Die schwarzen Brüder
Wer ins Tessin - besonders ins Verzascatal - reist, sollte Die Schwarzen Brüder von Kurt Held und Lisa Tetzner lesen. Der Roman ist ein Jugendklassiker. Wir lasen ihn schon in der Primarschule. In der Erinnerung scheint mir, meinem Lehrer sei der Roman der wichtigste Lernstoff überhaupt gewesen. Warum das so war, hatte ich allerdings vergessen. Deshalb besorgte mir das Buch in der Leihbbibliothek, bevor wir ins Tessin reisten. Ich erwischte die von Hannes Binder passend düster illustrierte Ausgabe.
Bei der Lektüre begriff ich die Begeisterung unseres Lehrers schnell: Das Buch hat eine starke Message. Es geht darin um das Schicksal armer Kinder - und zwar armer Schweizer Kinder im 19. Jahrhundert. Die Eltern von Giorgio im Verzascatal sind sogar so elend dran, dass sie etwas für unsere Begriffe Unglaubliches tun: Sie verkaufen ihren Sohn an einen Kinderschlepper. Der bringt Giorgio in die reiche Stadt Mailand, wo dieser harte Kinderarbeit als Kaminfeger verrichtet. Solche Geschichten trugen sich anno dazumal im Tessin offenbar tatsächlich zu, Lisa Tetzner hatte recherchiert. Heutzutage gibts sowas ja nur noch in jenen fernen Ländern, aus denen bei uns die Asylbewerber kommen. Das Buch geht direkt ans Herz, und ich lernte seine Lektionen schnell nochmals:
1) Die meisten Menschen hierzulande werden heute mit einem goldenen Löffel im Mund geboren - aber nicht darum, weil unsere Vorfahren besonders ehrenwerte Menschen waren.
2) Die Tatsache, dass wir Schweizer sind, bedeutet nicht automatisch, dass wir uns in einer schwierigen Lage besonders anständig verhalten würden.
3) Wir haben kein Recht, auf Menschen aus ärmeren Ländern hinunterzublicken, solange unsere eigene Rechtschaffenheit keiner Prüfung von der Art unterzogen worden ist, wie es sie in ärmeren Ländern gibt.
Pikantes Detail: Co-Autor Kurt Held hiess eigentlich Kurt Kläber, war Deutscher und Kommunist und lebte nach 1933 als Flüchtling in der Schweiz - er musste nach dem Reichstagsbrand um Leib und Leben bangen. Weil Asylbewerber in der Schweiz aber Schreibverbot hatten, erschien das Buch unter dem Namen seiner Frau, Lisa Tetzner. Er hatte es gemeinsam mit ihr verfasst.
Bei der Lektüre begriff ich die Begeisterung unseres Lehrers schnell: Das Buch hat eine starke Message. Es geht darin um das Schicksal armer Kinder - und zwar armer Schweizer Kinder im 19. Jahrhundert. Die Eltern von Giorgio im Verzascatal sind sogar so elend dran, dass sie etwas für unsere Begriffe Unglaubliches tun: Sie verkaufen ihren Sohn an einen Kinderschlepper. Der bringt Giorgio in die reiche Stadt Mailand, wo dieser harte Kinderarbeit als Kaminfeger verrichtet. Solche Geschichten trugen sich anno dazumal im Tessin offenbar tatsächlich zu, Lisa Tetzner hatte recherchiert. Heutzutage gibts sowas ja nur noch in jenen fernen Ländern, aus denen bei uns die Asylbewerber kommen. Das Buch geht direkt ans Herz, und ich lernte seine Lektionen schnell nochmals:
1) Die meisten Menschen hierzulande werden heute mit einem goldenen Löffel im Mund geboren - aber nicht darum, weil unsere Vorfahren besonders ehrenwerte Menschen waren.
2) Die Tatsache, dass wir Schweizer sind, bedeutet nicht automatisch, dass wir uns in einer schwierigen Lage besonders anständig verhalten würden.
3) Wir haben kein Recht, auf Menschen aus ärmeren Ländern hinunterzublicken, solange unsere eigene Rechtschaffenheit keiner Prüfung von der Art unterzogen worden ist, wie es sie in ärmeren Ländern gibt.
