Deine fixen Ideen
(Quelle: post.ch)
Das ist lange her und kaum mehr der Rede wert. Und doch frage ich mich manchmal: Wie konnte ich zulassen, dass ausgerechnet Du mir das Herz brichst? Wir lebten nicht nur in zwei verschiedenen Städten. Wir lebten auf verschiedenen Planeten, Du und ich. Wir hätten nie zu einander gefunden. Ich wusste es von Anfang an - aber ich wollte es partout nicht einsehen. Schliesslich warst Du es, der Schluss machte. Tage nach meinem dreissigsten Geburtstag. Eine Katastrophe.
Sieben Wochen später schriebst Du mir einen Brief. Du hattest die fixe Vorstellung, dass man mit seinen Ex-Freundinnen freundschaftlichen Kontakt halten sollte. Du hattest schon eine andere. Ich hatte Tage zuvor erfahren, dass ich auch noch meinen Job verlieren würde.
Freundschaftlichen Kontakt mit Dir war das letzte, was ich brauchte. Ich schrieb zwei Sätze auf eine Karte aus grauem Recycling-Papier: "Bitte lass mich in Ruhe. Ich werde melden, wenn ich soweit bin."
Ich solle nicht so nachtragend sein, liessest Du mir ausrichten. Aber ich schwieg. Zwanzig Jahre verflossen, Freunde kamen und gingen. Da waren andere Männer. Dann kam Herr T. An Dich dachte ich nur noch selten - aber immer mit dieser vagen Vorstellung, dass da noch eine offene Rechnung zwischen uns sei.
Vor ein paar Wochen sass ich Dir dann plötzlich in einem Café gegenüber. Wir bestellten einen Salat und machten eine Viertelstunde zivilisierte Konversation. Dann wollte ich irgendwie mein Schweigen von damals erklären. Man muss doch irgendwo ansetzen. Ich begann. Du unterbrachst: "Ich habe keine Ahnung wovon Du sprichst. Ich kann mich überhaupt nicht erinnern, wie das damals alles gelaufen ist."
Ich war so fassungslos, mir blieb fast ein Salatblatt im Hals stecken.
Dies ist mein Beitrag zum famosen Projekt *txt. Das sechste Stichwort lautetet "deins". Vielleicht weil bloggen eine furchtbar ich-bezogene Sache ist, war es die schwierigste Aufgabe bis jetzt.
Schmutzige Wäsche
Ja, möglich.
Nach dieser langen Lebenszeit.
Und dann hat das für den anderen gar nicht die Bedeutung, das Gewicht.
Bitter.
Ja, sehr genau...
Aber das ist nur ein Teil der Geschichte. Es gab ja einen Anlass für dieses plötzliche Treffen, und diesezüglich konnte sie dann sehr zufrieden nach Hause gehen. Zum Glück.
Man fragt sich in so einem Moment auch: Ist das jetzt wirklich die ganze Wahrheit? Oder hatte die Amnesie des Kerls strategische Gründe? Habe ich auch solche Erinnerungslücken, wo andere sorgfältig gepflegte Reminiszenzen haben? Und, logisch: Wie wahr ist das, was ich hier erinnere?
Na, das ist ja auch...
Noch ein Wort zum Thema "verschiedene Erinnerungsweisen": Es heisst ja immer: Die Erinnerung macht uns zu dem, was wir sind. Ohne Erinnerung keine Identität. Aber mir wird immer klarer, dass die Erinnerung ein bisschen mit Facts und sehr viel mit Fiction zu tun hat (wobei ich nicht behaupten will, all diese alten Geschichten seien erstunken und erlogen - selber kann ich das ja gar nicht beurteilen).
Es ist seine Wahrheit, das glaube ich wirklich, liebe Fröschin, und ich habe auch schon die Erfahrung gemacht, dass ich Menschen bitter enttäuscht habe, deren Erinnerungen ich nicht teilen konnte; Menschen vergessen habe, deren Herz ich wohl gebrochen habe.
Ich habe immer darunter gelitten, dass sich meine Erinnerungen, mit denen meiner Mutter kaum deckten, dass ich so selten in ihren Erinnerungen vorkam - aber so ist wohl das Leben, wir haben alle unsere eigene Vergangenheit, unsere Geschichten - man muss nicht mit allen Menschen eine Zukunft haben und in Sachen Vergangenheit gibt es wohl einen kleinsten gemeinsamen Nenner ....wie schön, dass Sie zufrieden von dannen gingen, liebe Fröschin....
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