10
Aug
2013

Das Schloss im Osten

In Ostdeutschland hauen einem die Touristiker ja nicht gleich die unappetitlichen Details aus der Zeit der sowjetischen Herrschaft um die Ohren. In Tschechien ist das anders - oder wenigstens im Schloss Děčín .



Das noble Haus ist das touristische Bijou der Stadt. Man kann es mit Audioguides besichtigen - und die sagen es Deutsch und deutlich: Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Schloss ein Stützpunkt für sowjetische Soldaten. Und die sollen sich barbarisch benommen haben. Die edel gearbeiteten Holztüren etwa hätten sie gerne als Zielscheiben beim Messerwerfen benutzt - und zum Zigarettenausdrücken. Aber die Tschechen haben das Schloss seither schön herausgeputzt.



Es gehörte einst den Herren von Thun aus Österreich, über die im Schloss niemand etwas Schlechtes sagt. Auf den westlichen Betrachter wirkt der mächtige Bau ohnehin nicht westlich - sondern ausgesprochen slawisch. Es beginnt schon bei der Auffahrt.



Noch bei keinem westeuropäischen Schloss habe ich eine Zufahrt ohne Aussicht auf die Umgebung gesehen. "Was soll denn das?!" fragte sich Frau Frogg. Die Auffahrt ist tatsächlich etwas Besonderes. Sie hat sogar einen Namen: Sie heisst "die lange Fahrt" - oder "dlouha jizda". Erst später habe ich gelesen: Die Architekten wandten einen Trick an, um sie länger scheinen zu lassen als sie wirklich war. Die Bögen auf der Seite werden immer niedriger. Man sieht es auf dem Bild zuoberst.

Architektonisch ist die "Lange Fahrt" also mit der potemkinschen Treppe in Odessa verwandt.


(Quelle: Wikimedia)

Die Treppe ist unten viel breiter als oben. So lässt sie die Stadt oben viel mächtiger aussehen als sie wirklich ist. Im Schloss Děčín dagegen diente der Trick zur Vergrösserung des Ruhms derer von Thun.

Vor der Führung besichtigten wir auch die Waffen- und die Gemäldesammlung des Hauses. Dabei folgt uns eine Aufseherin auf Schritt und Tritt. Sie achtete freundlich, aber sehr bestimmt darauf, dass wir die Filzpantoffeln anbehielten, die den Holzboden schützen sollen. Wir waren dort die einzigen Besucher - und die Szene entbehrte nicht einer gewissen Beklemmung und Komik. Ich muss gestehen: Ich fühlte mich wie Roman Polanski im Schloss des Grafen Dracula in Tanz der Vampire.

Dafür war ich restlos hingerissen vom Rosengarten.

logo

Journal einer Kussbereiten

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Impressum

LeserInnen seit dem 28. Mai 2007

Technorati-Claim

Archiv

August 2013
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 2 
 3 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
11
12
13
15
17
18
19
20
23
25
26
27
28
29
30
31
 
 

Aktuelle Beiträge

Kommentar
Liebe Frau frogg, schauen Sie bitte bei WordPress...
Freni - 28. Nov, 20:21
Ein schreckliches Tal
Soglio im Bergell, Oktober 2013. Was habe ich Freunde...
diefrogg - 6. Okt, 20:27
Liebe Rosenherz
Danke für diesen Kommentar, eine sehr traurige Geschichte....
diefrogg - 11. Jan, 15:20
Ja, die selektive Wahrnehmung...
auch positives oder negatives Denken genannt. In den...
diefrogg - 9. Jan, 18:14
liebe frau frogg,
ein bisschen versuch ich es ja, mir alles widrige mit...
la-mamma - 5. Jan, 14:04

Status

Online seit 7364 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 17. Sep, 17:51

Credits


10 Songs
an der tagblattstrasse
auf reisen
bei freunden
das bin ich
hören
im meniere-land
in den kinos
in den kneipen
in den laeden
in frogg hall
kaputter sozialstaat
kulinarische reisen
luzern, luzern
mein kleiner
offene Briefe
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren