27
Jul
2013

Ich funktionierte

Ich hörte auf dem rechten Ohr fast gar nichts mehr. Aber ich funktionierte. Ich montierte links mein Hörgerät. Ich ging ins Büro. Ich arbeitete. Ich stellte fest: Das Hörgerät brachte mich über die Runden. Einigermassen.

Kurz vor zwölf Uhr begann mein rechtes Ohr, Lärm zu machen. Heftigen Lärm. Es dröhnte und sauste und pfiff wie eine wahnsinnig gewordene Lüftung. Das kenne ich mittlerweile. Wenn das passiert, weiss ich: Bald höre ich besser.

Ich hörte bald besser, wenigstens ein bisschen. Ein paar peinliche Situationen gab es. Als ich ging, traf ich im Treppenhaus flüchtig den netten Kollegen Mek. Ich muss vorausschicken: Treppenhäuser sind für Schwerhörige schreckliche Orte. Sie hallen. Die Leute haben es eilig und werfen einander irgendwelche Phrasen an den Kopf. Oder vielleicht auch mehr als Phrasen. Mek sagte: "Grumbelhallgrumbelhallhall... Wochenende." Er muss "schönes Wochenende" gesagt haben, dachte ich. Ich sagte: "Danke gleichfalls." Da drehte er sich um und sagte: "Nein, nein. Ich habe gesagt: Gehst Du jetzt ins Wochenende?" Ich war so gestresst, ich war nicht im Stande, ihm eine klare Antwort auf diese einfache Frage zu geben.

Ich ging nach Hause und war entsetzt: "Wenn das jetzt der Normalzustand wird, dann schaffe ich das nicht. Ich schaffe das nicht." Es ist unangenehm. Es ist demütigend. Es ist der Horror. Wenn man seine eigene Stimme nicht mehr hört, dann hat man keine Kontrolle mehr über sein Leben, dachte ich. Man weiss nicht, wie laut man sprechen muss, um sich Gehör zu verschaffen. Und die anderen hört man sowieso nicht mehr.

Aber ich habe solche Phassen schon ein paarmal durchgemacht. Ich denke: "Ich schaffe das nicht." Ich drehe fast durch. Dann wird es besser, und ich habe Angst, dass es wieder schlimmer wird. Dann wird es wieder schlimmer, und irgendwann habe ich mich dran gewöhnt, und es geht irgendwie. Manchmal bin ich sogar glücklich.

Und dann kommt das Nächste Desaster.

So ist das mit meinen Ohren. Seit 13 Jahren.

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juttahandley - 27. Jul, 21:08

zu Laut

Hallo liebe Schreiberin, du lässt mich glatt aufhorchen.Warum musste ich gerade deinen Blog lesen.?Ich lese fast gar nichts
?Du schreibst schön und es ist angenehm vor zu lesen.Meine Freundin und ich befassen uns mit Geistheilung .Hast du da mal hin gesehen?
13 Jahre Peinigung sind doch viel zu lange.Was tust du nur für dich?
Ich habe dir ein Paket geschnürt mit Heil Energien.Wenn du möchtest bitte deinen Schutzengel bei dir zu sein wenn du diese Energien empfängst .Wann immer du willst kannst du es dir bequem machen und dir vorstellen das JETZT mögliche Heilung geschieht.
In Licht und Liebe Jutta Handley

diefrogg - 28. Jul, 10:45

Tatsächlich...

hat sich der Zustand meines Gehörs in der letzten Nacht auf geradezu erstaunliche Weise verbessert!

Ein Wunder? Oder einfach eine der vielen, vielen rätselhaften Schwankungen einer Menière-Erkrankung? Noch weiss ich es nicht. Aber was immer es auch sei: Dir, liebe Jutta, meinen allergrössten Dank für Deinen Kommentar und Deinen Beistand.

Man kann Hörenden gar nicht erklären, was es bedeutet, auch nur für ein paar Stunden gut zu hören. Es ist grossartig.
Kätzerin - 28. Jul, 03:23

Hui,

in der Vornacht hatte ich nicht den Mut, ich hab nämlich sowas ähnliches versucht wie meine vorherige Kommentatorin. Und zum Teil erfolgreich. Doch ehe ich dazu paar erklärende Worte abgebe, liebe Philemon, vielleicht beruhigt Dich das wengerl, nämlich zumindest hier heroben in der rheinischen Metropole sind die Ozonwerte gleich mit den ersten sommerlichen Sonnenstrahlen gestiegen, alle Jahre wieder. Und die Medien verlieren darüber selten einmal ein Wort. Erhöhte Ozonwerte bedeuten eine beträchtliche Zusatzbelastung für den gesamten Organismus, unser Immunsystem und besonders die Schleimhäute.

Also, ich hab mich an eine Heilerin gewendet, die mir empfohlen worden ist, die somit bereits im Bekanntenkreis Erfolge verbucht haben muß, die allerdings eh kaum Zeit erübrigen kann, und die mich nicht schamlos ausgenommen hat. Sie nennt das was sie mir zukommen läßt u. a. "Christusenergien".