Pikantes Detail: Co-Autor Kurt Held hiess eigentlich Kurt Kläber, war Deutscher und Kommunist und lebte nach 1933 als Flüchtling in der Schweiz - er musste nach dem Reichstagsbrand um Leib und Leben bangen. Weil Asylbewerber in der Schweiz aber Schreibverbot hatten, erschien das Buch unter dem Namen seiner Frau, Lisa Tetzner. Er hatte es gemeinsam mit ihr verfasst.
diefrogg - 14. Jul, 10:52
2 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
walküre - 15. Jul, 20:36
Ähnliches hat auch in österreichischen Bergregionen zum Alltag vieler Kinder gehört:
http://de.wikipedia.org/wiki/Schwabenkinder
Aber auch in bäuerlichen Gegenden wie dem Innviertel war es üblich, dass schon Kinder mit 7 oder 8 Jahren für die harte Stallarbeit herangezogen wurden, wenngleich auch im häuslichen Umfeld. Es ist immer ein Übel, wenn ein einziger Wirtschaftszweig (im konkreten Fall die Großbauern) über Wohl und Wehe eines Großteils der regionalen Bevölkerung bestimmt; so gab es beispielsweise in der Gegend des nördlichen Innviertels Granitbrüche, deren wohlhabende Besitzer es verstanden, die Ansiedelung anderer Betriebe erfolgreich über Jahrzehnte zu verhindern, weil ihnen dann nämlich die Arbeiter scharenweise davongelaufen wären, um der extrem harten, äußerst gesundheitsfeindlichen (die meisten Arbeiter starben früh an Lungenkrankheiten) und überdies schlechtbezahlten Arbeit zu entkommen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Schwabenkinder
Aber auch in bäuerlichen Gegenden wie dem Innviertel war es üblich, dass schon Kinder mit 7 oder 8 Jahren für die harte Stallarbeit herangezogen wurden, wenngleich auch im häuslichen Umfeld. Es ist immer ein Übel, wenn ein einziger Wirtschaftszweig (im konkreten Fall die Großbauern) über Wohl und Wehe eines Großteils der regionalen Bevölkerung bestimmt; so gab es beispielsweise in der Gegend des nördlichen Innviertels Granitbrüche, deren wohlhabende Besitzer es verstanden, die Ansiedelung anderer Betriebe erfolgreich über Jahrzehnte zu verhindern, weil ihnen dann nämlich die Arbeiter scharenweise davongelaufen wären, um der extrem harten, äußerst gesundheitsfeindlichen (die meisten Arbeiter starben früh an Lungenkrankheiten) und überdies schlechtbezahlten Arbeit zu entkommen.
diefrogg - 16. Jul, 12:54
Das ist ein sehr...
lesenswerter Link, Frau Walküre! Davon habe ich bislang gar nicht gewusst. Immer noch zu reden geben bei uns dagegen das Schicksal der Verdingkinder. Das waren billige Kinderarbeitskräfte auf Bauernhöfen, meist Waisen. Es gibt hierzulande durchaus noch ältere Menschen mit schrecklichen Erinnerungen an ihre Jugend als Verdingkinder. Absolut unhaltbare Arbeitsbedingungen, Schläge und auch sexuelle Gewalt waren für viele an der Tagesordnung.
Ausserdem kenne ich Geschichten aus der Heimat meines Vaters. Dort mussten Bauernkinder schon im Alter von sechs Jahren am Morgen früh mit den vollen Milchkannen in die Käserei fahren. Ein Liter Milch erzielte damals etwa den gleichen Preis wie heute, hat mir mein Vater erzählt - der Milchverkauf trug also Prozentual viel mehr zum Haushaltseinkommen der Bauern als heute. Die Wägeli mit den Milchkannen wurden von Hunden gezogen. Die Kinder mussten aber sehr gut aufpassen, damit keine Milch verschüttet wurde. Wenn man weiss, wie streng viele Väter damals noch waren, möchte ich nicht wissen, was mit ihren Kindern passierte, wenn die Karre im Schnee ausrutschte und die Kanne hinausfiel.
Ausserdem kenne ich Geschichten aus der Heimat meines Vaters. Dort mussten Bauernkinder schon im Alter von sechs Jahren am Morgen früh mit den vollen Milchkannen in die Käserei fahren. Ein Liter Milch erzielte damals etwa den gleichen Preis wie heute, hat mir mein Vater erzählt - der Milchverkauf trug also Prozentual viel mehr zum Haushaltseinkommen der Bauern als heute. Die Wägeli mit den Milchkannen wurden von Hunden gezogen. Die Kinder mussten aber sehr gut aufpassen, damit keine Milch verschüttet wurde. Wenn man weiss, wie streng viele Väter damals noch waren, möchte ich nicht wissen, was mit ihren Kindern passierte, wenn die Karre im Schnee ausrutschte und die Kanne hinausfiel.
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