Japan-Katastrophe kam ganz leise
Katastrophen erreichen unsere Redaktion stets ganz leise. Plötzlich läuft irgendwo im Grossraumbüro ein Fernseher mit ganz wenig Ton. Dann ein zweiter und dritter. Niemand schaut hin. Die meisten sind an Sitzungen. Man muss schliesslich reagieren. Ich muss nicht reagieren. Ich sitze zwar in einem Newsroom. Aber meistens bekomme ich zuletzt mit, was passiert. Ich schaute auch nicht hin.
Erst gegen 11 Uhr kam Schlafmütze Frogg dann endlich auf die Idee, auf dem Internet nachzuschauen, was eigentlich los sei. Ich las "atomarer Notstand". Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken.
Als die Kollegen von der Sitzung kamen, begann Phase 2 der Katastrophen-Bewältigung: Gelächter. "Na, ist Deine nächste Reise-Destination Japan?" fragte jemand den Kollegen, den wir den Katastrophen-Reporter nennen. Er war zufällig in Sharm el Sheik, als die Ägypter aufstanden. "Klar. Und auf der Durchreise schaue ich noch schnell in Libyen vorbei."
Phase 3 begann am frühen Nachmittag: Hektik. Die Kollegen vom Newsdesk suchten verzweifelt Leute, die ein paar Worte zur Sache schreiben könnten. Wie üblich hatte eigentlich niemand Zeit für das Unerwartete.
Ich hatte Zeit. Ich war ausserordentlich früh fertig mit meiner Arbeit. Ich meldete mich freiwillig. Eine halbe Stunde später hatte ich einen Atomkraft-Experten am Telefon. Ich habe so etwas seit meinen Hörstürzen vor bald anderthalb Jahren nicht mehr gemacht. Ein paar Alarmlämpchen leuchteten auf. Ich ignorierte sie.
Phase 4 ist wieder sehr still und dauert meist bis Druckbeginn kurz vor Mitternacht: Jeder erledigt seinen Job so speditiv wie möglich.
Ich war um 18 Uhr fertig. Als ich meinen Computer herunterfuhr, wusste ich nicht, welchem Gefühl ich mich zuerst widmen sollte:
- Der Bestürzung über die Katastrophe
- Der Euphorie, wieder geschrieben zu haben
- Der Angst, meine Ohren überfordert zu haben
- Dem Gedankensturm, den mein neues Wissen über AKWs erzeugte
Ich ging nach Hause und sah mir einen Kostümschinken an.
Heute eiert das gute Ohr ein bisschen. Ich lese zuerst mich selbst auf der Seite 4. Journalisten sind eitel. Dann lese ich alles andere, was ich über das Unglück in die Finger bekomme. Ich mache mir grosse Sorgen über das AKW Fukushima.
Erst gegen 11 Uhr kam Schlafmütze Frogg dann endlich auf die Idee, auf dem Internet nachzuschauen, was eigentlich los sei. Ich las "atomarer Notstand". Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken.
Als die Kollegen von der Sitzung kamen, begann Phase 2 der Katastrophen-Bewältigung: Gelächter. "Na, ist Deine nächste Reise-Destination Japan?" fragte jemand den Kollegen, den wir den Katastrophen-Reporter nennen. Er war zufällig in Sharm el Sheik, als die Ägypter aufstanden. "Klar. Und auf der Durchreise schaue ich noch schnell in Libyen vorbei."
Phase 3 begann am frühen Nachmittag: Hektik. Die Kollegen vom Newsdesk suchten verzweifelt Leute, die ein paar Worte zur Sache schreiben könnten. Wie üblich hatte eigentlich niemand Zeit für das Unerwartete.
Ich hatte Zeit. Ich war ausserordentlich früh fertig mit meiner Arbeit. Ich meldete mich freiwillig. Eine halbe Stunde später hatte ich einen Atomkraft-Experten am Telefon. Ich habe so etwas seit meinen Hörstürzen vor bald anderthalb Jahren nicht mehr gemacht. Ein paar Alarmlämpchen leuchteten auf. Ich ignorierte sie.
Phase 4 ist wieder sehr still und dauert meist bis Druckbeginn kurz vor Mitternacht: Jeder erledigt seinen Job so speditiv wie möglich.
Ich war um 18 Uhr fertig. Als ich meinen Computer herunterfuhr, wusste ich nicht, welchem Gefühl ich mich zuerst widmen sollte:
- Der Bestürzung über die Katastrophe
- Der Euphorie, wieder geschrieben zu haben
- Der Angst, meine Ohren überfordert zu haben
- Dem Gedankensturm, den mein neues Wissen über AKWs erzeugte
Ich ging nach Hause und sah mir einen Kostümschinken an.