Um mich da möglichst kurz zu fassen: Bei mir war ab der BWS, Kopf (Tinnitus usw.), Kiefergelenke (Zahnweh!), alles heillos verspannt, obwohl ich über Monate dagegen unternommen hab, was mir nur alles einfiel. Der Zahnarzt wollte mich in seiner Hilflosigkeit zum Neurologen schicken. Ist jetzt jedoch alles wieder weitgehend entspannt, was an ein Wunder grenzt. Und ich selbst mußte nur wenig Einsatz leisten, weißt, extra Wasser trinken und andere einfache Tipps hab ich erhalten. Oh, und die Finger von Süßem lassen, aber bisserl nasch ich dennoch regelmäßig.

Ich hab mich also darauf eingelassen, obwohl mir seit Jahren klar ist, daß wir unser Schicksal nicht ändern können. Es scheint mithin trotzdem genau das Richtige zur richtigen Zeit gewesen sein, was das Schicksal von mir wollte und zugelassen hat.

Dazu hab ich mir einen eigenen neuen Konsens zusammengewürfelt, er besteht aus Dankbarkeit, weil wir doch zum Beispiel in einer Zeit und einem Umfeld leben, frei von Katastrophen, Hungersnöten und so fort. Und Du erinnerst Dich noch, für mich ist das Universum Gott, die Schöpfung, unser Schicksals, unsere Bestimmung, unser Leben.

Neben der Heilerin wurden mir nämlich noch von einem anderen wertgeschätzten Mitmenschen Karten empfohlen, die auf kurzen Gebeten für Angehörige jeder Religion und Philosophie vor allem in Dankbarkeit basieren. Ich gehe nicht mit allen Textvorschlägen von dieser sanften Heilmethode konform, größtenteils aber schon. Im Grunde ist das sowas, wie "Gute Wünsche" je nachdem weiterzuleiten, und natürlich primär mit der Bitte um Heilung. Und wenn es einen nur einen einzigen Schritt weiterbringt, so sag ich mir, dann hat sich der vergleichsweise geringe Aufwand schon gelohnt. Klar durchschreite ich nach wie vor noch meine zermürbenden Täler, doch dieses Heilsystem ist nebenwirkungsfrei, und vor allem: Ich komme mir damit jetzt endlich wieder nicht mehr gar so hilflos vor. Weil, ich hab doch prinzipiell nicht mehr gebetet, wo ich mir schließlich gesagt hab, daß das Schicksal unnachgiebig ist. Damit war für mich jedes Gebet sinnlos geworden, allerdings hab ich meinen Mitmenschen, die für mich gebetet haben, sehr wohl meinen aufrichtigen Dank ausgedrückt.

Wenn Du zum Kennenlernen den Link für die Karten, Anleitungsbuch usw. wünschst, geb ich ihn Dir gern bekannt.

diefrogg - 28. Jul, 10:53

Auch Ihnen...

vielen Dank, frau kätzerin. Es ist doch immer wieder schön, ab und zu von Ihnen einen Gruss zu bekommen!

Was meinen Zugang zur Heilerei betrifft: Ich muss sagen, ich habe in diese Richtung schon allerhand versucht - meist ohne Erfolg, einmal mit einem bescheidenen Teilerfolg: Ein Heiler hat mich auf die Möglichkeiten der richtigen Ernährung bei meiner Krankheit aufmerksam gemacht. Er lag selber in seiner Beurteilung nicht ganz richtig - wies mich aber in eine gute Richtung.

Heute esse ich - jedenfalls, wenn es mir nicht gutgeht - möglichst salzarm, nehme kaum Kaffee und möglichst viel frisches Gemüse zu mir. Eigentlich sollte ich auch zuckerarm leben - aber das erweist sich bei meinen Vorlieben als nicht ganz einfach.

Früher war ich ernährungstechnisch geradezu sektiererisch. Heute bin ich dankbar dafür, in einem Land zu leben, in dem wir das Essen richtig geniessen können und geniesse es auch. Das ist ein Zielkonflikt, den ich je nach Verfassung löse.
Kätzerin - 29. Jul, 03:40

Sehr vorbildlich,

liebe Frau frogg. Wir sind schließlich ein jeder unser eigenes Versuchskaninchen. Ich muß mich nämlich überdies noch nach meinen Nahrungsmittelintoleranzen richten, und ich verzichte fast völlig auf tierisches Eiweiß, weil ich damit nachweislich freier von Beschwerden bleibe. Ansonsten wie Du, also ich meine, ernährungstechnisch lebe ich sehr ähnlich wie Du. Womit Du wieder vollkommen richtig liegst: Wir haben was zu essen, sogar qualitativ hochwertiges, und darüber sollten wir vielleicht hie und da abseits vom Alltagsgeschehen in uns gehen und dies dankbar zum Ausdruck bringen. :-)
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