Altenheim und Totenschädel
Der Anblick eines Altersheims hat eine extrem klärende Wirkung auf meinen Geist. Die Nähe einer solchen Einrichtung wirkt auf mich wie auf unsere Vorfahren der Anblick eines Totenschädels: als ein memento mori. Eine Erinnerung daran, dass ich sterben werde.
Totenschädel wirken auf uns Heutige ja nur noch pittoresk. Sehen wir so einen Knochenhaupt, denken wir an den Totenkult in Mexiko und bekommen Lust auf eine herbstliche Reise in den fernen Süden.
(Quelle: www.mexiko4u.at)
Über wichtige Fragen im Leben sollte man deshalb nicht angesichts eines Totenschädels entscheiden. Sondern in der Nähe eines Altersheims (ja, ich weiss - es heisst korrekt hochdeutsch "Altenheim" - aber lasst mich hier schreiben, wie es mir das Leben in die Nervenenden meiner Finger graviert hat: Auf Schweizerdeutsch heisst es Altersheim, oder marketingdeutsch: Betagtenzentrum).
Bei einem Gang am Betagtenzentrum in unserem Quartier vorbei habe ich mich vor sieben Jahren gegen das Kinderkriegen entschieden. "Du wirst einmal an Weihnachten hier drin sitzen und ganz allein sein", sagte eine innere Stimme zu mir. Ich antworte: "Ja, ich weiss. Das ist traurig. Aber leben muss ich jetzt." Ich staunte, wie gelassen ich dabei blieb.
Und dieser Tage schritt ich mit lautem Gedröhn in den Ohren durch vorabendliches Verkehrschaos im Westen unserer Stadt. Ich war grauenhaft schwerhörig. Es dunkelte schon. Plötzlich sah ich aus dem Augenwinkel am Himmel über mir ein paar Vögel vorbeiziehen. "Störche?" dachte ich. Ich hob den Kopf gen Himmel. Es waren wohl nur Krähen, aber ich sah die Weite über mir und plötzlich klärten sich wenigstens meine Gedanken. "Es könnte Dir noch schlechter gehen", dachte ich. Sekunden später sah ich zu meiner Rechten den Turm des örtlichen Betagtenzentrums Eichhof.
(das Hochhaus links im Hintergrund)
Da schoss es mir durch den Kopf: "Eines Tages wird es Dir schlechter gehen."
Seither keimt in mir so etwas wie Optimismus. Eine Art Neugier auf die Taubheit.
Totenschädel wirken auf uns Heutige ja nur noch pittoresk. Sehen wir so einen Knochenhaupt, denken wir an den Totenkult in Mexiko und bekommen Lust auf eine herbstliche Reise in den fernen Süden.
(Quelle: www.mexiko4u.at)
Über wichtige Fragen im Leben sollte man deshalb nicht angesichts eines Totenschädels entscheiden. Sondern in der Nähe eines Altersheims (ja, ich weiss - es heisst korrekt hochdeutsch "Altenheim" - aber lasst mich hier schreiben, wie es mir das Leben in die Nervenenden meiner Finger graviert hat: Auf Schweizerdeutsch heisst es Altersheim, oder marketingdeutsch: Betagtenzentrum).
Bei einem Gang am Betagtenzentrum in unserem Quartier vorbei habe ich mich vor sieben Jahren gegen das Kinderkriegen entschieden. "Du wirst einmal an Weihnachten hier drin sitzen und ganz allein sein", sagte eine innere Stimme zu mir. Ich antworte: "Ja, ich weiss. Das ist traurig. Aber leben muss ich jetzt." Ich staunte, wie gelassen ich dabei blieb.
Und dieser Tage schritt ich mit lautem Gedröhn in den Ohren durch vorabendliches Verkehrschaos im Westen unserer Stadt. Ich war grauenhaft schwerhörig. Es dunkelte schon. Plötzlich sah ich aus dem Augenwinkel am Himmel über mir ein paar Vögel vorbeiziehen. "Störche?" dachte ich. Ich hob den Kopf gen Himmel. Es waren wohl nur Krähen, aber ich sah die Weite über mir und plötzlich klärten sich wenigstens meine Gedanken. "Es könnte Dir noch schlechter gehen", dachte ich. Sekunden später sah ich zu meiner Rechten den Turm des örtlichen Betagtenzentrums Eichhof.
