3
Mrz
2008

Über Les Humphries

Ich gebe zu: Als ich heute früh las, dass Les Humphries tot ist, stiess ich einen leisen Schmerzensruf aus. Er war versetzt mit viel Nostalgie und einer Prise Selbstironie. Denn Les Humphries wird im Pop-Olymp vielleicht nicht neben John Lennon und Jimi Hendrix thronen. Doch die Musikwahrnehmung der Frogg hat er entscheidend geprägt, und zwar in einem Alter, in dem's draufankommt: so zwischen sieben und neun.

Kleinfamilie Frogg wohnte damals in einer Dreizimmerwohnung am Stadtrand und sparte auf ein Eigenheim noch weiter draussen. Fernsehen war aus pädagogischen Gründen strikt rationiert. Statt dessen hörte klein Moni Frogg viel Musik. Dabei hatte sie die Wahl zwischen Vaters Marschmusik oder den Hitsingles von Mutter Frogg (so genannte Langspielplatten kauften sich die Eltern Frogg, wohl aus finanziellen Überlegungen, kaum). Klein Moni bevorzugte die Hitsingles von Mutter Frogg. Daliah Lavi, George Harrison, und, ja, die Les Humphries Singers. Sie liefen auf einem Plattenspieler im Design der späten sechziger Jahre (links im Bild; wenn man den Deckel zuklappte, konnte man das Ding offenbar sogar als Ablagefläche benutzen).
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plattenspieler
(im Bild Mutter Frogg mit Andreas und Moni Frogg an Weihnachten 1971, Bildautor dürfte Vater Frogg sein).

Für lange Zeit wusste die Frogg dank den Les Humphries Singers, Daliah Lavi und George Harrison, wie Musik zu klingen hat: So freudig, so berauschend, so zum Hüftschwenken. Ein Wissen, das vermutlich den Grundstein dafür legte, dass sie später Elvis und die Beatles mochte und viel später Tim Buckley, Oasis und Richard Ashcroft. Es ist nicht auszuschliessen, dass er, zusammen mit einigen anderen, einen Grundstein für noch viel mehr legte.

Zudem war Les Humphries mit Sicherheit der erste Engländer, den klein Moni, ein frühreifes Kind, irgendwie sexy fand - Pferdegesicht hin oder her. Es sollte nicht der letzte sein.

Und dann waren da noch diese Single-Covers, die man beim Musikhören so intensiv bestaunen, so innig studieren konnte. Das unten ist das Bild, das ich wahrscheinlich meine ganze Kindheit lang am längsten und intensivsten betrachtet habe. Mit Hilfe dieses Bildes hat klein Moni in der Schweizer Kleinstadt eine zugegebenermasse naive Vorstellung dafür enwickelt, wie auf dieser Welt Weisse, Asiaten und Afrikaner zusammen Spass haben können.

humphries

Aus Respekt für den alten Herrn habe ich sogar endlich meine Scheu vor YouTube-Videos überwunden und präsentiere Euch hier meinen Lieblingssong von anno dazumal: "Mexico".

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acqua - 3. Mär, 22:06

Hey Ho Yippeeiayay!

Und ich weiss erst seit zwei Tagen, dass es Les Humphries überhaupt gab, stell dir vor! Natürlich kenne ich seine Hits. Aber ich wusste nicht, wer sie interpretiert. Und ich wusste von den Les Humphries Singers. Aber ich hätte nie gedacht, dass es sich bei Les um einen Vornamen handelt sondern ging davon aus, dass es ein französischer Artikel ist. Ja, ich weiss! Sag nichts! Ich habe halt nicht lange darüber nachgedacht.
Als ich aber am Samstag durch meine Krankheit ans Sofa gefesselt war, liess ich Teile der Charts Show über mich ergehen. Und dort hörte ich zum ersten Mal von Les Humphries und von seinen Hits und von seinen Singers. Ach und jetzt ist er tot? Das war aber nur eine kurze, und leider auch sehr einseitige und zugegebenermassen oberflächliche, Bekanntschaft.

diefrogg - 4. Mär, 10:30

Du hast eben...

die Gnade der späten Geburt und wahrscheinlich eine viel bessere Musikerziehung genossen als ich. Ja, und er ist tot - offenbar schon zum zweitenmal, diesmal aber allem Anschein nach richtig.
Madame Lila - 4. Mär, 17:36

Jesses !
Du katapultierst mit deinem Text mein gemeines, dunkles ICH in die Tiefen der lila Kindheit zurück. (Merkt frau, dass ich an einem Seminar war ? CG Jung lässt grüssen.)

Oh ja. So eine Mutter hatte ich auch. Ich litt subtil darunter und konterte bald lautstark mit Deep Purple.

Frogg ? Wir litten gemeinsam, sozusagen.

diefrogg - 5. Mär, 13:07

@madamelila

Gut zu wissen, dass mit mit solchen Kindheiten nicht allein ist! Ich rebellierte sogar ebenfalls mit Deep Purple! Wenn auch eher gegen die Marschmusik meines Vaters ;)

monoblog - 5. Mär, 13:22

wir könnten in etwa gleich alt sein, deine beschreibung der kindheit ist genial, und fast alles trifft auf mich auch zu. aber wir hatten einen anderen plattenspielerkombiradiomitobenglasschiebeabdeckung...

diefrogg - 5. Mär, 14:06

Vielleicht war...

