20
Mrz
2011

Mitgefühl

Heute haben in den Sonntagszeitungen gleich mehrere Chefredaktoren und Chef-Kommentatoren mehr Mitgefühl für die Menschen in Japan gefordert - und weniger hysterisches Geschwätz über AKWs. "Was ist mit mir los?" dachte Frau Frogg. "Bin ich eine hysterische Westlerin auf dem Ego-Trip? Habe ich kein Mitgefühl für die Menschen in Japan?"

Die Antwort lautet: Natürlich bin ich eine hysterische Westlerin. Was könnte ich anderes sein? Dennoch habe ich natürlich Mitgefühl für die Menschen in Japan. Mir wird das Herz schwer, wenn ich den japanischen Premierminister auf Fernsehbildern aus Japan sehe. Links oben im Bild sieht man dann immer auch die Frau, die seine Aussagen in Gebärdensprache übersetzt. Dann muss ich an die Japanerinnen und Japaner denken, die täglich die Zumutungen einer Behinderung bewältigen müssen. Und jetzt noch das.... Und natürlich möchte ich weinen, wenn ich Bilder von den Menschen sehe, die zwischen den Trümmern des Tsunamis Spuren ihrer Angehörigen suchen.

Aber ich habe bislang kein Bedürfnis gespürt, dieses Mitgefühl öffentlich zu bekunden. Dafür habe ich einfach zu viele Ausland-Seiten einer Tageszeitung gemacht. Wer Ausland-Seiten macht, entscheidet jeden Tag über das Gewicht von buchstäblich Dutzenden von Todesfällen. Das ist in diesen Tagen nicht anders, wie mir ein Blick in die gestrige Ausgabe des "Tagesanzeigers" bestätigt: Es starben nicht nur Menschen in Japan und Libyen. Nein. In Pakistan starben am Freitag 40 Menschen bei einem amerikanischen Drohnenangriff. Sie waren den "Tagi" genau eine Nachricht wert. Verdienen ihre Angehörigen nicht auch mein Mitgefühl, ja, meine Empörung über jene, die ihr Leid verschulden? Und wie steht es mit den weiteren paar Dutzend Opfern in anderen Konflliktregionen dieser Welt, die es sehr wahrscheinlich gab - die aber die Zeitungen nicht einmal in ihren Randspalten erwähnten?

Bitte versteht mich nicht falsch: Ich will das menschliche Leid in Japan nicht herunterspielen. Ich denke hier lediglich laut nach. Ich meine: Chefredaktoren und Chef-Kommentatoren wissen, wie man die Auslandseiten einer Zeitung macht. Ich frage mich, weshalb sie in diesen Tagen so sehr an unser MItgefühl appellieren.

Trackback URL:
https://froggblog.twoday.net/stories/15732541/modTrackback

Walter B - 20. Mär, 17:49

Vielleicht versuchen die Chefredak- und -Kommentatoren ja auch nur, die KKWs etwas aus der Schusslinie zu nehmen ... Zudem: Kann man Mitgefühl fordern? Und: Wie fühlt man kollektiv mit?

Einen stimmigen Text zum Thema, allerdings zur Betroffenheit, habe ich hier gelesen: http://gleisbauarbeiten.blogspot.com/2011/03/gegen-die-betroffenheit.html.

creature - 20. Mär, 19:41

betroffenheit kann man nicht einfordern, entweder ist sie da oder nicht.
bei uns in den foren der medien wurde es von pro-atom schreibern bis zum geht-nicht-mehr strapaziert.
mit der freude ist es ja auch so.

trox - 22. Mär, 01:10

http://www.youtube.com/watch?v=5sakN2hSVxA&feature=player_embedded

(hmm, ja, ein bisschen wortkarg ob all der misere)

diefrogg - 22. Mär, 18:15

Interessantes Video...

aber ich weiss nicht recht, ob ich es nicht etwas verharmlosend finden soll (ob all der Misere).
logo

Journal einer Kussbereiten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Impressum

LeserInnen seit dem 28. Mai 2007

Technorati-Claim

Archiv

März 2011
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 3 
 4 
 6 
 7 
 9 
11
13
15
17
21
22
24
25
26
28
29
30
31
 
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Kommentar
Liebe Frau frogg, schauen Sie bitte bei WordPress...
Freni - 28. Nov, 20:21
Ein schreckliches Tal
Soglio im Bergell, Oktober 2013. Was habe ich Freunde...
diefrogg - 6. Okt, 20:27
Liebe Rosenherz
Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
Ja, die selektive Wahrnehmung...
auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

Status

Online seit 7365 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 17. Sep, 17:51

Credits


10 Songs
an der tagblattstrasse
auf reisen
bei freunden
das bin ich
hören
im meniere-land
in den kinos
in den kneipen
in den laeden
in frogg hall
kaputter sozialstaat
kulinarische reisen
luzern, luzern
mein kleiner
offene Briefe
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren