Schweizer Kriegsgurgeln in Sachsen
Die Festung Königstein (Bild) ist unter anderem ein Museum der sächsischen Kriegsgeschichte. Das ist auch für militärisch desinteressierte Schweizer packend. Denn bis weit ins 19. Jahrhundert waren es oft Schweizer, die für Sachsenfürsten in Sachsen Krieg führten - und danach zum Teil dort blieben. Auf der Burg Königstein begann ich zu ahnen, dass ich in Sachsen viele entfernte Cousins und Cousinen haben könnte.
Dieses Bild* zeigt den Träger einer Uniform der Schweizer im sächsischen Dienst um 1800. Es hängt in der Sonderausstellung über die Sachsen und Napoleon auf der Burg.
Wie die Schweizer nach Sachsen kamen? Nun. Schon im Mittelalter galten schweizerische Söldner als ultimative Kriegsgurgeln - und waren auf allen Schlachtfeldern Europas im Einsatz. Im Nahkampf waren sie so gut wie unschlagbar. Es war ein brutaler Job mit hohen Risiken. Doch der Handel mit Soldaten war ein lukratives Geschäft für die Herren aus der Schweizer Oberschicht, die die Krieger rekrutierten. Den meistbietenden ausländischen Königen schickten sie am meisten Schweizer Söldner. Oft genug kämpften im Feld schliesslich Schweizer gegen Schweizer.
Auch deshalb schafften die reformierten Kantone das Soldwesen zwischen 1520 und 1530 ab. "In der katholischen Innerschweiz blühte das Geschäft mit den fremden Diensten noch während rund 250 Jahren", schreibt Stefan Ragaz**. Das hatte zwei Gründe: Erstens gab das Land in der bergigen Zentralschweiz wenig her - viele junge Männner sahen keine Perspektive als das Kriegshandwerk in der Fremde. Zweitens wollten sich die Innerschweizer Noblen einfach nicht vom profitablen Söldnergeschäft lösen. Schweizweit verboten wurde die so genannte Reisläuferei erst 1848.
Waren es also hauptsächlich Männer aus der Innerschweiz, die in die sächsischen Kriege zogen? Die Musterungsliste der Sächsischen Schweizergarde von 1730 gibt keinen klaren Aufschluss darüber. Sie legt aber nahe, dass auch Leute aus der französischsprachigen Schweiz dabei waren.
Wie auch immer: Viele Schweizer liessen sich offenbar nach dem Kriegsdienst in Sachsen nieder. Das ist hier belegt. Sie betrieben Milchwirtschaft. Das konnten sie. Allerdings waren sie damit wohl nicht so erfolgreich. Es gäbe in Sachsen sonst besseren Käse.
Und sie heirateten und hatten Kinder.
Auch mein Vater stammt aus der katholischen Innerschweiz. Auch er sah keine berufliche Zukunft in seinem Heimatdorf - und suchte ein Auskommen auswärts. Er fand es im öffentlichen Dienst in der Stadt. Viele seiner Onkel und Uronkel sind wohl in ähnlicher Lage ins Ausland marschiert - vielleicht auch nach Sachsen.
Mehr zur Festung beim kultuflaneur.
* Auch der Bildautor, ein Herr Graenicher, könnte ein Schweizer gewesen sein. Jedenfalls kommt der Name in der Schweiz vor, und Gränichen ist ein Dorf im Kanton Aargau.
* Stefan Ragaz: "Luzern im Spiegel der Diebold-Schilling-Chronik - 1513 - 2013", Adligenswil, Ragaz Medien GmbH, 2013.
diefrogg - 28. Jul, 11:29
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