8
Jul
2013

Dresden für Kurzentschlossene

Eigentlich hatten wir die sächsische Hauptstadt erst Ende Juni besuchen wollen. Aber weil die grosse Flut unsere Ferienwohnung in der sächsischen Schweiz zugeschlammt hatte, mussten wir improvisieren. Wir zogen schon am Mittag des 12. Juni ins Hostel Louise 20 in der Dresdener Neustadt ein - ein Wunsch-Logis des Herrn T.

Mehr als zwei Nächte wollte man uns dort jedoch partout nicht unterbringen. Denn zwei Tage später begann das grosse Fest der Bunten Republik Neustadt. Da waren sämtliche Zimmer reserviert. Wirklich: Fluten, Feste, was willst Du mehr!?

Wir hatten also genau eineinhalb Tage Zeit für das grosse Elbflorenz. Viel zu wenig

Zum Glück hatten wir zwei Reiseführer, die beide mit Kurzaufenthalter-Banausen wie uns gerechnet hatten. Ihre Handlungsanweisungen waren allerdings bemerkenswert unterschiedlich.

Christine von Brühl beschreibt einen Rundgang von der Canaletto-Brücke über die Brühl'sche Terrasse (Bauwerk eines ihrer Urahnen) - und dann durch die üblichen Sehenswürdigkeiten wie Frauenkirche, Zwinger und Semperoper. Das Gute an diesem Spaziergang sei, dass "man anschliessend wieder abreisen kann", schreibt sie. Wer das alles gesehen habe, sagt sie "hat Dresden begriffen. Hier steckt die Seele der Stadt." (S. 24)

Detlef Krell, Autor dieses Buches seinerseits, macht die so genannte Käseglocke zum Nabel für eine Kurzbesichtigung von Dresden. Sie ist das Strassenbahn-Wartehäuschen am Postplatz. "Einmal um die Käseglocke der Stadt herum führt der kürzeste Stadtrundgang. Auf den 60 Schritten werden nicht nur einige der stadtprägenden Bauwerke sichtbar, sondern die zerrissene Seele der Stadt, das bewahrte und rekonstruierte Alte, das Neue zwischen Improvistaion und Vision, die Geschäftigkeit des Alltags". (S. 261)

Was also tun? Wir kamen sowieso über die Canaletto-Brücke und stritten ein bisschen. Ich fand die Beschreibung von Herrn Krell verlockender. Herr T. ging kurz weiter und warf einen Blick auf die inmitten von Schienen völlig verloren aussehende Käseglocke.


(Quelle: http://mw2.google.com)

"Kommt überhaupt nicht in Frage", sagte er und folgte der Brühl'schen Anweisung. Ich folgte meinem Mann. Ausnahmsweise.

Ich weiss nicht, ob ich Dresden begriffen habe. Aber bereut habe ich es nicht.
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