Er schliesst mit dem Leben ab
Als die Alliierten am 6. Juni 1944 französischen Boden betraten, konnte der deutsche Gefreite Fred Feuerstein nur noch eine kurze Notiz an seine Frau und seine Tochter verfassen (hier nachzulesen).
Dass seiner Welt der Zusammenbruch drohte, hatte er aber bereits im Mai erkannt. Am 21. Mai 1944 schliesst er in einem Brief an seine Frau mit dem Leben ab. Ihn plagen Schuldgefühle: "'mea culpa‘ muss ich mir immer wieder sagen. Wahrhaftig eine harte Sühne. … Ich möchte jetzt nicht gerne scheiden und bei meiner Familie einen Berg von Schuld hinterlassen, ungesühnt und nicht wieder gut gemacht wie ein trauriger Lump, dem alles gleich ist. Sollte mir ein Leid geschehen, … so nehme Du, meine innigst geliebte … meinen herzlichen, tiefgefühlten Dank für alles, aber auch restlos alles, was Du vom ersten Tag an unserer jungen Liebe über die 20 Jahre hinweg mir und meinem Kinde geopfert hast. … Sollte ich nicht wiederkehren, dann bitte ich Dich, dem Kinde eine gute Erziehung und Schulung angedeihen zu lassen und dass in ihm nur meine guten Tugenden fortleben werden, nicht aber etwaige Erbansätze negativer Art auswachsen können."
Was ist es, was Fred nun so bitter bereut? Genau können wir es nicht sagen. Sicher ist, dass er in der Schweiz geschäftlich gescheitert war und einen Berg Schulden hinterliess. Er suchte in Grossdeutschland mit Frau und Tochter ein neues Auskommen - was in der Familie nicht auf ungeteilten Begeisterung stiess. So schreibt der 41-jährige Fred am 11. März 1943 aus der soldatischen Schnellbleiche irgendwo in Österreich: "Die Briefe von (Deiner) Mutter in Aarau sind ja recht blöd und ein Teil der Zeilen von Dorli* auch. Wenn die glauben, Dich und Ernestinli hinein (in die Schweiz) zu lotsen, dann mögen sie es tun. Ich glaube zwar kaum, dass Du neugierig wärest... der Mutter den "Holmer"** zu machen und dann noch die materiellen Sorgen. Die Mutter jammert ja selber im gleichen Brief über die Teuerung. Lies einmal richtig die Inkonsequenz im Brief! ... Gib ihnen doch einmal klar und deutlich zu verstehen, dass Du es hier doch trotz des Krieges materiell sorgenfrei hast."
Nur eben: Ein Jahr später war es mit der Sorglosigkeit vorbei. Ehefrau Erna und Tochter Ernestina lebten in einer Stadt, auf die 1944 Bomben fielen. Fred begriff, dass seine Emigration aus der Schweiz ein Fehler gewesen war.
Er muss verzweifelt gewesen sein, voller Scham - und wütend. Gegen wen aber richtete sich seine Wut? Gegen den so genannten Führer? Gegen die Ideologie, der er aufgesessen war? Noch stellt er offenbar die nationalsozialistische Vererbungslehre nicht in Frage. Und sonst?
Wir werden sehen.
* Schwester von Erna
** "Holmer" ist schweizerdeutsch und kommt von "Hol mir". Der "Holmer" ist etwas ähnliches wie der Schani: Einer, der für den Chef unbequeme Arbeiten erledigt.
Dass seiner Welt der Zusammenbruch drohte, hatte er aber bereits im Mai erkannt. Am 21. Mai 1944 schliesst er in einem Brief an seine Frau mit dem Leben ab. Ihn plagen Schuldgefühle: "'mea culpa‘ muss ich mir immer wieder sagen. Wahrhaftig eine harte Sühne. … Ich möchte jetzt nicht gerne scheiden und bei meiner Familie einen Berg von Schuld hinterlassen, ungesühnt und nicht wieder gut gemacht wie ein trauriger Lump, dem alles gleich ist. Sollte mir ein Leid geschehen, … so nehme Du, meine innigst geliebte … meinen herzlichen, tiefgefühlten Dank für alles, aber auch restlos alles, was Du vom ersten Tag an unserer jungen Liebe über die 20 Jahre hinweg mir und meinem Kinde geopfert hast. … Sollte ich nicht wiederkehren, dann bitte ich Dich, dem Kinde eine gute Erziehung und Schulung angedeihen zu lassen und dass in ihm nur meine guten Tugenden fortleben werden, nicht aber etwaige Erbansätze negativer Art auswachsen können."
Was ist es, was Fred nun so bitter bereut? Genau können wir es nicht sagen. Sicher ist, dass er in der Schweiz geschäftlich gescheitert war und einen Berg Schulden hinterliess. Er suchte in Grossdeutschland mit Frau und Tochter ein neues Auskommen - was in der Familie nicht auf ungeteilten Begeisterung stiess. So schreibt der 41-jährige Fred am 11. März 1943 aus der soldatischen Schnellbleiche irgendwo in Österreich: "Die Briefe von (Deiner) Mutter in Aarau sind ja recht blöd und ein Teil der Zeilen von Dorli* auch. Wenn die glauben, Dich und Ernestinli hinein (in die Schweiz) zu lotsen, dann mögen sie es tun. Ich glaube zwar kaum, dass Du neugierig wärest... der Mutter den "Holmer"** zu machen und dann noch die materiellen Sorgen. Die Mutter jammert ja selber im gleichen Brief über die Teuerung. Lies einmal richtig die Inkonsequenz im Brief! ... Gib ihnen doch einmal klar und deutlich zu verstehen, dass Du es hier doch trotz des Krieges materiell sorgenfrei hast."
Nur eben: Ein Jahr später war es mit der Sorglosigkeit vorbei. Ehefrau Erna und Tochter Ernestina lebten in einer Stadt, auf die 1944 Bomben fielen. Fred begriff, dass seine Emigration aus der Schweiz ein Fehler gewesen war.
Er muss verzweifelt gewesen sein, voller Scham - und wütend. Gegen wen aber richtete sich seine Wut? Gegen den so genannten Führer? Gegen die Ideologie, der er aufgesessen war? Noch stellt er offenbar die nationalsozialistische Vererbungslehre nicht in Frage. Und sonst?
Wir werden sehen.
* Schwester von Erna
** "Holmer" ist schweizerdeutsch und kommt von "Hol mir". Der "Holmer" ist etwas ähnliches wie der Schani: Einer, der für den Chef unbequeme Arbeiten erledigt.
diefrogg - 24. Feb, 11:07
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