Die Fremde vom Friedhof
Neulich um 17.30 Uhr, draussen auf dem grossen Friedhof. Ich warte auf den Bus. Aber wahrscheinlich ist wieder irgendwo der Verkehr zusammengebrochen. Es dauert.
Im Bushäuschen sitzt eine alte Frau. Sie wartet auch.
Man spricht hierzulande keine Fremden an. Man hat sein Leben und keine Zeit für die Möglichkeiten und Gefahren, die sich aus solchen Begegnungen ergeben. Nur bei Überschwemmungen und chaotischen Verkehrssituationen sieht die Sache anders aus. Ich sage etwas zu ihr, sie lacht noch, und dann sagt sie plötzlich: "Sie! Mit meinem Kreislauf stimmt etwas nicht. Mir ist nicht gut. Wissen Sie, ich bin 93. Ich habe schon eine Streifschlag gehabt."
Ich schaue sie genauer an. Tatsächlich. Um die Augen herum ist sie so weiss, als hätte sie für ihren Besuch bei den Toten Kriegsbemalung aufgelegt. Sie zeigt mir die Innenseite ihres Augenlids. "Ist das blutunterlaufen?" fragt sie. Ähm..., es könnte schlimmer sein. Ich versuche sie mit Reden bei Sinnen zu halten und verfluche meine medizinische Ahnungslosigkeit. "Soll ich Sie ins Spital bringen?" frage ich. Das ist hier gleich um die Ecke. Aber das ist ihr zu anstrengend.
Schliesslich kommt der Bus.
Ich helfe ihr hinein. Sie lässt ihre Tasche fallen, ich hebe sie auf. Im Bus bekommt sie wieder ein Mü Farbe, ist aber immer noch unsicher. Bei der Apotheke aussteigen will sie aber nicht. "Nein, nein! Da müsste ich ja aufstehen!" sagt sie. Die Situation ist kompliziert. Braucht sie Hilfe oder nur Gesellschaft? Ist sie froh, dass ich da bin? Oder denkt sie, ich will mich aufdrängen?
Wir steigen unten an der Kreuzung beim See aus. Bei der Ampel sieht sie das Licht auf der anderen Seite nicht und hält leicht meinen Arm. Sie will ein Fläschchen Rivella. Sie sitzt und trinkt. Und redet. Ich mag sie. Sie gibt sich gern vornehm. Ich bin nicht sicher, ob sie nur die Tapfere spielt, oder ob es jetzt wieder besser geht.
Schliesslich gehe ich mit ihr zum Bus Nr. 24. Sie will selber nach Hause und steigt selber ein.
Ich fahre nach Hause und überlege lange, ob ich sie anrufen sollte.
Im Bushäuschen sitzt eine alte Frau. Sie wartet auch.
Man spricht hierzulande keine Fremden an. Man hat sein Leben und keine Zeit für die Möglichkeiten und Gefahren, die sich aus solchen Begegnungen ergeben. Nur bei Überschwemmungen und chaotischen Verkehrssituationen sieht die Sache anders aus. Ich sage etwas zu ihr, sie lacht noch, und dann sagt sie plötzlich: "Sie! Mit meinem Kreislauf stimmt etwas nicht. Mir ist nicht gut. Wissen Sie, ich bin 93. Ich habe schon eine Streifschlag gehabt."
Ich schaue sie genauer an. Tatsächlich. Um die Augen herum ist sie so weiss, als hätte sie für ihren Besuch bei den Toten Kriegsbemalung aufgelegt. Sie zeigt mir die Innenseite ihres Augenlids. "Ist das blutunterlaufen?" fragt sie. Ähm..., es könnte schlimmer sein. Ich versuche sie mit Reden bei Sinnen zu halten und verfluche meine medizinische Ahnungslosigkeit. "Soll ich Sie ins Spital bringen?" frage ich. Das ist hier gleich um die Ecke. Aber das ist ihr zu anstrengend.
Schliesslich kommt der Bus.
Ich helfe ihr hinein. Sie lässt ihre Tasche fallen, ich hebe sie auf. Im Bus bekommt sie wieder ein Mü Farbe, ist aber immer noch unsicher. Bei der Apotheke aussteigen will sie aber nicht. "Nein, nein! Da müsste ich ja aufstehen!" sagt sie. Die Situation ist kompliziert. Braucht sie Hilfe oder nur Gesellschaft? Ist sie froh, dass ich da bin? Oder denkt sie, ich will mich aufdrängen?
Wir steigen unten an der Kreuzung beim See aus. Bei der Ampel sieht sie das Licht auf der anderen Seite nicht und hält leicht meinen Arm. Sie will ein Fläschchen Rivella. Sie sitzt und trinkt. Und redet. Ich mag sie. Sie gibt sich gern vornehm. Ich bin nicht sicher, ob sie nur die Tapfere spielt, oder ob es jetzt wieder besser geht.
Schliesslich gehe ich mit ihr zum Bus Nr. 24. Sie will selber nach Hause und steigt selber ein.
Ich fahre nach Hause und überlege lange, ob ich sie anrufen sollte.
diefrogg - 16. Mai, 19:46
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