Stilles Herzrasen
Junior hat gerade einen Anfall. Wenn ich das Fenster aufmache, höre ich von unten Bässe und Gitarren heraufröhren. Das gefällt mir. Eigentlich gefällt mir Juniors Sound. Nachts hat er unser biederes Treppenhaus auch schon zu einem sirrenden Gewächshaus für Tropenpflanzen gemacht. Tags aber steht er eher auf heavy stuff. Ich werde es ihm nie sagen können, aber gerade jetzt lausche ich seinem Georgel da unten mit einem grossen Glücksgefühl. Es erinnert mich daran, dass ich tiefe Töne wieder richtig gut hören kann.
Es hat in letzter Zeit auch andere Tage gegeben. Am Ostersamstag musste ich nach einer ruppigen Woche mit viel Blubbern und Quäken auf meinem guten Ohr zum rosaroten Gift greifen. Das bringt mir zwar die tiefen Töne zurück. Aber nachher verfolgt mich jedesmal tagelang das Vieh.
Am Mittwochmorgen erwachte ich um 6.30 Uhr aus einem verstörenden Traum. Die Wirklichkeit erwies sich schnell als noch verstörender: Ich konnte die Stadt nicht hören. Die Stadt, dieses unaufhörliche, mächtige, halblaute Dröhnen, das der Wind überallhin trägt. Wenn ich die Stadt nicht höre oder wenn die Stadt gurgelt, dann steht es schlecht um mich. Grottenschlecht. Der Sound der Stadt gehört unbedingt auf die Liste der unentbehrlichen Geräusche. Ach was: Er gehört auf die Liste der Unesco. Er ist Weltkulturerbe.
Klar, dass ich Panik bekam. Mein Herz raste. Und dann passierte das Allerschlimmste: Ich konnte mein Herz nicht klopfen hören. Ihr wisst schon: diesen dumpfen elektrischen Zweitakt. Ich konnte ihn nicht mehr hören. Nur ein schwaches, hastiges zweitaktiges Rauschen hörte ich. "Hört man sein Herz mit dem Innenohr schlagen?" fragte ich mich entsetzt. "Klar", sagte die Stimme der Vernunft, "Womit den sonst?"
Einen Moment lang lag ich da wie gelähmt.
Vielleicht denkt Ihr jetzt, die Frogg sei vollständig verrückt geworden. Ist sie nicht. Das alles ist bloss eine Begleiterscheinung der Meniere'schen Krankheit, die ich inzwischen auf beiden Ohren habe (das gibt es, da ist Wikipedia nicht à jour). Mein Hausarzt hat einmal zu mir gesagt hat: "Wissen Sie, Leute, die Ihr Gehör verlieren, leiden viel mehr als Leute die blind werden." Er konnte mir nicht sagen, warum. Aber er sagte: "Die werden manchmal fast wahnsinnig." Ich weiss jetzt, warum.
Dann fiel mir ein, was ich in solchen Lebenslagen jeweils sonst tue: Ich streiche mit der Hand über mein Duvet. Wenn das Duvet normal klingt, dann ist die Welt mindestens halbwegs in Ordnung. Wenn das Duvet beim Drüberstreichen dröhnt, ist eine weitere Dosis rosarotes Gift angesagt. Die Welt war halbwegs in Ordnung. Ich flüchtete in Herrn T.'s Arme und lauschte eine Stunde lang, wie er die Klaviatur seines Atems bearbeitete. Das beruhigt mich immer. Da endlich hörte ich, wie die Stadt langsam erwachte.
Ob ich mir das alles eingebildet habe oder ob ich wirklich am frühen Morgen meine Tieftöne verloren hatte und sie erst mit dem Prozess des Erwachens langsam zurückkamen? Beides ist möglich, glaubt mir. Ich weiss es bis heute nicht.
Es hat auch keinen Sinn, darüber nachzudenken. Ich werde jetzt aufstehen, ein bisschen putzen und Juniors Bässe geniessen, so lange ich noch kann. Junior zeiht im Juni aus. Wir haben ihn hinausgeekelt. So kompliziert ist das Leben.
Es hat in letzter Zeit auch andere Tage gegeben. Am Ostersamstag musste ich nach einer ruppigen Woche mit viel Blubbern und Quäken auf meinem guten Ohr zum rosaroten Gift greifen. Das bringt mir zwar die tiefen Töne zurück. Aber nachher verfolgt mich jedesmal tagelang das Vieh.
Am Mittwochmorgen erwachte ich um 6.30 Uhr aus einem verstörenden Traum. Die Wirklichkeit erwies sich schnell als noch verstörender: Ich konnte die Stadt nicht hören. Die Stadt, dieses unaufhörliche, mächtige, halblaute Dröhnen, das der Wind überallhin trägt. Wenn ich die Stadt nicht höre oder wenn die Stadt gurgelt, dann steht es schlecht um mich. Grottenschlecht. Der Sound der Stadt gehört unbedingt auf die Liste der unentbehrlichen Geräusche. Ach was: Er gehört auf die Liste der Unesco. Er ist Weltkulturerbe.
Klar, dass ich Panik bekam. Mein Herz raste. Und dann passierte das Allerschlimmste: Ich konnte mein Herz nicht klopfen hören. Ihr wisst schon: diesen dumpfen elektrischen Zweitakt. Ich konnte ihn nicht mehr hören. Nur ein schwaches, hastiges zweitaktiges Rauschen hörte ich. "Hört man sein Herz mit dem Innenohr schlagen?" fragte ich mich entsetzt. "Klar", sagte die Stimme der Vernunft, "Womit den sonst?"
Einen Moment lang lag ich da wie gelähmt.
Vielleicht denkt Ihr jetzt, die Frogg sei vollständig verrückt geworden. Ist sie nicht. Das alles ist bloss eine Begleiterscheinung der Meniere'schen Krankheit, die ich inzwischen auf beiden Ohren habe (das gibt es, da ist Wikipedia nicht à jour). Mein Hausarzt hat einmal zu mir gesagt hat: "Wissen Sie, Leute, die Ihr Gehör verlieren, leiden viel mehr als Leute die blind werden." Er konnte mir nicht sagen, warum. Aber er sagte: "Die werden manchmal fast wahnsinnig." Ich weiss jetzt, warum.
Dann fiel mir ein, was ich in solchen Lebenslagen jeweils sonst tue: Ich streiche mit der Hand über mein Duvet. Wenn das Duvet normal klingt, dann ist die Welt mindestens halbwegs in Ordnung. Wenn das Duvet beim Drüberstreichen dröhnt, ist eine weitere Dosis rosarotes Gift angesagt. Die Welt war halbwegs in Ordnung. Ich flüchtete in Herrn T.'s Arme und lauschte eine Stunde lang, wie er die Klaviatur seines Atems bearbeitete. Das beruhigt mich immer. Da endlich hörte ich, wie die Stadt langsam erwachte.
Ob ich mir das alles eingebildet habe oder ob ich wirklich am frühen Morgen meine Tieftöne verloren hatte und sie erst mit dem Prozess des Erwachens langsam zurückkamen? Beides ist möglich, glaubt mir. Ich weiss es bis heute nicht.
Es hat auch keinen Sinn, darüber nachzudenken. Ich werde jetzt aufstehen, ein bisschen putzen und Juniors Bässe geniessen, so lange ich noch kann. Junior zeiht im Juni aus. Wir haben ihn hinausgeekelt. So kompliziert ist das Leben.
diefrogg - 18. Apr, 14:43
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