hat das keine statistische Signifikanz, genauso wenig wie Ihre Erfahrung das darstellen könnte. Man bewegt sich in den eigenen Kreise und kommt nicht ohne äußeren Anlass mit Menschen zusammen, die ein ganz anderes Lebensbild haben.
Das mit der Heiratswut scheint zumindest in den USA zu stimmen. Dort sehen sich - laut Aussage eines frauensuchenden Assistenten am MIT, bestätigt durch zwei, drei andere Erfahrungsberichte - die Dreißigjährigen als gescheitert an, wenn sie noch keinen Mann gefunden haben.
Mit Latte-Macchiato habe ich meine eigenen Probleme. Den höre ich durchaus auch von berufstätigen Frauen bestellt, doch er ist zu einer derartigen Modeerscheinung geworden, dass er bereits den sprichwörtlichen Prosecco übertroffen hat. Milchkaffee klingt offensichtlich zu hausbacken.
Man muss sich einen Flötenton vorstellen: könnte ich bitte einen Latte Macchiato, einen Prosecco, einen Schardoneei haben? Ich bin vermutlich unfair, aber das scheint schon als Charakterbeschreibung einer Tussi auszureichen.
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Was die Komplizenschaft mit dem Patriarchat angeht, habe ich allerdings selbst unzählige Male beobachtet, dass Frauen sich in Betrieben eher mit Männern als mit Frauen solidarisieren. Warum das so ist, kann ich nicht sagen. Vielleicht glauben sie, dass Männer leichter beeinflussbar sind, leichter ihrem Charme erliegen. Aber es kommt mir schon so vor, dass die "andere" Kollegin mehr als Konkurrenz und Bedrohung der eigenen Karriere gesehen wird als der Mann, dem man sich zwar untergeordnet hat, ihn aber sooo leicht manipulieren kann.
canela.wordpress - 31. Okt, 12:08
ich trinke am liebsten espresso.
ich bin eine frau, der man nach 4 monaten mutterschaftsauszeit, die kündigung mit der erklärung gab, ich wolle mich jetzt sicher meinem sohn widmen. die darauf sich einen neuen job suchen musste, damit mann und kind was zu essen haben. ich bin aber auch eine frau, die sich weigerte eine woche ins ausland arbeiten zu gehen, weil ihr sohn in dieser woche seinen ersten geburtstag feierte. die chefin, verschob das ganze meeting um eine woche ;-)
es gibt solche frauen, wie du sie beschrieben hast, zu denen ich mich auch zähle. genauso viele gibt es wohl, wie es diese frau beschrieben hat. die vielfältigkeit des individuums macht es schwierig, alle in einen topf zu werfen. und ich verstehe deinen unmut sehr gut.
ich bin eine frau, der man nach 4 monaten mutterschaftsauszeit, die kündigung mit der erklärung gab, ich wolle mich jetzt sicher meinem sohn widmen. die darauf sich einen neuen job suchen musste, damit mann und kind was zu essen haben. ich bin aber auch eine frau, die sich weigerte eine woche ins ausland arbeiten zu gehen, weil ihr sohn in dieser woche seinen ersten geburtstag feierte. die chefin, verschob das ganze meeting um eine woche ;-)
es gibt solche frauen, wie du sie beschrieben hast, zu denen ich mich auch zähle. genauso viele gibt es wohl, wie es diese frau beschrieben hat. die vielfältigkeit des individuums macht es schwierig, alle in einen topf zu werfen. und ich verstehe deinen unmut sehr gut.
steppenhund - 31. Okt, 21:23
Also in Österreich ist eine Kündigung während dieser Zeit nicht möglich. Ich glaube, die Stelle muss ein Jahr reserviert bleiben. Danach gibt es dann keinen Schutz mehr, doch aufgrund der schlechten Optik trauen sich die Firmen nachher nicht. Das ist für kleine Unternehmen zwar schon schwer zu schlucken, trotzdem finde ich es richtig.
Und da jammern die Leute bei uns immer...
Und da jammern die Leute bei uns immer...
canela.wordpress - 1. Nov, 09:27
bei uns gibt es den mutterschutz erst ab 1.7.2005. genau 14 wochen!
und ganztagesschulen gibt es auch selten, vor allem in den ländlichen gebieten. nächstes jahr startet uns sohn die schule. im moment suchen ich und mein ex-mann, der sich mit mir die erziehung und betreuung zu 50 % teilt, eine kita für die ganztagesbetreuung, die in der nähe einer schule ist. das heisst für ihn oder für mich umziehen. nicht mal in der hauptstadt unseres kantons gibt es ganztagesschulen, weil es eine partei gibt, die meint, frauen sollen zuhause bleiben und sich um die kinderbetreuung kümmern. da hilft jammern nichts, da muss manfrau flexibel sein und vor allem genug verdienen.
und ganztagesschulen gibt es auch selten, vor allem in den ländlichen gebieten. nächstes jahr startet uns sohn die schule. im moment suchen ich und mein ex-mann, der sich mit mir die erziehung und betreuung zu 50 % teilt, eine kita für die ganztagesbetreuung, die in der nähe einer schule ist. das heisst für ihn oder für mich umziehen. nicht mal in der hauptstadt unseres kantons gibt es ganztagesschulen, weil es eine partei gibt, die meint, frauen sollen zuhause bleiben und sich um die kinderbetreuung kümmern. da hilft jammern nichts, da muss manfrau flexibel sein und vor allem genug verdienen.
diefrogg - 2. Nov, 13:20
Ja stimmt,
den so genannten Mutterschaftsurlaub gibts erst seit 2005 (manchmal führt die direkte Demokratie zu solchen Trauerspielen in der Politik). Kündigungsschutz während der Schwangerschaft gab es aber - zum Glück - schon lange vorher.
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