Sex, Feminismus, Schwerhörigkeit
In ausgebeulten Bananenkisten liegen vergilbte zwanzig Jahre Frauenforschung, von Shere Hite bis Julia Onken.
Ich stöbere fasziniert. Das ist ja alles so altmodisch geworden! Heute schreibt doch niemand mehr über den Körper, den Eros oder die Weiblichkeit. Heute findet man dafür eine inflationäre Menge von Schriften über Sex. Und wenn ich das Geschwätz dieser so genannten Sexpertinnen in irgendwelchen Gratisheften lese, werde ich gelegentlich etwas unlustig. Da kolumnieren diese Girls amüsiert über die unterschiedliche Schrumpeligkeit männlicher Vorhäute und die weibliche Genitalrasur, und ich denke: Verpassen diese jungen Dinger in ihrem Wettlauf um den Besitz des allerbesten Bodys nicht das Wichtigste an der ganzen Sache, das grosse Mysterium der Lust? Oder bin ich da - wie meine junge Freundin Wanda gelegentlich nahelegt - etwas altmodisch?
Aber anyway, ich drifte ab. Eigentlich wollte ich etwas ganz anderes erzählen. Wanda und ich stöbern durch diesen Flohmarkt einer gemeinsamen Bekannten, die ihre ganze alte Frauenliteratur entsorgt. Ich blättere in Benoîte Groult's Roman Leben will ich und finde diese Sätze über die alternde Mutter der Erzählerin: "Die Welt verlor in den Augen meiner Mutter in dem Mass an Sinn, wie es ihr nicht mehr gelang, sie wahrzunehmen, und was sie nicht mehr verstand, erschien ihr plötzlich absurd. Sobald sie nicht mehr erkennen konnte, wozu eine Gabel da war, verlor sie jegliches Interesse an diesem Gegenstand und liess sich mit aristokratischer Herablassung füttern... (Seite 10)."
Ich lachte laut und musste die paar Sätze gleich Wanda vorlesen. Ich beobachte ein ähnliches Phänomen gelegentlich bei schwerhörigen Bekannten und sogar bei mir selber: Wenn andere Leute durcheinanderreden und wir nichts verstehen, denken wir vornehm: "Ach, was diese Leute immer schwätzen!" Naja, was bleibt uns auch anderes übrig. Man kann sich nicht immer grämen, dass man nicht viel mitkommt.
Aber ich muss gestehen: Manchmal gräme ich mich doch. Wenn ich mit meinem Gottenbuben Tim (9) am See spaziere und er etwas über einen Katamaran plaudert und ich nach dreimal nachfragen immer noch nicht mehr als "Katamaran" verstanden habe. Wenn meine Kollegen in der Rauchpause von ihren legendärsten Abstürzen berichten und ich nur "Tequila" verstehe. Da tröstet es mich dann nur ein bisschen, dass ich selber auch eine, zwei Episoden beitragen kann.
Und ich gräme mich, dass ich Wanda (40) zwar laut und deutlich diese paar Sätze vorlesen und ihr erklären kann, wieso ich über sie lachen muss. Aber dass sie mich dann doch nur verständnislos anschaut.
Ich stöbere fasziniert. Das ist ja alles so altmodisch geworden! Heute schreibt doch niemand mehr über den Körper, den Eros oder die Weiblichkeit. Heute findet man dafür eine inflationäre Menge von Schriften über Sex. Und wenn ich das Geschwätz dieser so genannten Sexpertinnen in irgendwelchen Gratisheften lese, werde ich gelegentlich etwas unlustig. Da kolumnieren diese Girls amüsiert über die unterschiedliche Schrumpeligkeit männlicher Vorhäute und die weibliche Genitalrasur, und ich denke: Verpassen diese jungen Dinger in ihrem Wettlauf um den Besitz des allerbesten Bodys nicht das Wichtigste an der ganzen Sache, das grosse Mysterium der Lust? Oder bin ich da - wie meine junge Freundin Wanda gelegentlich nahelegt - etwas altmodisch?
Aber anyway, ich drifte ab. Eigentlich wollte ich etwas ganz anderes erzählen. Wanda und ich stöbern durch diesen Flohmarkt einer gemeinsamen Bekannten, die ihre ganze alte Frauenliteratur entsorgt. Ich blättere in Benoîte Groult's Roman Leben will ich und finde diese Sätze über die alternde Mutter der Erzählerin: "Die Welt verlor in den Augen meiner Mutter in dem Mass an Sinn, wie es ihr nicht mehr gelang, sie wahrzunehmen, und was sie nicht mehr verstand, erschien ihr plötzlich absurd. Sobald sie nicht mehr erkennen konnte, wozu eine Gabel da war, verlor sie jegliches Interesse an diesem Gegenstand und liess sich mit aristokratischer Herablassung füttern... (Seite 10)."
Ich lachte laut und musste die paar Sätze gleich Wanda vorlesen. Ich beobachte ein ähnliches Phänomen gelegentlich bei schwerhörigen Bekannten und sogar bei mir selber: Wenn andere Leute durcheinanderreden und wir nichts verstehen, denken wir vornehm: "Ach, was diese Leute immer schwätzen!" Naja, was bleibt uns auch anderes übrig. Man kann sich nicht immer grämen, dass man nicht viel mitkommt.
Aber ich muss gestehen: Manchmal gräme ich mich doch. Wenn ich mit meinem Gottenbuben Tim (9) am See spaziere und er etwas über einen Katamaran plaudert und ich nach dreimal nachfragen immer noch nicht mehr als "Katamaran" verstanden habe. Wenn meine Kollegen in der Rauchpause von ihren legendärsten Abstürzen berichten und ich nur "Tequila" verstehe. Da tröstet es mich dann nur ein bisschen, dass ich selber auch eine, zwei Episoden beitragen kann.
Und ich gräme mich, dass ich Wanda (40) zwar laut und deutlich diese paar Sätze vorlesen und ihr erklären kann, wieso ich über sie lachen muss. Aber dass sie mich dann doch nur verständnislos anschaut.
diefrogg - 6. Mai, 18:59
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