4
Feb
2008

Fasnacht: Tapferes Kind

Da steht sie, die kleine Carina (2). Rund um sie herum ist es ist lärmig, ganz viele Leute sind da, auf dem Boden liegt eine eklige Sauce aus dreckigem Schneematsch und Konfetti und dunkel ist es auch schon. Und alle tragen so komische Kleider. Sie auch. Sie hat von Mami einen braunen Zweiteiler übergestülpt bekommen, und jetzt sagt Mami, sie sei ein Bär. Sie versteht nicht, was das soll, und sie ist ganz allein. Mami und Papi schnörren mit Herrn T. Und dann ist da zwar noch die Gotte, aber der kann man heute auch nicht trauen. Sie trägt ein schwarzes Kleid und hat Farbe im Gesicht und sieht gefährlich aus. Carina weiss nicht, was sie in diesem Gnosch verloren hat. Sie weiss nur, dass sie winzig ist und Angst hat und dass eben vorher eine böse Hexe vorbei gegangen ist. Aber sie ist tapfer, Carina. Da steht sie, bolzengerade, und starrt unentwegt ins Gewühl, immer auf den selben Punkt.

Ich habe noch nie ein so tapferes Kind gesehen.

1
Feb
2008

Fasnacht: Tim der Bär

Bevor Veronika gestern zum Fasnachtsumzug ging, ist sie mit den Kindern zu mir zum Mittagessen gekommen. Schliesslich ist ihr Kleinerer, Tim (bald 3), mein Göttibub, und ich soll sehen, wie er sich als Bär macht.

So schöpfe ich allen Reis und Sauce und schaue Veronika zu, wie sie Lisa Sirup eingiesst und dafür sorgt, dass sich Tim nicht schon wieder die Bärenschminke wegwischt. Ich schaue die Fasnachtsgwändli an, die die Kinder auf den Boden geworfen haben, und ganz langsam zieht denke ich etwas höchst Merkwürdiges: dass das Älterwerden wird leichter wird, wenn man weiss, dass allmählich eine Generation nachwächst, die uns so vieles abnehmen wird. Zum Beispiel die Fasnacht.

29
Jan
2008

Cleveres Bürschchen

Für Kite Runner muss man in der Schweiz keine Werbung machen. Der Film ist von Marc Forster, und da überbieten sich die Medien schon vor Erscheinen des Films wochenlang mit Lobeshymnen. Das ist der Grund. Dennoch erlaube ich mir hier drei Bemerkungen.

Erstens: Forster demonstriert nicht zum ersten Mal, dass er sehr genau weiss, wie man die Tränendrüsen der Madame Frogg stimuliert. Während des langsamen Sterbens von Held Amirs Vater (Hamayoun Ershadi) jedenfalls wusch mir das Augenwasser richtige Schneisen in die Tagescreme und ich sagte mir: Den James Bond-Streifen, den Forster jetzt gerade dreht, sehe ich mir jedenfalls nicht an. Ich meine: In einem James Bond-Film will man doch lachen und nicht weinen! (Wobei ich beim Herumlesen festgestellt habe, dass offenbar nicht alle Kinofreunde die Tränendrüsen am gleichen Ort haben!)

Und zweitens. Es gibt darin eine Szene, die mich total faszieniert hat. Sie findet gleich zu Beginn der Films statt. Die beiden Buben Amir (rechts) und Hassan sind darin mit ihrem Drachen in den Strassen Kabuls unterwegs.



Schliesslich knien sie zusammen in einer nicht allzu sauberen Ecke und Hassan beteuert Amir: "Du bist mein bester Freund. Ich würde Dreck essen, wenn Du mich darum bitten würdest!" Die Kamera bewegt sich in dieser Szene hinter Amir und man sieht seinen Schultern an, dass sich in seinem Hirn die Versuchung formt, es zu tun: Seinen Freund hier und jetzt zu bitten, Dreck für ihn zu fressen. Doch bevor er sprechen kann, sagt Hassan: "Aber würdest Du mich je um so etwas bitten?" Eine rhetorische Frage, mit der er seinen Freund im letzten Moment zu einem guten Freund macht. Da sagt sich Betrachterin Frogg: Dieser kleine Hassan hat ja eine massenhaft von dem, was man heutzutage auf dem Arbeitsmarkt soziale Kompetenz nennt. Leider nützt sie ihm nicht viel. Er wird erst von Amir verraten, später von den Taliban umgebracht. Soziale Kompetenz ist eben roher Gewalt nicht gewachsen. So rührselig, das zu behaupten, ist Forster denn doch nicht.

Und drittens? Ich gebe dem Film drei Sterne (von fünf). Klar, es ist ein schöner Film, mit faszinierenden und manchmal poetischen Bildern aus Asien. Amirs Vater ist eine vielschichtig Figur, und Ershadi spielt sie mit unglaulicher Kraft. Amir selbst überzeugt mich nicht recht: Seine Wandlung am Schluss des Films geht mir zu weit. Es fällt mir schwer zu glauben, dass ein so introvertierter Mensch schliesslich so viel Zivilcourage entwickelt (auf der anderen Seite.... aber das wäre Stoff für einen zweiten Eintrag). Zu undifferenziert werden mir die Taliban dargestellt. Ich hatte nicht erwartet, im Film netten Taliban zu begegnen. Aber sie müssten ja nicht allesamt bärtige Verkörperungen des Bösen ohne Motiv sein.

27
Jan
2008

Wer ist der Stärkere?

Meine Freundin Monika erzählt mir, jemand habe ihren Mann Leo gelobt. Eine seiner Berufskolleginnen. Leo sei ein sooo integrativer Typ, habe die Kollegin gesagt. Einer, der so vieles möglich mache.

Monika sagt, das sei für sie ungewohnt gewesen. „Beunruhigend war das“, sagte sie. „Fast habe ich mir gewünscht, sie hätte sich über ihn geärgert. Dann hätte ich mich nicht fragen müssen, ob ich nicht vielleicht doch die Geringere von uns beiden bin.“

23
Jan
2008

Die Krise kommt

Auf den Tag genau vor einer Woche haben endlich jemand die Katze aus dem Sack gelassen: "Die Welt und mit ihr die Schweiz steuern auf harte Zeiten zu", sagte ein Kommentator im "Echo der Zeit" auf Radio DRS1.

Anlass war, dass wieder eine Bank in den USA 15 Milliarden US-Dollars abgeschrieben hatte. Aus der Hypothekarkrise war eine Kreditkrise geworden. Nun war es endlich unmöglich geworden, dem Schweizer Medienpublikum weiter vorzudüdeln, die Krise in Amerika habe überhaupt keine Auswirkungen auf die Schweiz, es sei alles in bester Ordnug, kein Grund zur Beunruhigung, die Asiaten würden schon... undsoweiter undsoweiter. Endlich sah Pessimistin Frogg bestätigt, was sie ohnehin schon gewusst hatte: dass die guten Zeiten wieder mal vorbei sind.

Es war kurz nach sechs Uhr abends. Ich stand am Fenster unseres Hotelzimmers in Melchsee-Futt und schaute hinaus in die Januarnacht. Draussen wirbelte heftiger Wind eisig kalte Schneestaubschwaden unter den Strassenlampen auf. Es war ein stiller Moment, fast feierlich. So wie damals, als die ersten Kosovo-Bomben fielen. Wahrscheinlich der einzige Moment unserer Ferien, den ich nie vergessen werde.
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Journal einer Kussbereiten

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