(das Hochhaus links im Hintergrund)
Da schoss es mir durch den Kopf: "Eines Tages wird es Dir schlechter gehen."
Seither keimt in mir so etwas wie Optimismus. Eine Art Neugier auf die Taubheit.
diefrogg - 12. Jan, 11:11
8 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
books and more - 12. Jan, 12:43
Hier im Süddeutschen heißt es auch 'Altersheim', neuerdings freilich 'Seniorenresidenz'.
diefrogg - 12. Jan, 13:27
Das Wort...
Seniorenresidenz ging mir auch durch den Kopf. Ich assoziierte es aber eher mit Villen in grossen Parks, privat geführten Einrichtungen mit einem makellosen Erscheinungsbild und wahrscheinlich astronomischen Gebühren für die Residenten. Die Altersheime, die ich beim Spazieren sehe, sind in der Regel staatlich geführte Einrichtungen. Dort lässt es sich durchaus in Würde sterben, und die Pflege ist - so weit ich aus Anschauung weiss - von hoher Qualität und meist auch liebevoll. Die Gebühren auch nicht ganz ohne. Aber es sind eben staatliche Einrichtungen. Man sieht den Unterschied schon am Web-Auftritt: Hier das Betagtenzentrum Eichhof, sachlich und kühl. Und da die Residenz mit Bildern von glücklichen Senioren in warmem Licht wie bei einer Eduscho-Werbung.
nömix - 12. Jan, 14:20
Im österreichischen heißt das Altersheim umgangssprachlich Pensionistenheim. Recht respektvoller Ausdruck, eigentlich.
diefrogg - 12. Jan, 14:30
Ja, recht respektvoll.
Das erwartet unsereiner ja aber auch von Euch Österreichern - einen respektvollen Umgang mit Menschen in allen Lebenslagen ;)
Wegen des "ist" am Schluss klingt es aber auch ein bisschen so, als wäre Pensionist ein politisches Bekenntnis - wo möglich ein zum Radikalismus neigendes. Das gibt dem Wort diesen unverkennbar österreichen Reiz der Doppelbödigkeit.
Wegen des "ist" am Schluss klingt es aber auch ein bisschen so, als wäre Pensionist ein politisches Bekenntnis - wo möglich ein zum Radikalismus neigendes. Das gibt dem Wort diesen unverkennbar österreichen Reiz der Doppelbödigkeit.
steppenhund - 12. Jan, 14:46
Der Unterschied zwischen Pensionistenheim und Seniorenresidenz ist schon finanziell leicht feststellbar. Er liegt aber auch ein bisschen in der Einstellung der Betroffenen selbst. Ich kannte Nachbarn, die haben seit ihrem 50ten Lebensjahr finanzielle Vorsorge getrieben und sich entsprechend auch sehr früh angemeldet. In guten Pensionistenheimen unterzukommen, ist nicht nur eine Frage der Finanz sondern auch der vorausschauenden Planung und der Bereitschaft, überhaupt in ein solches zu ziehen. Einige Menschen lehnen das ja rundweg ab, weil sie es sich nicht vorstellen können, mit anderen gemeinsam ausschließlich auf das Sterben zu warten. -
Ich persönlich würde auch lieber in einer Familie bleiben, allerdings auch nicht zur Last fallen wollen. Mein eigenes Leben in einer Seniorenresidenz kann ich mir ganz nett vorstellen: mit anderen Schach und Karten zu spielen, für die Mitbewohner Konzerte zu geben. (Die Heime, die ich kenne, haben alle einen Flügel.) Mittlerweile würde ich mich durch das Internet auch nicht vom Leben ausgeschlossen fühlen.