Eurer reformiert. Unserer war jedenfalls katholisch, und das zählte damals ja noch, wenn auch nur ein bisschen.
monoblog - 5. Mär, 14:59

das kanns nicht sein, unserer war stockkatholisch damals...
diefrogg - 5. Mär, 15:23

Tatsächlich?

Ja, dann... aber ich lese, Euer Schiebedach war aus Glas? Unseres war aus Holz. Wahrscheinlich hatten wir noch so ein günstiges Occasionsmodell aus den fünfziger Jahren. Ich muss mich einmal bei meinen Eltern erkundigen. Wer weiss, was da noch für Skelette unter der Plattenspielerabdeckung hervorkommen!

walküre - 5. Mär, 20:10

Wenn ich Glück hatte,

hörte ich die Hits in diesem Alter im Radio, wobei die Chance nicht sehr groß war, weil sofort weggeschalten wurde, wenn diese "englische Musik, als ob es keine deutschen Lieder gäbe" (sorry, meine Eltern wuchsen in der Hitlerzeit auf und haben die indoktrinierte Schei*e wohl ihr halbes Leben lang nicht durchschaut) gesendet wurde. Dafür wurde Les Humphries aber später in meiner Lieblingsdisko gerne gespielt, weil durch den Sound sogar in die langweiligsten Gäste munter wurden. Interessant ist auch, dass bei seinen Singers ein paar Leute waren, die später sehr erfolgreiche Solokarrieren im deutschsprachigen Raum starteten, unter anderem Jürgen Drews und Leslie Mandokie mit seinen "Dschingis Khan".

PS: Den Grand Marnier gabs wohl auch nur zu besonderen Anlässen, nehme ich an !

diefrogg - 6. Mär, 09:43

Der Grand Marnier!!!

Unglaublich! Den hatte ich gar nicht mehr beachtet! Steht da wie ein Dekorationselement! Wie die Dinge sich geändert haben! Vater Frogg hat jetzt eine ausgezeichnet sortierte Hausbar. Ja,natürlich gab es den Grand Marnier nur zu besonderen Anlässen. Und nur, wenn wir Besuch hatten, glaube ich. Was nicht allzu häufig vorkam. Irgendwie waren meine Eltern damals sehr zurückhaltend mit Einladen, wohl auch wegen uns Kindern.
acqua - 6. Mär, 10:24

Er ist wahrscheinlich das Einzige auf diesem Bild, das seit damals sein Stiling nie geändert hat. Ich meine den Grand Marnier.
turntable - 5. Mär, 20:22

die Les Humphries Singers mochte ich damals wie heute. auch Daliah Lavi fand ich gut (und George natürlich auch). natürlich war die zeit des guten Les (musikalisch) schon lange abgelaufen. seine letzte großtat war die titelmelodie zu "derrick" und dies liegt eine ewigkeit zurück. sein tod trifft mich weniger, da er auf meinem plattenteller weiterlebt:-)
grüße

diefrogg - 6. Mär, 18:06

Der Schmerzensschrei,

geschätzter Schallplattenfreund, betraf wohl weniger die Erkenntnis, dass Les Humphries tot ist als (wieder einmal) die Erkenntnis, dass die Zeit vergeht. Was die Singles betrifft: Die habe ich zwar von zu Hause mitgenommen. Meine Mutter interessierte sich nicht mehr dafür. Aber gehört habe ich sie nie mehr. Das wäre mir irgendwie kindisch vorgekommen. Angehört habe ich mir dieses Zeug erst wieder, als ich las, Humphries sei gestorben.
trox - 7. Mär, 00:16

noch ganz andere...

...hat wohl der gute Les Humphries inspiriert.

zum beispiel die da -- die geneigte bloggerschaft beachte den lead-sänger im hintergrund -- vergessenes kulturgut der frühen achtziger halt


diefrogg - 7. Mär, 10:49

Donnerwetter!

Ist das Herr Beuys?
trox - 7. Mär, 12:21

tatsächlich

ist das der Herr Beuys.

Diese kulturelle Erhellung habe ich Kuttner zu verdanken, der das Video auch so wunderschön kommentiert, dass alle seine Fans es immer wieder hören wollen, wie er (Kuttner) diesen Wahlkampfclip der Grünen beschrebt, wie Josef Beuys das Lied Sonne statt Reagan singt (im Wissen drum, dass er nicht singen kann, und im Wissen drum, dass auch sein Publikum weiss, dass er nicht singen kann .... so ein bisschen wie Mani Matter im Coiffeurgstüel), wie die Grünenfrauen in der linken Bildhälfte, die sonst leer wäre, ein Chörli sind, wie nichts zusammenpasst, wie der Beuys diesen Propeller mit dem Mikrofon grade mal noch rettet und ein wunderseltsames Verlegenheitsgrinsen als Übersprungshandlung intoniert (oder was tut man genau mit einem solchen Grinsen?), "und die Grünenfrauen nun einmal das Hüftwackeln nicht erfunden haben." (Netzeitung)
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