Heute eiert das gute Ohr ein bisschen. Ich lese zuerst mich selbst auf der Seite 4. Journalisten sind eitel. Dann lese ich alles andere, was ich über das Unglück in die Finger bekomme. Ich mache mir grosse Sorgen über das AKW Fukushima.
diefrogg - 12. Mär, 08:25
10 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
katiza - 12. Mär, 09:13
Nachrichtenfieber, das kenn ich und ich bin mir auch nicht klar, ob ich das vermisse und ob mich das so abgestumpft hat gegen Katastrophen, liebe Frau Frogg....
diefrogg - 12. Mär, 21:11
Das ist schon ....
denkbar. Phase 5 des Nachrichtenfiebers ist ja der Überdruss, der sich einstellt, wenn man mehrere Tage lang eine Story immer wieder wiederkäuen muss (bei mir ist das jedenfalls so). Und Phase 6 ist dann wohl die zunehmende Immunisierung gegen Katastrophenmeldungen.
Wobei ich bei mir feststelle, dass ich sehr unterschiedelich auf Katastrophenmeldungen reagiere. Es gibt Reizwörter, bei denen ich immer aufhorche: "Atomarer Notfall" ist so eins; Tsunami weniger. "Tsunamis passieren anderen Leuten", denke ich da jeweils. Überschwemmungen dagegen machen mir meistens Eindruck, weil ich schon selber welche erlebt habe.
Wobei ich bei mir feststelle, dass ich sehr unterschiedelich auf Katastrophenmeldungen reagiere. Es gibt Reizwörter, bei denen ich immer aufhorche: "Atomarer Notfall" ist so eins; Tsunami weniger. "Tsunamis passieren anderen Leuten", denke ich da jeweils. Überschwemmungen dagegen machen mir meistens Eindruck, weil ich schon selber welche erlebt habe.
katiza - 13. Mär, 10:43
O.T. ich freu mich so auf Sie, Frau Frogg.
MadProfessor - 12. Mär, 13:25
mit Naturkatastrophen können wir alle schlecht umgehen - vor allem in diesen Fall, wo das Ausmass nicht vorstellbar ist.
Scheint so, als gebe es nach Tschernobyl auf dem Planeten eine neue Todeszone - gruselig
Scheint so, als gebe es nach Tschernobyl auf dem Planeten eine neue Todeszone - gruselig
diefrogg - 12. Mär, 21:12
Ich hoffe immer noch,...
dass es nicht so weit kommt. Aber genau wissen wir es ja noch nicht. Für mich zeigt eine solche Katastrophe aber wieder einmal, dass wir nur einen Planeten haben - und verdammt fahrlässig mit ihm umgehen.
Helveticus - 12. Mär, 22:54
Ebay
Wie schrieb da heute einer in Twitter so passend: "Ebay ist für die Füxe - kein einziger Treffer bei der Eingabe des Suchbegriffs 'Ersatzerde'".
diefrogg - 13. Mär, 18:21
Naja, wäre ja auch...
ein bisschen viel verlangt. Wo wir gerade beweisen, dass wir zum Original so gar keine Sorge tragen können...
trox - 22. Mär, 01:17
shit
10:33 am 12. hatte ich endlich eine email mit einigermassen sinnvollen Quellen wenngleich das Subject "Red Alert" war ... Wikipedia hat sich auch über di Zeit als durchaus brauchbar und quellenkritisch erwiesen. Aber was ich am 11. mit der anstehenden Verwirrung sinnvolles verfasst hätte ...
???
???
diefrogg - 22. Mär, 18:19
@trox
Na, dann warst Du etwa so schnell wie die IAEA. Die hatten am 11. März auch noch nichts zum Thema. Aber kein Land kann den atomaren Notstand ausrufen ohne einen Aufschrei in der Weltpresse - egal, wie viel konkrete Information sofort erhältlich ist.
Und eigentlich war es gar nicht so wenig. Wir wussten am Abend des 11. März bei Druckbeginn schon: "Am alarmierendsten war die Situation gestern in einem Atomkraftwerk im Bezirk Fukushima. Dort hatte die Regierung den Bewohnern in einem Radius von drei Kilometern geraten, die Gegend zu verlassen. Bewohner in einem Radius von zehn Kilometern wies man an, in ihren Häusern zu bleiben. Sie sollten ihre Fenster mit Klebeband abdichten. Zwar sei keine Radioaktivität ausgetreten, hiess es. Der Reaktor habe sich plangemäss selber abgeschaltet. Aber die Kühlanlage fiel aus, und wegen eines Lecks entwich Kühlwasser für die Brennstäbe."
Und eigentlich war es gar nicht so wenig. Wir wussten am Abend des 11. März bei Druckbeginn schon: "Am alarmierendsten war die Situation gestern in einem Atomkraftwerk im Bezirk Fukushima. Dort hatte die Regierung den Bewohnern in einem Radius von drei Kilometern geraten, die Gegend zu verlassen. Bewohner in einem Radius von zehn Kilometern wies man an, in ihren Häusern zu bleiben. Sie sollten ihre Fenster mit Klebeband abdichten. Zwar sei keine Radioaktivität ausgetreten, hiess es. Der Reaktor habe sich plangemäss selber abgeschaltet. Aber die Kühlanlage fiel aus, und wegen eines Lecks entwich Kühlwasser für die Brennstäbe."
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