Freds verlogene Sentimentalität
Fred Feuerstein überlebte den Ansturm der Alliierten im Juni 1944. Er blieb an einem unbekannten Ort in Frankreich und schrieb weiter seiner Frau Erna in Deutschland. Nur das Papier wurde schlechter.
Hatte die Zeit in der Wehrmacht ihn wirklich zu einem Kritiker des Nazi-Unwesens gemacht, wie er später behauptete? Wenn ja, so wäre er jetzt wortkarg gewesen. Wegen der Zensur. Aber er wurde nicht wortkarg. Im Gegenteil. Er gibt dem Drang nach, die Lage neu zu beurteilen. Und er tut es auf eine Art, die meine Sympathie für ihn schwer beschädigt.
So lästert er am 11. Juni über zwei Nachbarn Ernas, die nicht an der Front sind: "Heute kommen die Egoisten an den Tag in der ernsten Stunde. Dass so ein Müller oder Meier noch zu Hause sitzt. Junge Leute, ohne Bresten, gesund und ausgeruht." Fred scheint zu vergessen: In Deutschland herrschte Allgemeine Wehrpflicht. Wer nicht an der Front ist, hat sehr gute Gründe. Oder er profitierte von einer korrupten Stelle im System.
Am 5. Juli hofft er noch immer auf den Sieg: "Ich höre gerade, dass die V-1-Waffe gegen England so schrecklich gewirkt hat und demnächst auch V-2 drankommt, noch stärker."
Ausserdem entdeckt er seinen Hass auf die Franzosen. "Sie haben ein schäbiges, erhabenes Lächeln, als ob sie sagen wollten: Jetzt geht’s …(unleserlich) mit Euch", schreibt er am 9. Juni. Und am 20. August kommt die Stelle, an der sich mir schier der Magen umdrehte: "Die Franzosen sind nun satanisch hasserfüllt feindlich. Und wir haben dieses Sauvolk mit Glacéhandschuhen angefasst und ihre Kriegsgefangenen bei uns so anständig behandelt. Das ist der Dank dafür, dass sie nun hinter Büschen und Mauern lauern und aus den Häusern schiessen auf alles, was deutsche Uniform trägt. So kann nur der Franzose hassen. Er wird uns auch gar nie verstehen lernen. Er will das auch nicht. Wir Deutsche sind doch gewiss keine Engel. Aber wenn wir Frauen und Kinder sehen, dann werden wir weich."
Nichts rechtfertigt die sentimentale Verlogenheit, den blanken Zynismus dieser Stelle. Es waren Deutsche, die 75000 jüdische Frauen, Kinder und Männer aus Frankreich deportierten. Aber vielleicht hat Fred ja nie nach ihrem Schicksal gefragt. Und, naja, vielleicht hatte ihm nie jemand vom Massaker von Oradour vom 10. Juni 1944 erzählt. Dort ermordeten Deutsche 642 Menschen. Die Frauen und Kinder trieben sie in eine Kirche und zündeten das Gotteshaus an.
Aber dass die V-1 Tausende Zivilisten tötete und verletzte, müsste er eigentlich gewusst haben.
Doch, nein: Fred wollte keine Tatsachen sehen. "Wer zum Mörder wird, entwickelt die Begabung, es nicht zu merken", ein Zitat von Julia Voss zu diesem Thema.
Fred schlägt lieber blind mit Worten um sich.
Bis Ende August der Strom seiner Briefe versickert.
Hatte die Zeit in der Wehrmacht ihn wirklich zu einem Kritiker des Nazi-Unwesens gemacht, wie er später behauptete? Wenn ja, so wäre er jetzt wortkarg gewesen. Wegen der Zensur. Aber er wurde nicht wortkarg. Im Gegenteil. Er gibt dem Drang nach, die Lage neu zu beurteilen. Und er tut es auf eine Art, die meine Sympathie für ihn schwer beschädigt.
So lästert er am 11. Juni über zwei Nachbarn Ernas, die nicht an der Front sind: "Heute kommen die Egoisten an den Tag in der ernsten Stunde. Dass so ein Müller oder Meier noch zu Hause sitzt. Junge Leute, ohne Bresten, gesund und ausgeruht." Fred scheint zu vergessen: In Deutschland herrschte Allgemeine Wehrpflicht. Wer nicht an der Front ist, hat sehr gute Gründe. Oder er profitierte von einer korrupten Stelle im System.
Am 5. Juli hofft er noch immer auf den Sieg: "Ich höre gerade, dass die V-1-Waffe gegen England so schrecklich gewirkt hat und demnächst auch V-2 drankommt, noch stärker."
Ausserdem entdeckt er seinen Hass auf die Franzosen. "Sie haben ein schäbiges, erhabenes Lächeln, als ob sie sagen wollten: Jetzt geht’s …(unleserlich) mit Euch", schreibt er am 9. Juni. Und am 20. August kommt die Stelle, an der sich mir schier der Magen umdrehte: "Die Franzosen sind nun satanisch hasserfüllt feindlich. Und wir haben dieses Sauvolk mit Glacéhandschuhen angefasst und ihre Kriegsgefangenen bei uns so anständig behandelt. Das ist der Dank dafür, dass sie nun hinter Büschen und Mauern lauern und aus den Häusern schiessen auf alles, was deutsche Uniform trägt. So kann nur der Franzose hassen. Er wird uns auch gar nie verstehen lernen. Er will das auch nicht. Wir Deutsche sind doch gewiss keine Engel. Aber wenn wir Frauen und Kinder sehen, dann werden wir weich."
Nichts rechtfertigt die sentimentale Verlogenheit, den blanken Zynismus dieser Stelle. Es waren Deutsche, die 75000 jüdische Frauen, Kinder und Männer aus Frankreich deportierten. Aber vielleicht hat Fred ja nie nach ihrem Schicksal gefragt. Und, naja, vielleicht hatte ihm nie jemand vom Massaker von Oradour vom 10. Juni 1944 erzählt. Dort ermordeten Deutsche 642 Menschen. Die Frauen und Kinder trieben sie in eine Kirche und zündeten das Gotteshaus an.
Aber dass die V-1 Tausende Zivilisten tötete und verletzte, müsste er eigentlich gewusst haben.
Doch, nein: Fred wollte keine Tatsachen sehen. "Wer zum Mörder wird, entwickelt die Begabung, es nicht zu merken", ein Zitat von Julia Voss zu diesem Thema.
Fred schlägt lieber blind mit Worten um sich.
Bis Ende August der Strom seiner Briefe versickert.
diefrogg - 2. Mär, 09:29
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