17
Jan
2018

Sammelstelle für Exiladressen

twoday.net schien in den letzten Tagen dem Untergang ja erschreckend nah. Das hat ein paar weitere von uns veranlasst, eilends Exiladressen zu eröffnen. Frau Araxe hat eine Sammelstelle für diese Exiladressen erstellt. Hier ist der Link:

http://everyday.dasgruselkabinett.de/

Tragt Euch dort ein! So werden wir uns alle wieder finden, wenn wir hier vom sinkenden Schiff gestossen werden. Ausgezeichnete Idee, Frau Araxe, vielen Dank.

Tante Luzia

Sie hiess Tante Luzia, und sie war schwerhörig. Noch vor zehn Jahren kam sie jeweils an Familienfeste bei der Tigerfamilie. Da konnte sie mächtig anstrengend sein, gerade wegen ihrer Schwerhörigkeit. Damals hörte ich noch gut, aber ich ahnte, dass sich das ändern könnte. Doch nie, dachte ich damals, nie will ich wie Tante Luzia werden.

Sie konnte zum Beispiel still dasitzen und andächtig ihren von der Tigermutter zubereiteten Rindsschmorbratenbraten zu sich nehmen. Wir derweil bemühten uns, beim Essen eine familientaugliche Konversation zum Laufen zu bringen. Es war, offen gestanden, nicht so einfach. Es hatten nicht alle dieselbe Wellenlänge in der Tigerfamilie. Meist gelang es uns dann doch irgendwie - aber kaum wurde es gemütlich, holte Tante Luzia tief Luft, fiel dem akutellen Sprecher ins Wort und begann ein belangloses Geschichtchen über ihr Hündchen Leopold - kurz: Pöldi - zu erzählen. Wir nickten interessiert und stellten ihr weitere Fragen. Aber sie verstand nicht und verstummte wieder. Wir versuchten dann, den Faden wieder aufzunehmen - und nach zehn Minuten passierte wieder dasselbe.

Heute muss ich manchmal an Tante Luzia denken, wenn ich mittags mit meinen Kollegen in der Cafeteria sitze. Sie sind ja nett und nehmen mich zum Essen immer mit. Aber es ist ein Megastress für mich. Oft verstehe ich nicht einmal mehr, über was sie reden. Manchmal sage ich dann: "Sorry, ich weiss nicht, über was ihr redet." Oder: "Kannst Du das nochmals sagen?" Ich fühle mich dann immer ein bisschen lästig. Ich habe mich sogar schon dabei ertappt, dass ich eine kurze Pause im Gespräch abwarte und dann irgendetwas zu erzählen beginne. Erst jetzt beginne ich zu begreifen, wie anstrangend das damals für Tante Luzia gewesen sein muss.
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Journal einer Kussbereiten

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