Die spinnen, die Schweizer
Mättu sagte schüchtern: "Ich wollte ja auch schon 'Ja' auf den Stimmzettel schreiben." Ja, klar, es ging um die Initiative "Gegen Masseneinwanderung". Zurzeit redet hier niemand über etwas anderes.
Da blieb sogar mir schier mein Bissen Salat im Hals stecken. Denn Mättu ist überhaupt nicht so, wie wir uns den hinterwäldlerischen Ja-Sager zu dieser Initiative gerne vorstellen. Mättu war mal Grundschullehrer, ist heute unteres Kader in einer Online-Firma, Mitte 40. Er hat zwei Söhne, ausgezeichnete Manieren und einen pfiffigen Humor, wohnt in einer mittelgrossen Schweizer Stadt. Ehefrau bei einem internationalen Unternehmen tätig. Kein Nationalist, soweit ich weiss - auch wenn bei unseren Mittagstreffen Politik sonst tabu ist.
Dann kam die Begründung: "Es stört mich, wie hier alles zugebaut wird." Er machte eine ausladende Geste in Richtung Fenster. "Aber dann schaute ich nochmals ins Abstimmungsbüchlein und sah: Da geht es nicht um die Zersiedelung. Sondern um wichtige Verträge mit der EU." Da habe er aus dem "J", das er schon hingeschrieben hatte, ein "N" gemacht. "Da stand gewissermassen 'Njein'! Und dann musste ich meine Buben ins Hockey chauffieren und war erkältet und dann... habe ich einfach vergessen, den Stimmzettel einzuwerfen."
Nun, ich will das Ja vom letzten Sonntag zu einer zutiefst fremdenfeindlichen Volksinitiative nicht schönreden. Die rechtsnationalistische Lager hat bei uns gegen 30 Prozent Wähler. Das ist verdammt viel. Aber mit denen allein gewinnt man noch keine Volksabstimmung. Da waren Argumente im Spiel, bei denen es nicht nur um Ausländer ging.
Ich habe Kontakte mit gegen 200 Personen gehabt, die vor den Abstimmungen ihre Meinung äusserten. Das war alles nicht repräsentativ, aber ich kann doch sagen: Ja-Sager gab es bis erschreckend weit in die politische Mitte. Und durchaus nicht nur auf dem Land. Häufig waren es Rentner. Es kamen immer wieder Argumente wie:
- Es wird in diesem Land einfach zu viel gebaut.
- Wenn wir jedes Jahr 80000 Leute mehr sind, dann kollabiert hier irgendwann alles.
- Dieser Wachstumswahn wird unsere Lebensgrundlage vernichten.
- Wir finden in der Innenstadt keine bezahlbare Wohnung mehr.
Offenbar waren nicht alle so klug wie Mättu und haben noch einen Blick ins Abstimmungsbüchlein geworden.
Sonst sähe die Lage heute anders aus.
Zu sagen ist auch noch: Wir Schweizer haben uns selber viel zu lange Sand darüber in die Augen gestreut, wie eng unsere Verflechtungen mit der EU mittlerweile sind. Die Währungskrise hat die Popularität der EU unter den Gefrierpunkt sinken lassen. Das Thema EU-Beitritt war lange tabuestens. Und all diese Verträge und Verträglein? Da schaut man besser nicht zu genau hin! Das holt nur die Nationalisten aus dem Busch!
Nun wird sich zeigen, wer den Preis für dieses Debakel bezahlt. Ich bin wütend und würde gern die Hinterwäldler, die Nationalisten, die Rentner bestraft sehen. Aber jetzt sind erst mal die Studenten dran - unsere jungen Kaderleute von morgen.
Zum Kotzen! Immer noch!
Da blieb sogar mir schier mein Bissen Salat im Hals stecken. Denn Mättu ist überhaupt nicht so, wie wir uns den hinterwäldlerischen Ja-Sager zu dieser Initiative gerne vorstellen. Mättu war mal Grundschullehrer, ist heute unteres Kader in einer Online-Firma, Mitte 40. Er hat zwei Söhne, ausgezeichnete Manieren und einen pfiffigen Humor, wohnt in einer mittelgrossen Schweizer Stadt. Ehefrau bei einem internationalen Unternehmen tätig. Kein Nationalist, soweit ich weiss - auch wenn bei unseren Mittagstreffen Politik sonst tabu ist.
Dann kam die Begründung: "Es stört mich, wie hier alles zugebaut wird." Er machte eine ausladende Geste in Richtung Fenster. "Aber dann schaute ich nochmals ins Abstimmungsbüchlein und sah: Da geht es nicht um die Zersiedelung. Sondern um wichtige Verträge mit der EU." Da habe er aus dem "J", das er schon hingeschrieben hatte, ein "N" gemacht. "Da stand gewissermassen 'Njein'! Und dann musste ich meine Buben ins Hockey chauffieren und war erkältet und dann... habe ich einfach vergessen, den Stimmzettel einzuwerfen."
Nun, ich will das Ja vom letzten Sonntag zu einer zutiefst fremdenfeindlichen Volksinitiative nicht schönreden. Die rechtsnationalistische Lager hat bei uns gegen 30 Prozent Wähler. Das ist verdammt viel. Aber mit denen allein gewinnt man noch keine Volksabstimmung. Da waren Argumente im Spiel, bei denen es nicht nur um Ausländer ging.
Ich habe Kontakte mit gegen 200 Personen gehabt, die vor den Abstimmungen ihre Meinung äusserten. Das war alles nicht repräsentativ, aber ich kann doch sagen: Ja-Sager gab es bis erschreckend weit in die politische Mitte. Und durchaus nicht nur auf dem Land. Häufig waren es Rentner. Es kamen immer wieder Argumente wie:
- Es wird in diesem Land einfach zu viel gebaut.
- Wenn wir jedes Jahr 80000 Leute mehr sind, dann kollabiert hier irgendwann alles.
- Dieser Wachstumswahn wird unsere Lebensgrundlage vernichten.
- Wir finden in der Innenstadt keine bezahlbare Wohnung mehr.
Offenbar waren nicht alle so klug wie Mättu und haben noch einen Blick ins Abstimmungsbüchlein geworden.
Sonst sähe die Lage heute anders aus.
Zu sagen ist auch noch: Wir Schweizer haben uns selber viel zu lange Sand darüber in die Augen gestreut, wie eng unsere Verflechtungen mit der EU mittlerweile sind. Die Währungskrise hat die Popularität der EU unter den Gefrierpunkt sinken lassen. Das Thema EU-Beitritt war lange tabuestens. Und all diese Verträge und Verträglein? Da schaut man besser nicht zu genau hin! Das holt nur die Nationalisten aus dem Busch!
Nun wird sich zeigen, wer den Preis für dieses Debakel bezahlt. Ich bin wütend und würde gern die Hinterwäldler, die Nationalisten, die Rentner bestraft sehen. Aber jetzt sind erst mal die Studenten dran - unsere jungen Kaderleute von morgen.
Zum Kotzen! Immer noch!
diefrogg - 11. Feb, 18:53
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