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Etwas anderes ist allerdings der Unterschied vom Altersheim zum Alterspflegeheim. Es muss schon deprimierend sein, wenn man vom ersteren in den Trakt des zweiten verlegt wird, weil man nicht mehr ohne fremde Hilfe auskommen kann. Da meine Frau die letzten zehn Jahre in einem Alterspflegeheim gearbeitet hat, bin ich mit den Usancen wohl vertraut. Hier scheidet sich auch die Spreu vom Weizen - und zwar bei den Gepflegten. Es gibt Nörgler und sonnige Gemüter, wobei die Stimmungslage gar nicht von der Schwere des Pflegefalls abzuhängen scheint. Manchmal scheint es fast so, dass bestimmte Menschen es doch gar nicht verdient hätten, dass sie so schwer in Mitleidenschaft gezogen sind. Aber gerade die sind es, die mit ihrer guten Stimmung oft den anderen etwas Erleichterung verschaffen können.
Die Großmutter und meine Mutter sind nach relativ kurzer Spitalzeit ebendort verstorben. Die Großväter haben bis zu ihrem Ende allein gelebt. Der Vater meines Vaters hat sich beim Lichtauswechseln ein Bein gebrochen und ist dann im Spital im Alter von 96 Jahren gestorben. Mein Vater wurde von meiner Frau bei uns zu Hause sechs Jahre gepflegt (Parkinson) und ist zu Hause mit 90 gestorben. Ich hatte den Eindruck, dass er so froh war, die Enkelkinder und unseren damaligen Hund in seinen letzten Jahren dabei zu haben.
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Das bringt mich natürlich zu dem Schluss, dass egal ob das Lebensende zu Hause oder im Altersheim erlebt wird, eine gute familiäre Beziehung der beste Garant für ein würdevolles oder noch besser friedliches Ableben ist.
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Meine Frau scheint sich an ihren Tanten ein Vorbild zu nehmen. Eine ist mit 92 (jahrelang mit Diabetes) noch relativ rüstig gestorben. Die andere hat vor einem Jahr (sie ist jetzt 91) das Fahren ihres Käfers aufgegeben. Es ist unglaublich, wie präsent trotz ihrer Dementis diese Frau noch ist.
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Dass ich selber Mitglied in einem Verein bin, bei dem der Altersdurchschnitt ca. bei 70 liegt und die 80er noch rüstig ihre eigenen Beiträge schreiben und vortragen, habe ich glaube ich schon einmal erwähnt. Die Pflege von Kunst und Humor scheint hier eine ziemlich gute Medizin zu sein.
Ich persönlich würde auch lieber in einer Familie bleiben, allerdings auch nicht zur Last fallen wollen. Mein eigenes Leben in einer Seniorenresidenz kann ich mir ganz nett vorstellen: mit anderen Schach und Karten zu spielen, für die Mitbewohner Konzerte zu geben. (Die Heime, die ich kenne, haben alle einen Flügel.) Mittlerweile würde ich mich durch das Internet auch nicht vom Leben ausgeschlossen fühlen.
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Etwas anderes ist allerdings der Unterschied vom Altersheim zum Alterspflegeheim. Es muss schon deprimierend sein, wenn man vom ersteren in den Trakt des zweiten verlegt wird, weil man nicht mehr ohne fremde Hilfe auskommen kann. Da meine Frau die letzten zehn Jahre in einem Alterspflegeheim gearbeitet hat, bin ich mit den Usancen wohl vertraut. Hier scheidet sich auch die Spreu vom Weizen - und zwar bei den Gepflegten. Es gibt Nörgler und sonnige Gemüter, wobei die Stimmungslage gar nicht von der Schwere des Pflegefalls abzuhängen scheint. Manchmal scheint es fast so, dass bestimmte Menschen es doch gar nicht verdient hätten, dass sie so schwer in Mitleidenschaft gezogen sind. Aber gerade die sind es, die mit ihrer guten Stimmung oft den anderen etwas Erleichterung verschaffen können.
