9
Mrz
2014

Liebeskrank

Das Schreiben ist meine älteste Liebe. Ich begann zu schreiben, als ich fünf war. Ich weiss nicht, warum. Man weiss ja meist nicht, warum man Dinge tut, wenn man fünf ist. Meine Nichten, acht und elf, schreiben auch. Es muss eine vererbbare Krankheit sein.

In meinen Teenager-Jahren kam das Schreiben aus einem tief liegenden Teil meines Gehirns, in dem im Grunde viel Unsagbares ist. Schreiben war der Austragungsort meiner Tagträume, eine Selbst-Projektion. Eine Auseinandersetzung mit den Vorgängen des Erwachsenwerdens. Mit 13 verlor ich mich in einem Projekt, das zwei Jahre meines Lebenszeit frass. Bis ich merkte, dass ich nicht nur auf dem Papier Teenager sein wollte, sondern auch im wirklichen Leben. Beides - so erschien es mir jedenfalls damals - ging nicht.

Mit 20 nahm ich dann doch an einem Literaturwettbewerb teil. Man schickte mir nicht einmal mein Manuskript zurück. Das wertete ich als sehr schlechtes Zeichen.

Dennoch studierte ich Literaturwissenschaften. Aber ich vertraute der Literatur im Grunde nicht. Ich merkte, dass ich ihr eigentlich noch nie vertraut hatte. Wo hätte ich dieses Vertrauen auch lernen sollen? Ich kam aus einem relativ bildungsfernen Haushalt und war ein Mädchen. Der Haushalt und die Arbeit waren immer und aus Myriaden von Gründen ehrenwerter als die Literatur.

Dennoch veröffentlichte ich am Ende meines Studiums einen kleinen Roman, einen Fortsetzungsroman in einem lokalen Magazinchen. Es war ein Experiment, und es floppte.

Das machte nichts. Ich war sowieso andersweitig beschäftigt: Ich musste mir eine Existenz aufbauen. Ich wurde Journalistin. Das schien folgerichtig, und ich lernte viel: dass Schreiben per definitionem öffentlich ist und folglich die Kunst des Kommunizierbaren. Man denkt beim journalistischen Schreiben immer zuerst an die Sache und dann sehr schnell an den Leser. Journalistisches Schreiben passiert vornehmlich im vordersten Teil des Bewusststeins.

Genau mit dieser Geisteshaltung schrieb ich auch meinen Blog und meinen Krimi. Der Krimi bescherte wenigstens meiner Freundin Helga und mir ein paar glückliche Gespräche. Den Blog kennt ihr.

Bald werde ich 49. Als Journalistin habe ich mehr oder weniger ausgedient. Ich habe Zeit zu pröbeln. Ich merke, wie ich literarisch in meine Teenager-Zeit zurückdrifte. Wie aus kleinen Projekten wieder diese Wülste werden, in die ich alles hineinpacken will - und die mich emotional absorbieren wie ein schwieriger Liebhaber. 48 Jahre Leben, aus dem tieferen Teil meines Gehirns bestürmen mich die Ideen, die Erinnerungsfetzen, die Dramen.

Halten sie der Realität einer sauberen Recherche stand? Hat das alles überhaupt noch einen Sinn? Wo führt es hin?

Wäre es nicht gesünder, wenn ich mich einfach aufs Sofa legen und die Bücher anderer Leute lesen würde? Ich weiss es nicht. Es beunruhigt mich.
logo

Journal einer Kussbereiten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Impressum

LeserInnen seit dem 28. Mai 2007

Technorati-Claim

Archiv

März 2014
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
10
11
12
13
14
15
17
18
19
20
21
23
24
25
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 

Aktuelle Beiträge

Kommentar
Liebe Frau frogg, schauen Sie bitte bei WordPress...
Freni - 28. Nov, 20:21
Ein schreckliches Tal
Soglio im Bergell, Oktober 2013. Was habe ich Freunde...
diefrogg - 6. Okt, 20:27
Liebe Rosenherz
Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
Ja, die selektive Wahrnehmung...
auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

Status

Online seit 7364 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 17. Sep, 17:51

Credits


10 Songs
an der tagblattstrasse
auf reisen
bei freunden
das bin ich
hören
im meniere-land
in den kinos
in den kneipen
in den laeden
in frogg hall
kaputter sozialstaat
kulinarische reisen
luzern, luzern
mein kleiner
offene Briefe
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren