16
Jan
2016

Im Indianerkleid


Silberpfeil-Comics hatten wesentlichen Einfluss auf Frau Frogg's kindliche Vorstellung von cooler Frauenbekleidung (Bildquelle: lambiek.net)

Manchmal durften mein kleiner Bruder und ich in Grossvaters roten Opel Rekord steigen. Dann fuhr er mit uns zum nächsten Kiosk und kaufte uns einen Stapel Andy und Bessy- und Silberpfeil-Comics. Wir wussten, dass das ein anrüchiges Vergnügen war. Comics galten als Schundliteratur - andere schenkten ihren Enkeln gewissenhaft richtige Bücher. Was unser Vergnügen an Andy und Bessy & Co. aber eher befeuerte. Und unseren Grossvater liebten wir gerade deshalb, weil er sich um gewisse Konventionen überhaupt nicht scherte. Er traute uns offensichtlich Dinge zu, vor denen bravere Leute ihre Kinder schützen zu müssen glaubten. Darauf waren wir sogar ein bisschen stolz.

Als ich neulich auf Herrn Wortmischers Kleider-Alphabet als zweitletzten freien Buchstaben ein "I" vorfand, fiel mir dazu spontan das Wort "Indianergwändli" ein - und die Episode mit meinem Grossvater. Und dass ich als Kind immer ein Kleid wollte wie Mondkind, die Heldin und einzige weibliche Identifikationsfigur in Silberpfeil. Das karminrote, sehr beinfreie Stück ist im Bild oben links gut sichtbar.

Hat mir die Lektüre dieser Comics irgendwie geschadet? Wahrscheinlich nicht. Tatsache ist: Vor zwei drei Jahren habe ich entdeckt, dass meine Eltern sie sogar aufbewahrt haben. Offenbar war ihnen die Erinnerung an unser Lesevergnügen wichtiger als ihr literarischer Wert. Jedenfalls gaben sie sie meinen Nichten zu lesen. So sah ich sie auch wieder mal - und hatte einen sehr tantenhaften Reflex: Ich fand die Bilder für Kinder sinnlos übersexualisiert und das Frauenbild eine Katastrophe. Ich war geradezu erleichtert, dass meine Nichten das Zeug zwar zügig lasen, aber offensichtlich nicht sonderlich interessant fanden.

Eins weiss ich mit Sicherheit: Ich bekam dann ein Indianerkleid - zur Fasnacht 1976. Womit auch die Frage beantwortet ist, was ein "Gwändli" ist: ein Karnevalskostüm eben. Ich war aber schwer enttäuscht von dem, was ich da tragen musste. So also sieht es aus, wenn man versucht, die Fiktion in die Realität umzusetzen, dachte ich.


Frau Frogg (10) an der Fasnacht 1976 - daneben der Kleine Bruder (7) in gekonnter Cowboy-Pose
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