Die Großmutter und meine Mutter sind nach relativ kurzer Spitalzeit ebendort verstorben. Die Großväter haben bis zu ihrem Ende allein gelebt. Der Vater meines Vaters hat sich beim Lichtauswechseln ein Bein gebrochen und ist dann im Spital im Alter von 96 Jahren gestorben. Mein Vater wurde von meiner Frau bei uns zu Hause sechs Jahre gepflegt (Parkinson) und ist zu Hause mit 90 gestorben. Ich hatte den Eindruck, dass er so froh war, die Enkelkinder und unseren damaligen Hund in seinen letzten Jahren dabei zu haben.
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Das bringt mich natürlich zu dem Schluss, dass egal ob das Lebensende zu Hause oder im Altersheim erlebt wird, eine gute familiäre Beziehung der beste Garant für ein würdevolles oder noch besser friedliches Ableben ist.
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Meine Frau scheint sich an ihren Tanten ein Vorbild zu nehmen. Eine ist mit 92 (jahrelang mit Diabetes) noch relativ rüstig gestorben. Die andere hat vor einem Jahr (sie ist jetzt 91) das Fahren ihres Käfers aufgegeben. Es ist unglaublich, wie präsent trotz ihrer Dementis diese Frau noch ist.
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Dass ich selber Mitglied in einem Verein bin, bei dem der Altersdurchschnitt ca. bei 70 liegt und die 80er noch rüstig ihre eigenen Beiträge schreiben und vortragen, habe ich glaube ich schon einmal erwähnt. Die Pflege von Kunst und Humor scheint hier eine ziemlich gute Medizin zu sein.
diefrogg - 13. Jan, 11:33
Puncto Leidensfähigkeit...
hat es in meinem Umfeld immer wieder ältere Menschen gegeben, die mich sehr beeindruckt haben, zum Beispiel der Tigervater. Man rechnet ja damit, dass das Alter Unannehmlichkeiten bringt. Dennoch wollen sie dann halt geduldig und mit Humor ertragen sein. Das gelingt nicht jedem. Ich möchte diesbezüglich lieber keine Prognose für mich selber machen. Man lernt solche Wesenszüge an sich selber immer erst dann kennen, wenn sie sich zwangsläufig offenbaren.
sunsan2 - 13. Jan, 19:53
Taubheit
Liebe Frau Frogg
du scheinst dir einer bevorstehenden Taubheit relativ sicher zu sein?
Ich lasse dir ganz besonders liebe Grüße da.
Susanne
du scheinst dir einer bevorstehenden Taubheit relativ sicher zu sein?
Ich lasse dir ganz besonders liebe Grüße da.
Susanne
diefrogg - 13. Jan, 21:31
Naja, an manchen Tagen
bin ich so schwerhörig, dass ich Mühe habe, in einem ruhigen Raum einer Zweierkonversation zu folgen. An jenem Tag war das so. Zum ersten Mal merkte ich, wie ich mich in einer Situation bewusst bemühte, jemandem von den Lippen zu lesen. In solchen Momenten bin ich - geborene Pessimistin - mir meiner bevorstehenden Taubheit relativ sicher. Aber das kann sich auch wieder ändern. Heute war ich schnell in einem Café und habe ohne Hörgerät einen Song zum ersten Mal gehört - und ich wusste, dass er von Jimi Hendrix sein musste. Das sind gute Tage.
Aber vielleicht ist es so, dass ich den Begriff Taubheit ein wenig frivol verwende, zugespitzt, wie wir im Journalistenjargon sagen - erst wenn ich wieder Leute treffe, die wirklich sehr, sehr schlecht hören, wird mir jeweils bewusst, dass das nicht ganz zulässig ist.
Aber vielleicht ist es so, dass ich den Begriff Taubheit ein wenig frivol verwende, zugespitzt, wie wir im Journalistenjargon sagen - erst wenn ich wieder Leute treffe, die wirklich sehr, sehr schlecht hören, wird mir jeweils bewusst, dass das nicht ganz zulässig ist.
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